Die tollkühnen Hasardeure donnerten halsbrecherisch die Piste hinunter, sie krachten aus immenser Höhe schutzlos auf den Hang - und so mancher blieb auf der Strecke.
Cross-Action am Limit
Über dem Phoenix Snow Park kreiste der Hubschrauber, drei Fahrer wurden mit Rettungsschlitten geborgen, als Skicross, die spektakulärste und gefährlichste Disziplin der Olympischen Winterspiele, wie befürchtet von Stürzen und schweren Verletzungen überschattet wurde.
"Das war krass anzuschauen", sagte der deutsche Rennfahrer Paul Eckert über den besonders furchterregenden Abflug des Kanadiers Christopher Delbosco: "Ich hoffe, es geht ihm gut."
Ex-Weltmeister Delbosco bricht sich das Becken
Geht es nicht. Der 35-Jährige, als Weltmeister von 2011 wahrlich kein Anfänger, hatte bei einem 40-Meter-Flug in sechs, sieben Metern Höhe quer in der Luft gelegen, bevor es ihm beim Aufschlag das Becken zerschmetterte.
Delbosco reckte auf dem Rettungsschlitten zwar den linken Daumen in die Höhe - das hieß aber nur: Das Allerschlimmste war nicht zu befürchten. Sein Landsmann Nick Zoricic war 2012 im schweizerischen Grindelwald tödlich verunglückt.
In Pyeongchang konnte dementsprechend jeder Fahrer, der heil das Tal erreichte, auch heilfroh sein. Dem Franzosen Terence Tchiknavorian brach im ersten K.o.-Lauf des Tages das Schienbein, Christopher Wahrstötter aus Österreich erlitt eine Gehirnerschütterung, nach der er über Gedächtnislücken klagte.
Eckert: "Das waren technische Fehler"
Eckert, wie die anderen Deutschen in der ersten Runde ausgeschieden, aber zumindest sicher im Ziel, entrang das kaum mehr als ein Schulterzucken.
"Es gehört dazu, leider Gottes", sagte der Sieger der Olympia-Generalprobe in Nakiska/Kanada, der als Medaillenhoffnung angereist war. "Wäre ich ängstlich, könnte ich nicht fahren. So schlimm es klingt: Das waren technische Fehler."
Eckerts Teamkollege Florian Wilmsmann unterbrach sein Interview, als Delbosco stürzte. "Scheiße!", rief er, "ein kleiner Fehler, eine Sekunde unkonzentriert, dann kommt so etwas dabei raus." Es wäre "gelogen, zu sagen, der Kurs sei nicht spektakulär. Man bewegt sich schon sehr am Limit."
Freestyle-Chef warnt vor Gigantismus
Für Heli Herdt, sportlicher Leiter Freestyle beim Deutschen Skiverband (DSV), wurden Grenzen überschritten. "Dieser Gigantismus kann nicht das Mittel der Wahl sein", sagte er, "die Leute sind nur in der Luft. Du kommst sofort in die Gefahrenzone. Der Kurs ist viel zu schnell."
240.000 Kubikmeter Kunstschnee waren für die Strecke verbaut worden. Auf 1370 Metern Piste mussten 240 Höhenmeter und 27 Hindernisse überwunden werden: Gewagte Sprünge, die teils noch entschärft worden waren, wilde Steilkurven, garstige Wellen, zum Start drei Meter freier Fall.
Auch bei den Snowboardcrossern hatte es zahlreiche Verletzte gegeben, am schlimmsten erwischte es den Österreicher Markus Schairer mit einem Halswirbelbruch. Glücklicherweise ohne Folgeschäden.
Athletensprecher Konstantin Schad sprach danach davon, dass er ein Problem habe, bei jedem Sprung einen Genickbruch zu riskieren: "Die Entwicklung bei uns geht in Richtung Tod."
Leman holt Gold - Deutsche enttäuschen
Der deutsche FIS-Renndirektor Martin Fiala war einst selbst Skicrosser. 2010 in Vancouver sagte er: "Wenn Nelson Piquet behauptete, bei der Formel 1 in Monaco fliege man mit dem Hubschrauber durchs Wohnzimmer - dann düsen wir mit dem Kampfjet durch die Besenkammer." Daran hat sich unter seiner Leitung offensichtlich wenig geändert.
Beinahe zur Nebensache wurde, dass Brady Leman (Kanada) die Goldmedaille bejubelte. Er siegte vor Marc Bischofberger (Schweiz) und dem Russen Sergej Ridzik, der im Finale auch stürzte und den Hang hochstaksen musste, um weiterfahren zu können. Eckert scheiterte wie Wilmsmann ("So gefährlich war es nicht") und Tim Hronek im Achtelfinale.
Am Freitag sind übrigens die Frauen dran. (Zeitplan der Olympischen Spiele)