Sebastian Kehl hat sein erstes Etappenziel im neuen Job bei Borussia Dortmund erreicht: Er hat einen blendenden ersten Eindruck bei den BVB-Fans hinterlassen.
Diese wunden Punkte hat Kehl beim BVB erkannt
"Kehli ist fantastisch. So jemanden wie ihn haben wir glaub ich gebraucht." - "Sebaaaastiaaaan tut Borussia vom ersten Tag an schon wieder gut." Kehls Vorstellung als neuer Leiter der Lizenzspielerabteilung stieß am Dienstagmittag im Netz auf ein überwiegend positives, teils begeistertes Echo.
Der 38-Jährige gab seinen Zuhörern mit einem klaren, kompetenten Auftritt das Gefühl, die Probleme des BVB genau erkannt zu haben. Und dass er einen Plan hat, wie er sie lösen kann - zusammen mit dem neuen Trainer Lucien Favre, dem neuen Berater Matthias Sammer und dem altbekannten Führungs-Duo Hans-Joachim Watzke/Michael Zorc.
Der BVB-Kapitän der Meisterjahre 2011 und 2012 rief einen "Neustart" aus, forderte eine "Bewusstseinsänderung" bei den Spielern: mehr Disziplin, mehr Identifikation, mehr Leistungsbereitschaft.
SPORT1 ordnet Kehls Kernaussagen ein:
"Es gab ein paar Dinge, die nicht zu Dortmund gepasst haben."
Kehl machte im Lauf der PK schnell klar: Allzu konkret wollte er die Fehler der vergangenen Jahre nicht vor der Presse benennen. Es wäre ihm auch als stillos ausgelegt worden.
Allerdings: Zwischen den Zeilen wollte Kehl doch deutlich durchblicken lassen, dass er schon weiß, was schief gelaufen ist - und was genau nicht zu seinem Dortmund-Bild passte, das er an diesem Tag skizzierte.
"Werte wie Disziplin und Regeln gehören dazu, um erfolgreich in einer Mannschaft zu arbeiten."
Kehl betonte diesen Punkt auffällig - und es ist ja auch kein Geheimnis, dass er in der vergangenen Saison bei diesem Punkt gehakt hat.
Der Wirbel um Ousmane Dembele und Pierre-Emerick Aubameyang, die vergangene Saison die Regeln bewusst brachen und ihren Abgang erzwangen, ist das beste Beispiel. Ex-Coach Peter Bosz hat die sich daraus ergebende Unruhe kürzlich ja auch noch mal als entscheidenden Faktor für das Misslingen der Saison benannt.
Kehl will solche Fälle künftig offensichtlich vermeiden. Wie genau, ist die Frage: Will er potenzielle Problemprofis im internen Umgang härter anfassen? Oder Manager Zorc gar empfehlen, besser darauf zu achten, solche Spieler erst gar nicht zu verpflichten?
"Wir erwarten von den Spielern, dass sie den Neustart wahrnehmen und sich an die eigene Nase fassen."
Aubameyang und Dembele waren das eine Problem, der Rest der Mannschaft das andere.
Zorc sprach davon, dass Kehls "ständige Präsenz" bei der Mannschaft helfen soll, "schneller auf Fehlentwicklungen aufmerksam zu werden und darauf reagieren zu können". Ein Eingeständnis, dass genau das zuletzt versäumt worden ist.
Es kam zu Grüppchenbildung, an der teaminternen Führung haperte es: Auch das zog den BVB in den vergangenen Jahren nach unten. Der in die Kritik geratene Kapitän Marcel Schmelzer hat daraus schon in Mai die Konsequenz gezogen und seine Binde abgegeben.
Eine neue Hierarchie, ein neuer Geist muss entstehen. Kehl hat das verdeutlicht - und dass er dabei nur auf diejenigen zählen kann, die das Problem verstanden haben.
"Wir sind uns einig, dass wir an ein paar Dingen arbeiten müssen, auch wieder mehr am Dortmund-Gefühl."
Kehl hat im Lauf der PK mehrfach herausgestrichen, dass Dortmund kein Verein wie jeder andere ist - und dass er das wieder stärker spüren möchte.
"Dortmund ist eine Arbeiterstadt, der Verein ist etwas ganz Besonderes", sagte Kehl. Und dass er sich "Identifikation" wünscht, dass die Spieler die Werte leben, für die Stadt und Verein stünden: Disziplin, Respekt, Bodenständigkeit, Leistungsbereitschaft.
Kehl will auch "das Verhältnis mit den Fans wieder auf eine gesunde Ebene heben". Er weiß noch gut, wie wichtig die Unterstützung der BVB-Anhänger in der Erfolgsära unter Jürgen Klopp war. Und er wird mitbekommen haben, wie irritationsanfällig das Verhältnis in den Jahren danach war.
Kehl hat die besten Voraussetzungen, es zu beheben: Er ist unbelastet vom Trubel der vergangenen Jahre, im Umfeld des Klubs allseits respektiert - und verkörpert das "Dortmund-Gefühl" gewiss auch mehr als der brillante, aber auch eigenwillige Kopfmensch Favre.
An diesem Dienstagmittag bekamen Kehls Zuhörer schon eine klare Vorahnung, dass Kehl Favre eine wichtige Hilfe sein dürfte. Nicht umsonst wurde Zorc von einem Reporter gefragt, ob nicht vielleicht Kehl der eigentliche "Königstransfer" des Sommers sei.
Zorc widersprach nicht, sondern sagte stattdessen: "Das kann man so sehen."