Vor einer Woche wollte auf dem Weg zum Training lediglich ein einziges kleines Mädchen ein Foto mit Cori Gauff. Nur fünf Tage später twitterte auf einmal sogar eine gewisse Michelle Obama über sie. Was dazwischen passierte, ist bereits jetzt Tennis-Geschichte.
Gauff stellt Wimbledon auf den Kopf
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"Coco ist sagenhaft", schrieb die ehemalige First Lady am Freitag über die erst 15 Jahre alte US-Sensation nach deren Einzug ins Achtelfinale von Wimbledon - und löste damit den nächsten Freudentaumel bei Gauff aus.
"Sie ist eines meiner Idole", schwärmte der Shootingsstar: "Dass sie überhaupt weiß, wer ich bin, ist extrem cool."
Lobeshymnen auf Wunderkind Gauff
Dabei war Obama nur die nächste in einer langen Liste von Legenden und Ikonen, die in der vergangenen Woche Lobeshymnen auf das Wunderkind angestimmt hatten. "Ein Star ist geboren", lobte etwa Martina Navratilova. "Ihr steht der Himmel offen", sagte Gauffs Vorbild Venus Williams (Nr. 44 der Welt).
Die ältere Schwester von US-Superstar Serena Williams war auf Gauffs Weg ins Achtelfinale das erste und bislang prominenteste "Opfer", danach folgten Siege über die Slowakin Magdalena Rybarikova (Nr. 139 der Welt) und die Slowenin Polona Hercog (Nr. 60).
Auch Martina Hingis, als 16-Jährige 1997 die zweitjüngste Wimbledon-Siegerin aller Zeiten, schwärmt von Gauff. "Schon bei den Junioren hat es sich bewiesen, dass sie ihrer Zeit voraus ist. Sie ist diszipliniert, taktisch sehr gut. Sie hat ein unglaubliches Repertoire", sagt das einstige Wunderkind der Bild.
"Ich bin gespannt, wie es gegen eine richtig Gute aussieht. Die Gegnerinnen bislang waren ihr noch nicht gewachsen", meint Hingis, die Kraftpaket Gauff mit ihrem großen Vorbild vergleicht: "Die Kleine ist athletisch, ein ganz anderer Typ als ich damals. Eine wie Venus Williams. Fürs Tennis ist sie sehr gut gebaut."
Härtetest gegen Halep
Vor Gauffs Härtetest am Montag gegen die frühere Weltranglistenerste Simona Halep (Nr. 7 der Welt) ist das Supertalent Gesprächsthema Nummer eins (Wimbledon-Achtelfinale Simona Halep gegen Cori Gauff heute im LIVETICKER).
Denn nach ihrem Sieg über Williams zum Turnierstart hat Gauff das nächste Kapitel ihres Tennis-Märchens von London folgen lassen.
Mit einem Wahnsinns-Comeback gegen Hercog 3:6, 7:6 (9:7), 7:5 versetzte sie das Publikum in Ekstase und eroberte den berühmten Centre Court im Sturm. Nach ihrem verwandelten Matchball pfefferte Gauff ihren Schläger auf den Rasen, hüpfte wie wild auf und ab, in ihrer Box flippten ihre Eltern völlig aus.
Gauff wehrt zwei Matchbälle ab
Wie sie sich beim Stand von 2:5 im zweiten Satz mit purer Willenskraft gegen die Niederlage stemmte und auf dem Weg zurück unter anderem zwei Matchbälle abwehrte, hatte dabei schon viel von einem großen Champion.
Und das alles bei ihrer Premiere an dem mythisch verklärtesten Ort der Tennis-Welt. "Vielleicht wird es ja mein Court", meinte sie anschließend strahlend. Die US-Amerikanerin, die alle nur "Coco" nennen, hat mit ihren Leistungen einen gewaltigen Hype ausgelöst.
In der Weltrangliste wird Gauff nach dem Turnier - Stand Jetzt - 174 Plätze gut machen und sich auf Platz 139 verbessern.
Siebtjüngste Spielerin in Major-Achtelfinale
Gauff ist eine Frühreife. Wie nüchtern und analytisch sie in Interviews über ihre Matches und ihre Erfahrungen spricht, ist beinahe ein wenig beängstigend. Doch dahinter steckt ein Plan.
Gauff will auf keinen Fall die Fehler wiederholen, die andere Wunderkinder vor ihr gemacht haben. Schließlich ist sie selbst mit 15 Jahren und 122 Tagen "nur" die siebtjüngste Spielerin im Achtelfinale eines Majors - und nicht alle legten anschließend die erwartet große Karriere hin.
Vor ihrem Drittrunden-Match hat sie deshalb mit Mary Joe Fernandez gesprochen, Mitte der Achtziger als 13-Jährige selbst eines dieser Wunderkinder und doch letztlich in ihrer Karriere ohne Grand-Slam-Titel geblieben. "Sie hat mir ein paar Dinge gesagt, von denen sie wünschte, sie hätte sie damals getan", berichtete Gauff: "Ich bin ihr sehr dankbar dafür."
Kann die Teenie-Sensation Wimbledon sogar gewinnen? "Das ist sehr hochgestochen, das würde mich überraschen", meint Hingis, "aber Ostapenko hat 2017 als Nr. 40 Paris gewonnen. Im Damen-Tennis ist alles möglich. Coco ist ein echter Lichtblick. Sie tut dem Tennis gut."
Das Bemühen, die nötige Distanz zu dem ganzen Wahnsinn um sich herum zu wahren, ist bei Gauff spürbar. Als sie vor ihrem Erstrundenmatch zum Training gegangen sei, habe sie lediglich ein kleines Mädchen um ein Foto gebeten, erzählte sie.
Nach dem vielbeachteten Auftaktsieg gegen Venus Williams hätten dann plötzlich Hunderte ihren Namen gerufen. "Es ist surreal, wie schnell sich das Leben ändert", sagte Gauff.