Ein bekannter Bundesliga-Trainer, der in den letzten Jahren bei mehreren Klubs an der Seitenlinie stand, wählte für die Lagebeschreibung bei vielen Traditionsvereinen vor kurzem ein interessantes Bild.
Folklore statt Fortschritt
In der Regel sei ein Trainer dort nichts weiter als ein "Pflaster" auf die großen Wunden, die über Jahre entstanden sind. Statt sich der Ursache zu widmen "und die Blutung zu stoppen, also den Patienten vielleicht zu heilen", würde einfach wieder immer ein neues Pflaster geholt. Dieses hielte dann eine Zeit lang, aber irgendwann käme das Blut wieder durch. (Warum Schaaf Werder retten kann)
Er selbst, merkte der Fußball-Lehrer in dem Meeting noch an, habe das auch schon mehrmals erlebt. Und würde Themen wie den strategischen Auf- oder Umbau des Profibereichs mittlerweile eher nach hinten setzen auf seiner Prioritätenliste - denn "es geht doch immer nur um maximal zwei Jahre". Und beurteilt würde die Arbeit "sowieso ausschließlich nach den Ergebnissen aus den Spielen."
Der Trend, der viele Traditionsklubs in den vergangenen Monaten einholte, verstärkt die Sichtweise im Grunde sogar. Immer mehr Bundesliga-Vereine haben einen Romantick...
Trügerische Ruhe dank volkstümlicher Entscheidungen
Erst war es Schalke, das mit Huub Stevens einen Trainer-Riesen vergangener Tage als kurzfristige Antwort auf immer größere Probleme präsentierte. Mittlerweile ist Markus Weinzierl in Augsburg in der Verantwortung, Christian Heidel lenkt als Macher wieder Mainz 05, Pal Dardai ist Hertha-Trainer, Friedhelm Funkel beim 1. FC Köln und auch Werder Bremen hat mit Thomas Schaaf alles auf die Karte "alte Liebe" gesetzt. Nicht zu vergessen der HSV, mit Horst Hrubesch.
Ja, das ist was für die (sehr oft ja geschundene) Seele der Anhänger, die an den traditionsreichen Adressen des Fußballs noch immer einen großen, zumindest emotionalen Einfluss haben.
Dazu kommt, dass sich auch der eine oder andere Entscheider mit so einer volkstümlichen Entscheidung für einen Helden der Vergangenheit Ruhe verschafft. Und Druck und Verantwortung, zumindest ja für ein paar Wochen, ganz elegant weiterreicht. Der Fall in Mainz ist in der Trainer-Betrachtung auszuklammern.
Doch mittel- und langfristig liegt im Romantick der Traditionsvereine tatsächlich mehr Gefahr als Chance. Denn der meist dringend notwendige Fortschritt, innovative Denk- und Arbeitsweisen in allen Bereichen, also die Transformation vom Verein zum modernen Unternehmen, diese Punkte werden durch romantische Entscheidungen in der Regel erst einmal wieder nach hinten verschoben. Und der Vorsprung weitaus emotionsloserer Reißbrett-Klubs wieder größer.
Ein Teufelskreis, mit immer größerem Druck, an dem man ohne starkes Konzept und vor allem zeitgemäßer Organisation und hochprofessionellen Methoden schnell zerbrechen kann. Es ist die brutale Erfahrung, die Vereine wie Kaiserslautern, Duisburg oder 1860 München bereits gemacht haben: Der Weg nach unten ist um ein Vielfaches kürzer als der wieder zurück.
Und bei solchen (Ab-)Stürzen helfen dann auch keine Pflaster.