Home>Wintersport>Skispringen>

Brisante Enthüllungen über Skisprung-Anzüge: "Es betrügen praktisch alle!"

Skispringen>

Brisante Enthüllungen über Skisprung-Anzüge: "Es betrügen praktisch alle!"

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Skispringer packt über Betrug aus

Ein aktiver Skispringer packt über die Anzüge der Athleten aus und wie bei den Kontrollen gepfuscht wird. Jetzt werden radikale Änderungen gefordert.
Halvor Egner Granerud dreht rechtzeitig für die Vierschanzentournee wieder richtig auf. Im Alter von 16 Jahren sorgte er mit einem Nackt-Sprung für Schlagzeilen.
AnneKamphausen
AnneKamphausen

Dunkle Wolken über der Skisprung-Szene. Seit Ende vergangener Woche sind Aussagen im Umlauf, die reichlich Brisanz besitzen.

{ "placeholderType": "MREC" }

Ein aktiver Athlet hat preisgegeben, wie Skispringer beim Material tricksen und dennoch ungeahndet durch die Kontrollen kommen.

In der Schweizer Zeitung Blick sagte der namentlich nicht genannte Wintersportler: „Zurzeit kann ich die Anzugskontrollen nicht ernst nehmen.“

Die Begründung lieferte er gleich mit. Am vergangenen Skiflug-Wochenende in Kulm sprang er mit einem regelwidrigen Anzug. Das Volumen sei zu groß gewesen. Die Schrittkontrolle vor dem Start passierte er jedoch problemlos. Nach seinem Sprung konnte er das Stadion ohne weitere Überprüfungen verlassen. (DATEN: Stand im Skisprung-Gesamtweltcup)

{ "placeholderType": "MREC" }

Auch der vierfache Weltmeister Janne Ahonen verwies darauf, dass einige Athleten bei der Vierschanzentournee zu viel Stoff im Schritt haben. Es sei in seinem Sport eine gängige Methode, um den Auftrieb zu verbessern.

Zum Anzug des Polen Piotr Zyla meinte Ahonen etwa: „Ich weiß nicht, wie der blaue Anzug hergestellt wird, aber ich weiß, dass entweder die modernen Kontrollen nicht funktionieren oder dass die Springer zu meiner Zeit und ich sehr dumm waren.“

Wenige Zentimeter Stoff, große Wirkung

Seit Wochen toben die Diskussionen rund um das Material der Anzüge. Um jeden Quadratmillimeter Stoff. Zuletzt sorgte das Schweizer Team bei der Vierschanzentournee für Aufsehen. Die Konkurrenz brillierte mit deutlich größeren Overalls. Sofort wurden Betrugsvorwürfe laut.

{ "placeholderType": "MREC" }
Severin Freund gewann Olympisches Gold, wurde vier Mal Weltmeister und gewann 2014/15 den Gesamtweltcup im Skispringen. Im "SKI & BERGE - Das DSV-Magazin" erklärt er die Hintergründe für seinen "frühen" Rücktritt mit 33 Jahren im Frühjahr 2022.
01:12
SKI & BERGE - Das DSV-Magazin: Severin Freund über seinen Rücktritt

Um die Bedeutung des Anzuges weiß jeder, der sich mit Skispringen auskennt. So auch Martin Künzle, einer der Schweizer Skisprungtrainer: „Dank wenigen Zentimetern mehr Stoff kann der Athlet bis zu zehn Meter weiter springen.“

Durch einen entsprechenden Schnitt entsteht ein Segeleffekt, der zusätzliche Weite verspricht. Deshalb bewegen sich sämtliche Springer am Reglementlimit und scheinbar auch ganz gerne ein bisschen darüber.

„Kontrolleure sind machtlos“

„Ich ziehe den Anzug nach oben, sodass an meinen Schultern vorübergehend deutlich mehr Stoff ist“, gibt der Athlet anonym zu. Mit dieser Methode sei es möglich, die Beinlänge des Anzugs auf das geforderte Maß auszudehnen. Ein einfacher Trick, um vier Zentimeter Stoff zu gewinnen.

