Beim Klub aus dem Norden Londons herrscht dieser Tage eine gewisse Katerstimmung. Im Juni waren die Tottenham Hotspur knapp am größten Triumph der Vereinsgeschichte, dem Gewinn der Champions League, vorbeigeschrammt. Wahrscheinlich war es eine Gelegenheit, die sich so schnell nicht wieder bietet. Wie geht es in so einem Fall weiter?
So kann Bayern die Spurs knacken
© SPORT1-Montage: Marc Tirl/Getty Images/Imago
Aktuell scheint Trainer Mauricio Pochettino mit seiner Mannschaft in einem sportlichen und mentalen Loch zu stecken. Realistische Chancen auf die englische Meisterschaft bestehen nicht wirklich. Dafür sind der FC Liverpool und Manchester City über die Saison hinweg zu konstant.
Und auch spielerisch ist Tottenham momentan auf Identitätssuche. Das Spielsystem der Vergangenheit, das vor allem von seiner Defensiv- und Konterstärke lebte, wirkt gegen auf dem Papier schwächere Teams alles andere als stabil.
Das zeigte sich zuletzt in der Champions League beim 2:2 gegen Olympiakos Piräus und auch zu Hause auf der Insel beispielsweise bei der Heimniederlage gegen Newcastle United und dem Ligapokal-Aus gegen Viertligist Colchester United. Nach der Blamage gegen Colchester sprach Pochettino davon, eine "verunsicherte Mannschaft" zu haben, die Zeit benötigt, um wieder zur gewohnten Stärke zurückzukehren. Gleichzeitig kündigte er Transfers im Winter an – nicht gerade ein Vertrauensbeweis für seinen aktuellen Kader.
Spurs wie gemacht für Konter
Dabei müsste der argentinische Cheftrainer doch eigentlich froh darüber sein, dass er bis auf Rechtsverteidiger Kieran Trippier und Ersatzstürmer Fernando Llorente die Finalmannschaft der letzten Saison immer noch beisammen hat. Aber der 47-Jährige möchte einen taktischen Umbruch meistern. Denn aktuell können die Spurs lediglich glänzen, wenn der Gegner mitspielt oder sogar das Spiel selbst machen möchte.
Im Spielaufbau wirkt Tottenham allzu oft anfällig. Das belgische Innenverteidiger-Duo bestehend aus Jan Vertonghen und Toby Alderweireld kann präzise eröffnende Pässe spielen. Aber alle um sie herum – Torhüter Hugo Lloris eingeschlossen – geraten bei intensivem Pressing rasch unter Druck. Zuweilen muss sich sogar Stürmerstar Harry Kane weit nach hinten zurückfallen lassen, um den Spielaufbau anzukurbeln. Dafür fehlt er dann des Öfteren beim Torabschluss.
Aus diesen Gründen fühlen sich die Spurs viel wohler, wenn sie im Spielfeldzentrum kompakt stehen und den Gegner in Fehler zwingen, obwohl das nicht Pochettinos bevorzugter Fußball ist. Aber für Konterfußball verfügt er über die passenden Spielertypen: Er hat lauf- und pressingstarke Angreifer wie Heung-min Son, polyvalente Mittelfeldspieler wie Tanguy Ndombélé und einige intensive Zweikämpfer wie Moussa Sissoko. Nur auf gepflegten Ballbesitz gerade gegen hochklassige Teams ist dieser Kader nicht ausgelegt.
FC Bayern auf den Flügeln stark besetzt
Für Bayern München ergeben sich für das Auswärtsspiel in London somit zwei taktische Kniffe zum Erfolg: Der Bundesliga-Tabellenführer kann zum einen die neu gewonnene Pressingstärke einsetzen und das Passspiel von Tottenham stören. Die vielen kurzen Zuspiele der Spurs im Spielaufbau eröffnen den Bayern die Möglichkeit, mit mehreren Spielern nachzuschieben und Anspielstationen zuzustellen. (Champions League: Tottenham Hotspur - FC Bayern München, am Dienstag ab 21 Uhr im LIVETICKER)
Da es Niko Kovac zuletzt gelungen ist, das Pressing als teamtaktisches Mittel zu verbessern, sollte Bayerns Cheftrainer Vertrauen in die Qualitäten seiner Mannschaft haben und die Spurs früh attackieren.
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Zum anderen ist Tottenham auf den Flügeln anfällig. Das kommt den sowieso flügelstarken Münchnern gewiss gelegen. Der deutsche Rekordmeister spielt mit großer Vorliebe über die Außenbahnen und setzt seine Flügeldribbler Kingsley Coman und Serge Gnabry in Szene.
Da die Spurs oftmals mit einer Mittelfeldraute – also vier zentralen Mittelfeldakteuren – spielen, sind nominell nur die beiden Außenverteidiger auf den Flügeln unterwegs. Sie erhalten situationsbezogen Unterstützung aus dem Zentrum. Erfolgt diese Unterstützung aber nicht rechtzeitig, könnten die Bayern rasch in Überzahlsituationen gelangen.
Natürlich bleibt es ein Balanceakt, weil Kovacs Mannschaft nicht von Kane, Son und Co. ausgekontert werden möchte, aber Tottenham bietet momentan genügend Schwachstellen, weshalb die Bayern auch auswärts in London auf Sieg spielen können.