Totenstille statt Aufbruchstimmung!
Und schon wieder keine Stimmung ...
Millionen Zuschauer vor den TV-Schirmen hätten wohl keinen Unterschied gemerkt, wenn sie das erste Länderspiel des Jahres zwischen Deutschland und Serbien (1:1) lautlos vor ihren Bildschirmen verfolgt hätten.
Grund: In der Wolfsburger Volkswagen Arena, die mit 26.101 Zuschauern ausverkauft war, herrschte am Dienstagabend ohnehin keine Stimmung. Auch die Choreografie für die aussortierten Mats Hummels, Thomas Müller und Jerome Boateng vor Anpfiff hallte nicht nach.
Teilweise war es auf den Rängen so gespenstisch still, dass man die Kommandos der Spieler und Trainer auf dem Platz hörte.
"Es gab schon Spiele, wo mehr Stimmung war", meinte PSG-Star Thilo Kehrer. "Es war aber ein Freundschaftsspiel. Deswegen waren wir überhaupt froh, dass die Leute, die da waren, uns unterstützt haben."
Torschütze Leon Goretzka, dem es mit seinem Treffer gelang, zumindest kurz für Stimmung zu sorgen, gefiel die Lautlos-Atmosphäre auch nicht. Selbstkritisch erklärte er jedoch: "Wenn man turbulent spielen würde, dann würden die Zuschauer auch mitgehen."
Mannschaft wird ausgepfiffen
Eben das tat die deutsche Nationalmannschaft vor allem in Halbzeit eins zu selten. Tatsächlich waren es später die "turbulenten" Aktionen von etwa Leroy Sane und Marco Reus, die mit Tempo und Dribblings für kurze Momente des Staunens sorgten. Zu mehr aber auch nicht. Der Tiefpunkt: ein Pfeifkonzert von Teilen der Fans zur Halbzeitpause - beim Stand von 0:1.
Ilkay Gündogan, der in der zweiten Halbzeit erstmals die Kapitänsbinde trug, kritisierte die Pfiffe. "Die helfen einem nicht", machte der 28-Jährige klar, aber schob hinterher: "Wir müssen verstehen, dass die Leute was geboten haben wollen. Wenn wir es nicht schaffen, bekommen wir Pfiffe. Aber wir sind Profis und müssen mit der Situation umgehen können. Auch, wenn es nicht leicht ist."
Joshua Kimmich zeigte sich ebenfalls "überrascht" von der Halbzeit-Reaktion der Fans, zeigte aber auch Verständnis dafür, dass "die Leute langsam ungeduldig werden" weil sie "Siege sehen wollen".
Bereits Mitte November beim 2:2 gegen die Niederlande auf Schalke war die Stimmung weit unter dem Niveau, das man aus der Veltins-Arena kennt. Vier Tage zuvor in Leipzig, beim 3:0 gegen Russland, war noch weniger los - trotz des deutschen Sieges.
Für bessere Stimmung helfen nur Siege
Die DFB-Verantwortlichen haben dieses Problem längst registriert - genauso wie die Tatsache, dass Länderspiele zuletzt nicht mehr ausverkauft waren. Auch deshalb spielte man nun in der kleineren Volkswagen Arena. Im kommenden Juni geht es für die Partie gegen Estland nach Mainz.
Ob die Stimmung dann besser wird? Das Publikum - normale Fans und keine Ultra-Gruppierungen, viele Kinder und Familien - wird das gleiche sein.
Festzustellen war in Wolfsburg aber, dass die Zuschauer es vereinzelt anerkannten, wie sich die Mannschaft in den zweiten 45 Minuten aufbäumte und viele Torchancen kreierte.
"In der zweiten Halbzeit habe ich die positive Reaktion der Fans gesehen", sagte Oliver Bierhoff, der sich darum bemühte, den lautlosen Gesamteindruck kleinzuhalten: "Ich sah das jetzt hier nicht besonders problematisch."
Doch auch der Direktor Nationalmannschaften und Akademie weiß: Damit sich der Neuanfang nach dem Katastrophenjahr 2018 auch auf den Rängen und im ganzen Land fortan spürbar macht, helfen der Elf von Bundestrainer Joachim Löw nur noch gute Ergebnisse und Fußball mit Tempo und Leidenschaft über 90 Minuten.
Genau das betonte auch Jonathan Tah: "Wir sind auf dem Platz dafür verantwortlich, dass es wieder Stimmung gibt. Das ist unsere Aufgabe."