Wer WWE vor 30 Jahren verfolgt hat, erinnert sich mit Sicherheit an Hulk Hogan, an Bret „The Hitman“ Hart, an den jungen „Heartbreak Kid“ Shawn Michaels. Nicht unwahrscheinlich ist aber auch, dass er sich ins Gedächtnis eingebrannt hat.
Ermordet? Das mysteriöse Todes-Rätsel um den bösen Clown von WWE
Das Todes-Rätsel um den WWE-Clown
Die Rede ist von Matt Borne - dem Mann, der damals hinter einem der besten und subversivsten Charaktere steckte, die das ansonsten oft eher flache Figurentableau der damaligen WWF zu bieten hatte: Doink the Clown. (NEWS: Alle Neuigkeiten zum Thema WWE)
Nicht der lustige, kindgerechte Clown, nicht der immer wieder zitierte Running Gag, der später aus der Figur wurde. Der Original-Doink. Der böse und unheimliche Harlekin, der nicht dazu da war, zum Lachen anzuregen. Außer zu einem zynischen.
Die aktuelle Episode der preisgekrönten Dokuserie „Dark Side of the Ring“ erinnerte in dieser Woche an die genial verkörperte Rolle, die menschlichen Abgründe ihres Darstellers, dessen frühen Tod - und die von seiner Familie erhobenen Mord-Vorwürfe.
Matt Borne war Sohn einer regionalen Legende
Matt Borne - eigentlich: Matthew Wade Osborne - wurde am 27. Juli 1957 in der Wrestling-Hochburg Charlotte in North Carolina geboren, als Showkämpfer in zweiter Generation.
Sein Vater war Tony Borne, eine regionale Legende im Westküstenstaat Oregon. Das Scheidungskind Matt war stark von ihm geprägt, im Guten wie im Schlechten. Der frühere WWE-Kollege Brian Blair (The Killer Bees) beschreibt Matt Borne in der Doku als „Produkt Portlands“, dem lokalen Zentrum der nordwestlichen Wrestling-Szene.
Es die diplomatische Umschreibung dafür, dass Borne ein gut geschulter Ringhandwerker und ein harter Hund war. Aber auch ein Trinker mit Drogenproblemen und Hang zu realen Schlägereien.
Blair beschreibt eine Kneipenprügelei mit einem unter Drogeneinfluss stehenden Borne, die letztlich so weit eskaliert sei, dass er Borne in Notwehr einen Teil der Unterlippe abgebissen hätte. Borne hätte danach immer noch nicht aufgehört.
Bornes Verhalten außerhalb des Rings war für ihn auch mehrfach ein Karrierehindernis.
„Er hat nie ein Match nüchtern bestritten“
In den Achtzigern bildete Borne in der damals überregional bekannten Promotion Mid-South die verhasste Schurken-Gruppierung „The Rat Pack“ mit seinen späteren WWE-Kollegen „Hacksaw“ Jim Duggan und Ted DiBiase. Bornes bis dato größtes Engagement endete nach einer eskalierten Prügelei mit einem Fan. (Ted DiBiase leidet heute an „schweren“ Hirnschädigungen)
Der Anhänger hatte Duggan einen Hieb verpasst, wogegen sich Duggan und Borne wehrten: Duggan schlug den Fan nieder, Borne trat in sein Gesicht, brach ihm den Augenhöhlenknochen und handelte seiner Liga eine Klage ein.
Der Vorfall führte zur Entlassung Bornes und er vergiftete auch das Verhältnis zwischen Borne und Duggan, die bis an Bornes Lebensende verfeindet blieben. Innerhalb der Szene wurde dies als sehr vielsagend empfunden: „Jeder mag Jim Duggan“, notierte in der Dark-Side-Doku WWE-Legende Mick Foley, ein großer Bewunderer von Borne als Wrestler.
Auch Bornes erstes WWE-Engagement - er war 1985 unter seinem bürgerlichen Namen Teil der ersten WrestleMania in New York - endete mit einem Eklat: Er wurde ein Jahr nach seinem Match gegen Ricky Steamboat wegen Drogenkonsums entlassen.
Seine Ex-Frau Michelle berichtet, Borne hätte „nie ein Match nüchtern bestritten“ und sei auch abhängig von Marihuana, Kokain und Schmerzmitteln gewesen.
Doink the Clown: Ein subversiver Geniestreich
Im Jahr 1992, sechs Jahre nach seiner ersten Entlassung, landete Borne über mehrere Umwege nochmals beim Marktführer und bekam die Chance, zusammen mit Boss Vince McMahon die Rolle seines Lebens zu entwickeln: den düsteren Doink, der anderen Wrestlern und speziell jungen Fans böse Streiche spielte.
Borne plünderte den damals schon reichhaltigen Mythenschatz böser Clowns und schuf seine eigene, aufs Wrestling zugeschnittene Interpretation - irgendwo zwischen dem Horror-Clown Pennywise aus Stephen King‘s Es (einige Jahre vorher durch die Darstellung von Tim Curry in der Hollywood-Verfilmung sehr präsent), dem Joker und dem sarkastischen Krusty aus den Simpsons.