Das Ziel sei es, mit einer möglichst kurzen Beinlänge zu springen. „Je kürzer die ist, desto voluminöser der Schritt.“ Das verstärkt wiederum den Segeleffekt. Bei einer größeren Inspektion nach dem Flug, die per Stichprobe durchgeführt wird, würde er aber wahrscheinlich damit auffliegen. (DATEN: Weltcup-Kalender im Skispringen)

Dieses Risiko nehme der Athlet in Kauf. „Es betrügen praktisch alle, da muss ich mitziehen, sonst habe ich keine Chance“, rechtfertigte er. Das werde wohl auch vorerst so bleiben. „Man hätte früher durchgreifen müssen. Jetzt sind die Kontrolleure machtlos, sonst müssten sie das halbe Starterfeld disqualifizieren.“

Skisprung-Legende zweifelt Kontrollen an

Auch Künzle hat große Zweifel an den Anzügen. „Wenn du dir die Bilder anschaust, ist es fraglich, ob alles Verbotene geahndet wird.“

Für ist deshalb klar: „Wenn du bei den anderen Anzügen siehst, die nicht regelkonform erscheinen, aber durch die Kontrollen kommen, musst du handeln.“ Der Schrittbereich wurde vergrößert. Die Schweiz arbeitete also auch in der Grauzone. „Wir müssen ans Limit und darüber hinaus, solange es durchgeht.“

Material-Chef des internationalen Skisprungverbands Christian Kathol merkte an, dass die „Fotos, die am Startbalken oder beim Abbremsen gemacht werden, nichts mit der Haltung, mit der der Athlet kontrolliert wird, zu tun haben.“

Ausführliche Kontrollen ein Ding der Unmöglichkeit

Dennoch gestand er ein, dass die Messmethode der Schritthöhe verbesserungswürdig sei. Zurzeit werde sie von Hand durchgeführt. „Das kann nicht immer zu 100 Prozent präzis sein.“ In Zukunft soll auf eine digitale Methode zurückgegriffen werden. (Skisprung-Weltcup: Alle Wettbewerbe im LIVETICKER)

Ein weiteres Problem wären die spärlichen Kontrollen. „Das Material jedes Athleten soll vor oder nach dem Wettkampf vollumfänglich geprüft werden“, sagte Berni Schödler, der Skisprung-Chef bei Swiss-Ski.

Markus Eisenbichler hat offenbart, dass er zum Ende der letzten Saison mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte. Deshalb begab sich der Skispringer auf Spurensuche und holte sich Hilfe. Nun gab der Oberbayer Einblicke in seinen Gesundheitszustand.
01:41
Skispringen: Markus Eisenbichler holte sich mentale Hilfe

Zurzeit nicht möglich, erklärte Kathol: „An einem Wettkampfwochenende kann ich maximal 80 bis 85 Prozent der Springer ausführlich überprüfen. Für alle haben wir keine Zeit und zu wenig Kontrolleure.“ Da an einem Wochenende zwei Springen stattfinden, schrumpfe die Zahl der ausführlich kontrollierten Anzüge auf unter 50 Prozent.

Küttel: Österreich hat angefangen

Im Anzugs-Poker sind die großen Nationen wie Österreich, Norwegen oder Polen oben auf. Teilweise gehen gleich sieben Springer in ihren Farben an den Start. Das eröffnet taktische Möglichkeiten, wie Künzle bemerkte: „Wenn alle einen irregulären Anzug tragen, kommen zwei oder drei Athleten damit durch.“

„Weniger Regeln, dafür diese richtig kontrollieren. Das Regelwerk ist derart groß, dass ein oder zwei Kontrolleure dieses gar nicht überblicken können. Zudem wäre eine große Kontrolle oben an der Schanze sinnvoll“, gab Künzle als Lösung vor.

Einen weiteren problematischen Aspekt nannte Ex-Skispringer Andreas Küttel im Blick: „Das Problem ist, dass die Messungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Sobald die Türe zugeht, werden Deals gemacht.“

Für den Schweizer ist auch klar, wer mit den Schummeleien angefangen hat. „Die Österreicher haben mit dem Material-Beschiss begonnen. Kurz darauf folgte die internationale Konkurrenz“, prangerte Küttel an.

Alles zu Ski und Wintersport auf SPORT1.de