Den Ausgabenrekord geknackt, die 600-Millionen-Euro-Schallmauer erstmals durchbrochen: Die 18 Bundesligisten hielten sich in den vergangenen drei Monaten auf dem Transfermarkt keineswegs zurück.
Strunz: Bundesliga muss aufpassen
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Die ganz großen Kracher überließen der FC Bayern, Borussia Dortmund und Co. dann aber doch der europäischen Konkurrenz.
Corentin Tolisso war der teuerste Spieler, der den Weg nach Deutschland fand: Der französische Nationalspieler wechselte für 41,5 Millionen Euro von Olympique Lyon zum Rekordmeister nach München.
Zum Vergleich: Das von katarische Geldgebern subventionierte Paris Saint-Germain überwies mehr als das Fünffache für den brasilianische Superstar Neymar an den FC Barcelona.
Neymar-Deal bleibt keine Ausnahme
Obendrauf gab's am Deadline Day noch Kylian Mbappe vom Liga-Konkurrenten AS Monaco - per Leihe mit verbindlicher Kaufoption. 180 Millionen Euro soll der erst 18 Jahre alte Wunderknabe im nächsten Jahr kosten.
Auch die Italiener und Spanier, insbesondere aber die Engländer investierten fleißig. Rund 1,5 Milliarden Euro gaben die Premier-League-Klubs für neue "Spielzeuge" aus.
SPORT1-Experte und Spielerberater Thomas Strunz sieht in dieser Entwicklung eine Gefahr für die Bundesliga.
"Die Tendenz, dass Vereine sehr viel investieren, zum Teil 200 oder 300 Millionen Euro in die Hand nehmen oder zukünftig noch mehr, das wird sich nicht verlangsamen, sondern eher beschleunigen", glaubt Strunz.
Hier bekomme die Bundesliga aufgrund der 50+1-Regel Schwierigkeiten, den Anschluss zu halten.
50+1-Regel als Bundesliga-Bremse?
"Wenn man sich anschaut, was in den letzten Wochen in den europäischen Top-Ligen passiert ist, dann muss man einfach sagen, dass die Bundesliga eine sehr gesunde Liga ist, sich aber nicht den neuen Gegebenheiten angepasst hat und aktuell auch gar nicht anpassen kann", meint Strunz.
Die 50+1-Regel sieht vor, den Einfluss von Investoren einzudämmen. Demnach können Kapitalanleger die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften nicht übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profimannschaften ausgegliedert haben.
"Fakt ist, dass die Investoren- und Vereinsstrukturen in Ländern wie Spanien, England, Italien oder Frankreich völlig anders sind als hier. Dort werden Transfers in Höhe von 50, 60 oder 70 Millionen Euro in naher Zukunft problemlos umsetzbar sein, weil sie finanzielle Hilfe bekommen. Von Investoren oder zum Teil von ganzen Staaten", sagt Strunz.
Zwar hätte der FC Bayern problemlos auf sein Festgeldkonto zurückgreifen und Alexis Sanchez vom FC Arsenal verpflichten können. "Das große Problem bei einem solchen Transfer", sagt Strunz, "ist aber nicht die Ablösesumme, sondern das damit verbundene Gehalt".
Gehälter problematischer als Ablösesummen
Mit einer Verpflichtung des Chilenen Sanchez, der angeblich 25 Millionen Euro netto pro Jahr verdienen möchte, "wäre das gesamte Gehaltsgefüge in der Liga gesprengt worden".
Auch Borussia Dortmund habe nicht grundlos auf einen Kracher verzichtet, obwohl nach dem Verkauf von Ousmane Dembele (105 Millionen plus 40 Millionen erfolgsabhängige Bonuszahlungen) an den FC Barcelona eigentlich Geld vorhanden gewesen wäre.
Als Dembele-Ersatz kamen "nur" der Ukrainer Andrey Yarmolenko für 25 Millionen Euro von Dynamo Kiew und das 17 Jahre junge Super-Talent Jadon Sancho für sieben Millionen Euro von Manchester City.
"Die deutschen Vereine können sich zumindest aktuell nicht erlauben, riesige Gehälter zu zahlen", erklärt Strunz, "und das finde ich gut. Ebenso kann ich auch die Spieler verstehen, denen woanders mehr Geld geboten wird. Entscheidungen werden nun einmal aus sportlicher und wirtschaftlicher Sicht gefällt."
Frankreich und Italien auf dem Vormarsch
Allerdings müsse die Bundesliga aufpassen, "dass sie nicht zu einer Verkaufsliga wird, in der junge Spieler sehr gut ausgebildet werden und anschließend ins Ausland gehen", warnt der frühere Bayern-Profi.
"Die deutsche Liga ist ein sehr guter Wettbewerb mit toller Infrastruktur, tollen Fans und vollen Stadien. Ich befürchte aber, dass sie wirtschaftlich den Anschluss an die anderen Top-Ligen verliert und im Ranking auf Platz vier oder fünf abrutscht."
Denn neben den Franzosen sieht Strunz auch die Italiener auf dem Vormarsch: "Die Mailänder Klubs werden mittlerweile von asiatischen Investoren unterstützt, Juventus ist seit Jahren sportlich und wirtschaftlich stabil und auch die Vereine aus Rom werden sicher wieder kommen."
Braucht die Bundesliga also früher oder später Investoren-Modelle wie in den anderen europäischen Ligen, um seinem Status als Top-Liga gerecht zu bleiben?
"Ich glaube, dass die Bundesliga für ausländische Investoren sehr attraktiv ist. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir sehr viele gesunde Vereine haben", meint Strunz.