Der Vergleich war natürlich hoch gegriffen. Aber er kam von jemandem, der es beurteilen könnte.
Der tiefe Fall eines WWE-Megatalents
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„Stone Cold“ Steve Austin, der einst größte und erfolgreichste Wrestling-Star von WWE, sah im Sommer 2018 ein junges Talent - und fühlte sich an einen alten Rivalen erinnert, der inzwischen noch berühmter ist als er: Dwayne „The Rock“ Johnson.
„Er erinnert mich an The Rock, so wie er sich in gewissen Dingen verkauft“, führte Austin in seinem Podcast aus: „Der Junge sieht aus wie ein Rockstar - und was immer passiert: Es gibt keine Grenze nach oben für ihn.“ (Das wurde aus Stone Cold Steve Austin)
Austin war damals nicht der einzige, der das Gefühl hatte, dass Patrick Clark alias Velveteen Dream auf dem Weg war, der nächste WWE-Gigant zu werden. Stattdessen ist Clark inzwischen gefeuert und durch eine Reihe verstörender Negativschlagzeilen so tief gefallen, dass sich seine Karriere schon mit 27 Jahren erledigt zu haben scheint.
Velveteen Dream hatte bei WWE steilen Karriere-Start
Der Weg des Patrick Clark führte dabei noch vor etwas mehr als zwei Jahren scheinbar unaufhaltsam nach oben.
Clark wurde 2015 von WWE verpflichtet, nachdem er deren Casting-Show Tough Enough zwar nicht gewann, sich aber als Talent mit Potenzial empfahl - wie groß, wurde spätestens 2017 sichtbar, als er seinen Charakter Velveteen Dream einführte.
Der „samtene Traum“ verquickte die Einflüsse Stars der Vergangenheit wie „Ravishing“ Rick Rude, „Macho Man“ Randy Savage und Goldust mit Versatzstücken von Showbiz-Legenden wie Prince und David Bowie. Was herauskam, war eine schillernde Figur, wie WWE sie lange nicht erlebt hatten - und eine durchaus schon an den jungen Rock erinnernde Erfolgsgeschichte. (Wie The Rock bei WWE als Flop begann)
Clark bestritt im Aufbaukader NXT erste große Matches vor teils über 10.000 Fans, die seine pompösen Auftritte begeistert annahmen. Die Dream-Figur wurde 2018 von den Lesern des Fachblatts Wrestling Observer zum „besten Gimmick“ der ganzen Branche gewählt, Anfang 2019 gewann Dream seinen ersten Titel, den NXT North American Title, gerade frisch neu vergeben an Roman-Reigns-Neffe Solo Sikoa.
Wer Dream damals in Aktion sah, sah ein junges Talent, das im Ring zwar noch handwerkliche Defizite hatte (live in der Halle besser bemerkbar als im TV), dem aufgrund seiner Star-Aura aber alle Türen offen zu stehen schienen - bis sich mehr und mehr offenbarte, dass der junge Mann hinter dem Dream-Charakter dunkle Seiten hatte.
Serie schwerer Vorwürfe mündete in Entlassung
Der Wirbel um Clark begann im April 2020, als Vorwürfe laut wurde, dass er einen minderjährigen Jungen mit Online-Nachrichten belästigt und ihm ein Nacktbild geschickt hätte. Clark wies es zurück und erklärte, dass er Opfer eines Hacks gewesen sei - die Angelegenheit blieb zunächst folgenlos.
Zwei Monate später erhoben dann aber in der #SpeakingOut-Bewegung weitere Personen in sozialen Medien Vorwürfe unangemessenen Verhaltens und veröffentlichten angebliche Chatverläufe mit Clark, die in dieselbe Richtung wiesen. Unter anderem behauptete der Independent-Wrestler Josh Fuller, dass Clark ihm Nachrichten geschickt hätte, die er als „Grooming“ einordnete, als Annäherungsversuch an einen Minderjährigen.
WWE nahm Clark aus dem Programm - zunächst ohne Erklärung, dann mit der nach Monaten nachgeschobenen Begründung, dass es sich um eine Verletzungs-Auszeit infolge eines Autounfalls gehandelt hätte, den Clark im Juni hatte. Die Vorwürfe gegen Clark hätte man geprüft und „nichts gefunden“, berichtete der damals für NXT, inzwischen für das komplette WWE-Programm verantwortliche Paul Levesque alias Triple H, ohne Detailfragen zu beantworten.
