Hallo NFL-Fans,
Vollmer: Bradys größte Schwäche
in den Wild Card Games wurden wir Zeuge einer Überraschung. Dass die Tennessee Titans auswärts bei den New England Patriots gewonnen haben, war beeindruckend. Ich kenne es ja selbst, im Gillette Stadium zu spielen. Dort zu gewinnen erfordert einiges – und dann auch noch in den Playoffs. Derrick Henry ist über 180 Yards gelaufen, für mich ist er der beste Running Back der Liga.
Eine Erkenntnis hat mich dabei deutlich getroffen: Die, die früher alles gewonnen haben, werden Schwierigkeiten haben, weiterhin alles zu gewinnen. Es wächst eine neue Generation heran – besonders bei den Quarterbacks –, die eine andere Spielweise hat. Man sieht es bei Patrick Mahomes, Lamar Jackson oder Deshaun Watson. Sie haben nicht nur einen guten Arm, sondern auch eine starke Athletik. Eine Athletik, über die die alten Quarterbacks nicht verfügen. Mit dieser Thematik müssen wir uns langsam beschäftigen.
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Brady fehlt die Athletik
Tom Brady hat überhaupt keine Athletik – und das meine ich wirklich liebevoll. Er ist ein prädestinierter Quarterback, wahrscheinlich der beste, den es je gegeben hat. Aber er kann selbst vor mir nicht davonlaufen und ich hatte 150 Kilo.
Bradys Spielweise ist eine ganz andere als die von Jackson. Man kann es eigentlich nicht miteinander vergleichen, aber ich sehe eine neue Entwicklung, auf die ich hinweisen will.
Ob Bradys Zeit vorüber ist, muss er selbst wissen. Ich denke, der Wille ist noch da, und ich hoffe, dass er bei den Patriots bleibt. Ich kann in der Hinsicht beide Seiten verstehen. Die Patriots mögen sagen, dass sie keine 40 Millionen Dollar für einen 42-Jährigen zahlen wollen. Brady mag dagegenhalten, dass er den Wert der Franchise auf drei Milliarden Dollar hat steigen lassen und sie ihm etwas schuldig sind.
Zukunft hängt von Belichick ab
Meine Einschätzung: Wenn Headcoach Bill Belichick die Entscheidung trifft, ist Brady raus. Eigentümer Robert K. Kraft wird ihn aber nicht so leicht gehen lassen. Er will seinen Star nicht vom Hof jagen, auch wegen der Fans. Es wird eine Fifty-fifty-Sache.
Klar ist auch: Die Patriots haben Brady keine gute Offense zur Verfügung gestellt. Die Offensive Line hat ihn nicht beschützt und die Running Backs haben sich ebenso wenig mit Ruhm bekleckert. Da war ja auch niemand, der es hätte tun können bis auf Julian Edelman. Brady konnte also gar nicht der Quarterback sein, der er in den Jahren zuvor war. Die größte Baustelle ist also zweifellos die Offense und keinesfalls die Quarterback-Position.
New England hat vor der Saison mehr in die Defense als in die Offense investiert. Und trotzdem konnte man Henry nicht stoppen. Jetzt alles an der Offense festzumachen, die versagt hat, wäre also auch falsch. Man wollte das richtige Gleichgewicht finden, das ist aber schiefgegangen. Es gab weder ein gutes Pass- noch ein gutes Laufspiel.
Ich denke, die Patriots müssen an einigen Schrauben drehen, alles zu verändern wäre jedoch zu viel. Immerhin haben sie die beste Defense gestellt.
Ravens und 49ers favorisiert
Ein Blick in die Divisional Round: Ich glaube, dass sich die Baltimore Ravens und die Kansas City Chiefs durchsetzen und im AFC-Championship spielen. Auf der anderen Seite sind die San Francisco 49ers am stärksten und werden sich auch im NFC Championship behaupten. Mein Super-Bowl-Tipp lautet also: Ravens gegen 49ers. (Spielplan und Ergebnisse der NFL-Playoffs)
Aber zu weit möchte ich mich dennoch nicht aus dem Fenster legen. Bislang sind alle Partien sehr eng, ob durch Overtime oder Field Goal. Ich denke, es wird so spannend bleiben, und das wollen wir ja auch sehen.
Dass die Spiele so eng sind, hat auch die New Orleans Saints getroffen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie gegen die Minnesota Vikings ausscheiden – und dann auch noch in der Overtime. Ich habe die Regel nie gemocht, dass beim ersten Score direkt alles vorbei ist. Ich finde es nicht fair, dass mehr Glück entscheidet als spielerisches Können. Es geht nur darum, wer das richtige Los bekommt, wer also zuerst in der Offense spielen darf, und der andere hat keine Chance mehr, aufs Spielfeld zurückzukommen.
Wollen wir also hoffen, dass wir von allzu vielen Overtimes verschont bleiben, und freuen uns auf spannungsgeladene Playoffs!
Bis bald
Euer Sebastian Vollmer (Instagram: sebastianvollmer / Twitter: @SebVollmer)
Sebastian Vollmer (35) ist ein ehemaliger Footballspieler. 2009 in der zweiten Runde von den New England Patriots ausgewählt, verbrachte er dort bis 2017 seine gesamte NFL-Karriere und entwickelte sich zu einem Leistungsträger. Mit den Pats gewann er zweimal den Super Bowl (2015, 2017) und wurde 2010 ins All-Pro Second Team gewählt. Gemeinsam mit Markus Kuhn wird er den diesjährigen Super Bowl kommentieren. Für SPORT1 kommentieren die beiden Ex-NFL-Profis in ihrer regelmäßigen Kolumne das aktuelle Geschehen in der NFL.