Emanuel Buchmann kann kaum laufen, Titelverteidiger Egan Bernal hat Rücken und Primoz Roglic schmerzt nach seinem Crash der ganze Körper:
Tour-Lazarett! Stars bangen um Start
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Die Topfavoriten der Tour de France liegen anderthalb Wochen vor dem Start in Nizza vereint im Lazarett.
Für die Sieganwärter wird es ein Wettlauf gegen die Zeit - und für den völlig formschwachen Chris Froome und seinen Teamkollegen Geraint Thomas ist er sogar schon verloren.
Beide wurde von Team Ineos nicht einmal für die Frankreich-Rundfahrt nominiert. Andere Stars hoffen noch.
Prognose bei Buchmann schwierig
"Bei Emanuel müssen wir jetzt von Tag zu Tag schauen und Entscheidungen treffen. Prellungen und Hämatome können natürlich auch super langwierig sein", sagte Bora-hansgrohe-Teamchef Ralph Denk dem SID zum Zustand seines Kapitäns.
Der deutschen Tour-Hoffnung droht nach dem Sturz bei der Dauphine, bei dem er sich starke Prellungen im Rücken- und Gesäßbereich zuzog, nun kurz vor der Großen Schleife eine längere Trainingspause.
Ob Buchmann beim geplanten Höhentrainingslager in Livigno noch einmal an seiner bis dato guten Form feilen kann, steht deshalb noch in den Sternen. Eine Prognose sei schwierig, sagte Denk.
Neben dem Vorjahresvierten erwischte es beim deutschen Topteam Bora-hansgrohe auch noch Buchmanns Helfer Maximilian Schachmann und Gregor Mühlberger, die sich zuletzt glänzend präsentiert hatten.
"Mit Blickwinkel auf unsere Mannschaft war es natürlich sehr bitter. Die Tour de France geht schon in knapp zwei Wochen los. Insofern war es schon ein harter Schlag für uns", betonte Denk.
Schachmann wurde von Auto angefahren
Immerhin: Schachmann muss trotz eines Schlüsselbeinbruchs nicht operiert werden. Hinter seinem Tourstart steht laut Denk trotzdem "ein großes Fragezeichen". Ob Buchmanns Tour-Ziel "Podium" nach unter korrigiert werden müsse, würden die nächsten Tage zeigen, sagte Denk.
Unfälle wie der bei Schachmann bringen Teamchef Denk derweil in Rage. "Solche Sachen wie beim Max dürfen nicht passieren, aber werden in Zukunft immer mal wieder passieren. Wir sind alles auch Menschen."
Schachmann war am Samstag bei der Lombardei-Rundfahrt im Zielbereich von einem Auto angefahren worden und brach sich das Schlüsselbein. Ob das Team rechtliche Schritte gegen die Fahrerin des Autos oder gar den Veranstalter einleitet, ließ Denk offen.
"Primär heißt es Wunden lecken. Die Gesundheit steht im Vordergrund im Vergleich zu einem eventuellen Rechtsstreit", sagte Denk.
Froome mit schlechter Form
Doch nicht nur bei Bora-hansgrohe sind die Sorgenfalten nach dem von schweren Stürzen überschatteten Wochenende riesig.
Auch beim Team Ineos hatte das Toptrio den Verantwortlichen schlaflose Nächte bereitet: Vorjahreschampion Bernal musste bei der Dauphine bereits vor der vierten Etappe wegen einer Rückenverletzung aussteigen, Froome zeigte sich ohne Verletzungssorgen erneut formschwach.
Der 35-Jährige Brite war vor allem bei den Anstiegen chancenlos, lag am Ende fast eineinhalb Stunden hinter Gesamtsieger Daniel Martinez (Kolumbien/EF Pro Cycling). Geraint Thomas, Tour-Sieger von 2018, trudelte mit fast einer Stunde Rückstand als 37. des Gesamtklassements ein.
Froome und Thomas nicht bei der Tour
Enttäuscht über die schwachen Vorstellungen ließ Ineos-Sportdirektor Gabriel Rasch seinem Frust freien Lauf.
"Chris muss sich definitiv verbessern, genau wie Geraint. Auf der Dauphine waren sie nicht gut genug", polterte er. Am Mittwoch stellte das Team dann klar: Keiner der beiden ehemaligen Tour-Sieger kommt überhaupt mit nach Frankreich. Froome wird für die Vuelta als Kapitän eingeplant, Thomas soll als Chef den Giro d'Italia in Angriff nehmen.
"Chris ist eine Legende unseres Sports. Wir möchten ihn dabei unterstützen, einen weiteren Grand-Tour-Titel zu gewinnen, und die Vuelta gibt ihm dieses kleine bisschen mehr Zeit, auf das sein Top-Niveau zurückzukehren", erklärte Ineos-Teamchef Dave Brailsford den knallharten personellen Schritt.
Und fügte an: "Egan wird erneut das Gelbe Trikot in Frankreich ins Visier nehmen. Wir freuen uns sehr, dass auch der letztjährige Giro-Sieger Richard Carapaz sein Debüt bei der diesjährigen Tour geben wird."
Roglic nicht bei Dauphine - Dumoulin mit Ambitionen
Ebenso erschüttert sind die Tour-Hoffnungen des großen Rivalen Jumbo-Visma.
Starfahrer Steven Kruijswijk stürzte schwer, wenig später erwischte es seinen Kapitän Roglic heftig.
Kruijswijk gab auf, zunächst gingen die Ärzte von einer ausgekugelten Schulter aus - am Donnerstag gab das Team bekannt, dass er sich einen Schulterbruch zugezogen hat und für die Tour ausfällt. "Die Folgen meines Sturzes sind schlimmer als gedacht. Ich bin riesig enttäuscht", sagte der 33-Jährige.
Tour-Mitfavorit Roglic, der sich in glänzender Verfassung präsentiert hatte, trat trotz Gesamtführung bei der Dauphine schon am Sonntag nicht mehr an, seine Tour-Teilnahme ist aber nicht gefährdet.
Bei Jumbo-Visma schickt sich nun zumindest Tom Dumoulin an, eine Rolle bei der Tour zu spielen.
Rund zwölf Monate nach seinem schweren Crash bei der Dauphine im vergangenen Jahr, zeigt der Niederländer aufsteigende Form und fordert bei seinem Team eine taktische Anpassung nach den vielen Ausfällen.
Insgesamt ist die Anzahl der nicht zur Verfügung stehenden Fahrer dennoch enorm. "Viele Tour-Favoriten sind gestürzt. Es war schon dramatisch", befand Denk.
Bis zum Start am 29. August bleibt dem Favoriten-Lazarett nicht mehr viel Zeit, um wieder fit zu werden.
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mit Sport-Informations-Dienst