Die Bayern bekommen ihr Defensiv-Problem nicht in den Griff!
Das bedeutet Kovacs Defensiv-Kritik
Schonungslos offenbarte Zweitligist Heidenheim den Bayern im DFB-Pokal-Viertelfinale, dass der Rekordmeister diese Saison defensiv nicht meisterlich ist. Vier Gegentreffer erschütterten die Münchner beim knappen 5:4 Erfolg.
Grund genug für Niko Kovac, vor dem Titelduell gegen Borussia Dortmund (Bundesliga: FC Bayern - Borussia Dortmund, Sa. ab 18.30 Uhr im LIVETICKER) Tacheles über die Defensiv-Sorgen zu sprechen. Der Trainer wurde ungewohnt deutlich, nahm aber vor allem seine Spieler in die Pflicht. Von Selbstkritik war indes wenig zu spüren.
SPORT1 bewertet die wichtigsten Aussagen.
"Wir haben zu viele Gegentore"
Stimmt. In der laufenden Bundesliga-Spielzeit fingen sich die Bayern bereits 28 Gegentore ein. Das sind so viele wie in der gesamten letzten Saison, als man Meister wurde. In der Saison 2016/17 waren es nach 34 Spieltagen 22 Gegentreffer (Meister und Pokalsieger). Ein Jahr zuvor sogar nur 17 (Meister). 2014/15 stand man am Ende bei 18 Gegentoren und holte das Double. In der Triple-Saison zuvor waren es auch nur 23.
In 40 Pflichtspielen unter Kovac sind es nun bereits 43 Gegentreffer und in nur vier von 14 Pflichtspielen in diesem Jahr hielt man hinten die Null. "Das hat etwas mit taktischem Fehlverhalten, mit individuellen Fehlern zu tun. Das sprechen wir immer wieder an", kritisierte Kovac, der Lösungen finden muss.
"Haben aktuell keinen Abräumer wie Kante"
Eine Aussage mit der Kovac überraschte, aber richtig liegt. Der 28-jährige N'Golo Kante vom FC Chelsea gilt derzeit als einer der besten zentralen Mittelfeldspieler der Welt. Kleiner Wendekreis, stark im Zweikampf, starker Spielaufbau, Pferdelunge. So einen haben die Münchner nicht.
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Als klassischer Sechser steht Javi Martinez zur Verfügung. Ein guter Abräumer zwar, aber kein Spielmacher. Thiago ist kein klassischer Defensiv-Mann, spielt darüber hinaus zu viele Risiko-Bälle. Leon Goretzka sieht sich eher auf der Acht und hat seine Stärken in der Offensive. Corentin Tolisso arbeitet derzeit an seinem Comeback. Renato Sanches spielt keine Rolle.
Kante ist ein Mentalitätsspieler, an dem sich die Mannschaft aufrichtet. Ein Xabi Alonso war das, ein Mark van Bommel und Stefan Effenberg auch. Derzeit gibt es diesen Typus in der Schaltzentrale aber nicht. Nicht umsonst kündigte Kovac an: "Vielleicht fehlt uns der ein oder andere, der da mal zupackt. Aber wir werden ihn suchen."
"Verteidigen nicht als Gruppe"
Kovac kritisiert vor allem, dass seine Mannschaft zu selten kompakt verteidigt. Hervorragend gelang dies beim 0:0 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Liverpool. Auch im Hinspiel gegen Dortmund in der ersten Hälfte und beim 3:0 in Frankfurt.
Gegen Heidenheim wurde aber deutlich, was sich so oft in dieser Saison zeigte: Die erste Linie lässt zu viel Spielaufbau zu, im Mittelfeld wird nicht zugepackt, die Viererkette muss es meistens ausbaden. Kaum jemand auf dem Platz regelt, dass die Mannschaft kompakt verteidigt.
Die Folge: Viel zu große Lücken im Defensivverbund. Kovac sagte zwar, dass er immer wieder predige, wie man verteidigen wolle, die Botschaft scheint bei der Mannschaft aber nicht ankommen zu wollen.
"Defensiv keine Entwicklung"
Auffällig ist in dieser Saison, wie wenig in entscheidenden Situationen zugepackt, die Flanke mit aller Macht verhindert, der Schuss aus der zweiten Reihe verhindert wird. Kovac hat dieses Problem erkannt und betonte am Donnerstag ausdrücklich: "Verteidigen ist Handwerk. Man muss den Zweikampf auch unbedingt führen wollen."
Besserung ist in dieser Saison aber bislang nicht in Sicht. Bereits seit Saisonbeginn betont der Kroate, dass Verteidigen "das Einfachste" sei, was es gäbe, "nicht nur für Spieler, auch für den Trainer". Infolgedessen können die Bayern aber nicht mal "Einfachstes".
"Muss es ihnen wieder von Neuem sagen"
Kovac warnte zuletzt vor frühen Toren der Freiburger und vor Zweitligist Heidenheim. Dennoch fiel im Breisgau früh das 1:0 (3.) für die Hausherren und der FCH traf vier Mal in der Allianz Arena. Anschließend mussten sich die Spieler eingestehen, trotzdem nicht 100 Prozent gegeben zu haben (Süle) oder gedacht zu haben, es würde ruhig werden nach dem 1:0 der Bayern (Goretzka).
Kovac, früher selbst Defensiv-Stratege, wurmt das Abwehr-Fiasko. "Wir sind jetzt ein Dreivierteljahr zusammen. Ich werde auch morgen immer wieder dasselbe erzählen und es aufzeigen. Aber man muss es umsetzen", erklärte er.
Der Trainer muss sich jedoch auch hinterfragen, ob er seine Defensiv-Idee deutlich genug vermittelt und warum er die Probleme nicht in den Griff bekommt. Seine Forderung: "Irgendwann muss es mal rein. Der eine versteht es ein bisschen mehr, der andere später. Ich werde nicht aufgeben, ich mache weiter."
"Nicht alle wollen defensiv arbeiten"
Kovac machte auf der abschließenden Pressekonferenz vor dem Titelduell gegen Borussia Dortmund klar, dass "niemand von Defensivaufgaben befreit" sei. Der indirekte Vorwurf: Viele Spieler leisten eben keine Maloche.
Oft zu sehen ist dies bei James. Wenngleich er in den Vorwochen zwar ab und an mal grätschte, versteht sich der Kolumbianer als Edeltechniker und Freigeist. Thiago kann malochen, verfällt aber oft in Schönspielerei. Auch Serge Gnabry muss noch deutlich mehr mit nach hinten arbeiten.
Verteidigen müsse man wollen, auch wenn man "ein Künstler" sei, so Kovac. "Es geht nur noch darum, wer den schönsten Pass spielen und wer am besten aufbauen kann."
Für Kovac wird es darum gehen, bereits am Samstag Verbesserungen zu präsentieren. Schließlich fordert Präsident Uli Hoeneß bei der Deutschen Presse-Agentur einen Erfolg gegen Dortmund: "Wir müssen gewinnen, dazu gibt es für mich keine Alternative."