Fuller blieb bei seiner Darstellung und hielt WWE vor, weder ihn noch andere mutmaßliche Opfer Clarks kontaktiert zu haben - was Levesque in einer Medienkonferenz trotz mehrfacher Nachfrage nicht kommentieren wollte. Velveteen Dream kehrte trotz allem ins WWE-Programm zurück, seine Karriere nahm jedoch keine Fahrt mehr auf. Nachdem er am Ende kaum noch eingesetzt worden war, folgte im Mai 2021 die Entlassung - der Wrestling Observer berichtete von einem nicht näher benannter Vorfall hinter den Kulissen als unmittelbaren Anlass.
Verhaftung nach Ausraster in Fitness-Studio
Auch außerhalb von WWE war Clark seitdem nicht mehr im Ring zu sehen: Als er im Juli 2021 für eine lokale Independent-Show der Liga SWF in New Jersey angekündigt wurde, folgte eine so große Welle der Kritik in den sozialen Wrestling-Medien, dass der Promoter nach zwei Stunden zurückruderte und Clark wieder von der Card entfernte.
Danach war es lange ruhig um Clark, ehe im August neuer Ärger losbrach: Innerhalb von sechs Tagen wurde Clark zweimal verhaftet, einmal wegen des Vorwurfs der Körperverletzung, ein weiteres Mal wegen des angeblichen Besitzes von Drogen-Utensilien.
Das Boulevard-Portal TMZ kam an die Polizei-Dokumente und zeichnete nach, was bei Verhaftung 1 am 20. August passiert war: Clark soll in einem Fitness-Studio in Orlando völlig ausgerastet sein, als er einen zur Reinigung geschlossenen Teil des Gebäudes verlassen sollte. Clark habe gegen den Gym-Angestellten „Todesdrohungen“ ausgestoßen, ihn geschlagen und in die Brust gebissen. Clark plädierte auf „nicht schuldig“.
Ex-WWE-Kollege EC3: „Er wollte Leute beim Pinkeln filmen“
Im Fahrwasser der neuen Schlagzeilen machte dann auch ein früherer WWE-Kollege neue Vorwürfe öffentlich: Der 2020 ebenfalls entlassene EC3 (Michael Hutter) beschuldigte Clark in mehreren Interviews, 2018 bei einer von ihm veranstalteten Party eine Handykamera in seinem Bad versteckt zu haben, „um dabei Leute beim Pinkeln zu filmen“.
Innerhalb der Szene war der Vorwurf offenbar schon lange bekannt, mehrere bekannte US-Journalisten (Sean Ross Sapp und David Bixenspan) erklärten nach dem ersten EC3-Interview, dass die Anschuldigung gegen Clark ein offenes Geheimnis gewesen sei, vorher jedoch niemand damit „on the record“ hätte gehen wollen.
Brisant: EC3 - der Clark zudem die Schuld an einer in einem Match gegen ihn erlittenen Gehirnerschütterung mit Folgeschäden gab - deutete an, dass auch WWE-Verantwortliche von dem Vorfall gewusst und ihn unter den Teppich gekehrt hätten (“Manchmal läuft es halt gut für ein Talent und es generiert Geld, dann wird es beschützt“).
Velveteen Dream weist jede Schuld von sich
Während WWE dies bislang unkommentiert stehen gelassen hat, reagierte Clark mit einem Instagram-Video mit demselben Grundmuster wie in allen anderen Fällen: Clark wies jede Schuld von sich, stellte sich als Opfer übler Nachrede dar und antwortete mit Gegenvorwürfen - EC3 solle doch nicht vergessen zu erwähnen, dass bei seiner Party „weißes Pulver“ auf den Tischen gewesen sei.
Die ebenso vielsagende Antwort von EC3 im Pro Wrestling Insider: „Ich für meinen Teil bin nie durch einen Drogentest meines Arbeitgebers gefallen, noch bin ich je wegen Drogenkonsum, Drogenutensilien, Körperverletzung oder unangemessenem Verhalten verhaftet worden.“ Er hoffe, dass Clark „die Hilfe findet, die er benötigt“.
Wie Fightful berichtet, spielte EC3 mit dem ersten Teil seiner Aussage auf eine bislang unbekannte Doping-Suspendierung Clarks bei WWE an.
Bei WWE dürfte Clark unten durch sein, auch ein Neustart bei AEW oder einer anderen Liga wirkt zum jetzigen Zeitpunkt undenkbar. Unabhängig davon, was bei den juristischen Verfahren gegen Clark herauskommt: Karriere-technisch steht der frühere Velveteen Dream vor deinem Scherbenhaufen.