Der Auftritt des originalen Doink beinhaltete einen Einzug zu den ersten Takten des berühmten, fröhlichen Zirkusmarschs von Julius Fucik, das sich dann in ein unheimliches Horror-Theme verwandelte.
Borne verkörperte seine Figur perfekt, pendelte mimisch und gestisch gekonnt zwischen ihren verschiedenen Ebenen: der falschen Fröhlichkeit, der dämonischen Verfinsterung des Gesichts, in dem Moment, in dem sein wahres Selbst durchkam - und den Momenten, an denen sich Doink tatsächlich ehrlich freute: wenn er ein Kind im Publikum traurig oder einen anderen Wrestler wütend gemacht hatte.
WWE schöpfte das Potenzial nicht aus
Voll ausgeschöpft wurde das Potenzial der Doink-Figur nicht, Borne beklagte sich früh, dass McMahon die Figur nicht nach ihren Möglichkeiten einsetzte.
In der Dark-Side-Doku ist etwa zu sehen, dass Borne schon sein berühmtestes Match bei WrestleMania IX im Frühjahr 1993 gegen Crush nicht gut fand - das Match, das mit der Pointe endete, dass ein anderer Mann im Doink-Kostüm (Steve „Skinner“ Keirn) den Gegner in die Irre führte.
Endgültig verlor Doink seine Besonderheit, als er im Herbst 1993 - wenige Monate nach seinem zweiten großen Pay-Per-View-Match gegen Bret Hart beim SummerSlam - in einer Fehde mit Bam Bam Bigelow einen „Face Turn“ hinlegte und als Publikumsliebling umdefiniert wurde.
Diese Version des Charakters spielte Borne nicht lange, er wurde Ende 1993 nach einem positiven Drogentest gefeuert. McMahon besetzte den Charakter mit dem sonst wenig bekannten Ray Apollo (Ray Liccachelli) neu, später ging die Rolle noch an Steve „The Brooklyn Brawler“ Lombardi.
Zwei Ehen zerbrachen wegen Drogen und häuslicher Gewalt
Die Doku offenbart, dass Borne sein Leben nach der Entlassung in Trümmer legte: Aus der Bahn geworfen dadurch, dass er den Job verlor, der ihm seinen Wohlstand sicherte – er war gerade dabei, ein luxuriös eingerichtetes Millionen-Dollar-Haus mit einer goldenen Badewanne zu bauen – verfiel er noch mehr den Drogen und wurde gewalttätig gegen seine erste Frau Maria und die gemeinsame Tochter. Die Ehe zerbrach.
Borne begann danach ein neues Leben mit seiner zweiten Frau Michelle, mit der er zwei weitere Kinder hatte. Die Ehe hielt elf Jahre, aber auch Michelle verließ ihn letztlich, weil er den Versuch, clean zu werden, nicht durchhielt und wieder in Sucht und häusliche Gewalt verfiel.
Auch als Wrestler war Borne nie mehr so erfolgreich wie mit der Doink-Figur: Ein vielversprechender Neustart in Paul Heymans Kultliga ECW, wo er als „Borne Again“ zwischen seinen Alter Egos hin- und herpendelte, fand ein Ende, als die Rechtsabteilung von WWE einschritt.
In seinen letzten Karriere-Jahren tingelte Borne mit dem Doink-Charakter durch Mini-Ligen, die unter dem Radar lagen - bis er am 28. Juni 2013 in seiner Wahlheimat Texas an einer Überdosis starb.
Tochter wirft Lebensgefährtin Mord vor
Bornes Tod wurde herbeigeführt durch die Opiate Morphin und Hydrocodon - Medikamente, die eigentlich für die pflegebedürftige Mutter seiner letzten Lebensgefährtin Connie Cook bestimmt waren. Auch eine krankhafte Vergrößerung des Herzens, die Borne seit seiner WWE-Zeit bekannt war, spielte eine Rolle.
Die Umstände von Bornes Ableben sind umstritten, Bornes Tochter Tegan erhebt in der Doku Mordanschuldigungen gegen Cook. Borne hätte am Abend zuvor bei ihr und ihrer Mutter angerufen und angekündigt, dass er sie verlassen würde.
Mysteriös: Im Polizeibericht ist vermerkt, dass Cook zurück ins Bett gegangen sei, nachdem sie bemerkt hätte, dass Borne Schaum vor dem Mund hatte, den Notruf hätte sie erst zweieinhalb Stunden später gerufen. Cook bestreitet das in der Doku, sie hätte auch in der Zwischenzeit alles getan, was sie konnte.
Eine polizeiliche Untersuchung ergab letztlich keine Hinweise, die Tegans Verdacht bestätigten, dass Cook ihm die Drogen untergemischt hätte. Auch unterlassene Hilfeleistung wurde der Lebensgefährtin am Ende nicht vorgeworfen.
Der Tod der unvollendeten WWE-Legende im Alter von 55 Jahren wurde als Unfall gewertet.