Als Brendan Rodgers im Februar 2019 das Erbe von Claude Puel bei Leicester City antrat, hagelte es Kritik bei seinem Ex-Klub. Denn der 46-Jährige hatte eigentlich versprochen, die Saison mit Celtic Glasgow zu beenden. Dort strebte er bereits das dritte Jahr in Folge dem Triumph in der Meisterschaft, dem Pokal und dem Liga-Cup entgegen - das dritte Triple in Folge winkte.
Rodgers' Revolution bei Leicester
© Getty Images
Rodgers hatte sich bei seinen ersten Trainerstationen beim FC Watford und FC Reading einen guten Ruf erarbeitet, den Zweitligisten Swansea City führte er 2010/2011 zum Aufstieg in die Premier League. Er war der kommende Mann in England, 2012 folgte der nächste große Schritt zum FC Liverpool.
Rodgers bei Liverpool in der Kritik
An der Anfield Road entwickelte er eine ganz neue Spielweise und wurde überraschend in seiner zweiten Saison fast englischer Meister. Die Reds markierten 101 Tore, so viele wie seit 1896 (!) nicht mehr in einer Saison. Doch dass Liverpool einen Fünf-Punkte-Vorsprung drei Spieltage vor Schluss noch verspielte, ließ die Stimmung kippen. (SERVICE: Tabelle der Premier League)
Dem schnellen Erfolg folgte die Ernüchterung. Unter Rodgers häuften sich die Misserfolge, er kam dem Gewinn einer Trophäe mit Liverpool nie mehr so nah wie 2014 und wurde immer heftiger kritisiert. Im Oktober 2015 war aus dem ehemaligen Heilsbringer endgültig der Sündenbock geworden. Nach einem 1:1 im Derby gegen den FC Everton trennten sich die Reds von Rodgers.
"Ich weiß es nicht zu 100 Prozent, aber Brendans Qualität konnte nicht der Grund dafür sein", sagte Nachfolger Jürgen Klopp voller Respekt dem Telegraph. "Denn ich weiß, wie Liverpool vorher gespielt hat." Als Klopp den Nordiren im Oktober 2015 als Trainer der Reds ersetzte, zog der Ex-Coach von Borussia Dortmund auch in dessen Villa in Formby ein. Rodgers hatte das Anwesen im Nobelvorort einst von Liverpool-Legende Steven Gerrard erworben.
Jetzt aktuelle Fanartikel der internationalen Top-Klubs bestellen - hier geht's zum Shop! | ANZEIGE
Rodgers erkennt Potenzial von Leicester
In Liverpool polarisierte Rodgers aber nicht nur mit der schwankenden Leistung seiner Mannschaft, sondern auch mit überheblichen Kommentaren. Ein Beispiel: "Ich bin mein größter Mentor, weil ich lernen musste. Das war mein größter Einfluss." In Leicester korrigiert er nun mit großem Erfolg seinen angeknacksten Ruf.
Obwohl der Klub nach der Meisterschaft 2016 im Tabellenkeller herum dümpelte, drei Trainer verschliss und einen herben Schicksalsschlag durch den tragischen Tod von Besitzer Vichai Srivaddhanaprabha nach einem Hubschrauberabsturz hinnehmen musste, erkannte er das enorme Potential der Foxes.
Nach zwölf Spielen der laufenden Saison liegt Leicester auf Platz zwei. Nur Manchester City hat mehr Tore (29) erzielt, bei der Anzahl der Gegentore (acht) ist sogar kein Team besser. Seit Rodgers' Amtsantritt haben nur Manchester City und Liverpool mehr Punkte und mehr Siege eingefahren als Leicester, das 9:0 bei Ralph Hasenhüttls FC Southampton vor einigen Wochen war ein echter Paukenschlag.
Mit 26 Punkten nach zwölf Spielen hat der Klub sogar einen mehr gesammelt als zum gleichen Zeitpunkt in der Meistersaison 2015/16.
Fuchs erklärt Rodgers' Erfolgsrezept
Rodgers' Erfolgsrezept bei den "Foxes" ist die richtige Balance zwischen hartem Training und persönlicher Beziehung. Mittelfeldspieler Wilfred Ndidi beschreibt ihn als "Freund, Vater, Chef".
Rodgers, der ein Anhänger der Fußballschule von Rinus Michels und Johan Cruyff ist, zeigt sich sehr interessiert an Einzelcoachings und hat zum Beispiel viel Zeit mit James Maddison verbracht. Der 22-Jährige wurde unter ihm zu einem der besten Mittelfeldspieler der Liga in dieser Saison. In 13 Partien schoss er sechs Tore und bereitete zwei vor.
"Innerhalb eines halben Jahres formte Brendan aus einer Kontermannschaft mit sehr geringem Ballbesitzanteil eine dominante Mannschaft, die vom Ballbesitz lebt", erklärt Leicesters Meisterspieler Christian Fuchs bei Spox und Goal. "Er hat Leicester komplett umgekrempelt. Wir spielen jetzt einen richtig erfrischenden, attraktiven Fußball."
Auch Vertrauen spielt eine ganz wichtige Rolle für Rodgers. In den beiden Länderspielpausen im September und Oktober gab er Fuchs beispielsweise jeweils acht Tage frei, damit er seine Familie in den USA besuchen könne. "Indem er einem solche Freiheiten gibt, schafft Brendan ein besonderes Vertrauensverhältnis. Dadurch gibt man als Spieler ganz automatisch alles für ihn", erklärt der Österreicher.
Ex-Nationalspieler rät Arsenal zu Rodgers
Vor allem Jamie Vardy profitiert von seinem System. Seit März hat mit Ausnahme von Robert Lewandowski kein Spieler in den europäischen Top-Ligen noch häufiger getroffen als er (19 Tore), Vardy führt die Torjägerliste in der Premier League mit zehn Toren an.
Auch der ehemalige Freiburger Caglar Söyüncü blüht unter Rodgers auf. In der vergangenen Saison war er noch Verteidiger Nummer vier. Der Nordire aber glaubt an ihn.
"Bei Leicester hat er es im ersten Jahr nicht leicht gehabt", meinte Evertons Cenk Tosun zu seinem türkischen Nationalmannschaftskollegen bei Gazetefutbol. "Hier muss ich aber auf die Bedeutung seines Trainers aufmerksam machen. Er hat ihm nach dem Verkauf von Harry Maguire vertraut und ihn zu Einsatzzeiten kommen lassen. Caglar ist zurzeit einer der besten Innenverteidiger der Premier League",
Der Erfolg weckt natürlich aber auch für Trainer Begehrlichkeiten. "Rodgers hat es so gut gemacht, dass Leicester es schwer haben wird, ihn zu halten", erklärte Ex-Nationalspieler und Arsenal-Legende Paul Merson. "Wenn ich Arsenal wäre, würde ich mein ganzes Geld in die Hand nehmen, um ihn zu kriegen. Dann würde ich ihm einen Fünfjahresvertrag geben, mich zurücklehnen und zuschauen, wie er den Klub transformiert."