"Es ist eine halbe Sekunde, die sie auf den Geraden hier gewinnen" - das sagte ein ratloser Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff im Juni nach dem Qualifying in Hockenheim.
Warum fährt Vettel nur hinterher?
Selbst auf der kurzen Runde in Budapest, die keine langen Geraden aufweist, verlor Mercedes eine Woche später noch drei bis vier Zehntel auf die roten Flitzer. Die jahrelange Dominanz der Silberpfeile war nicht nur verschwunden, Ferrari hatte den Spieß sogar umgedreht.
Durch eigene Patzer verspielten Sebastian Vettel und sein Team vor der Sommerpause trotzdem noch diverse Punkte - mit dem Power-Vorteil im Rücken schien Vettel dennoch der klare Favorit auf den WM-Titel zu sein.
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Nur vier Rennen nach der Sommerpause liegt Vettel allerdings mit 50 Punkten hinter WM-Leader Lewis Hamilton zurück. Der Titel scheint wieder einmal an den Mercedes-Fahrer zu gehen (Rennen in Suzuka, So., ab 7.10 Uhr im LIVETICKER).
Renault-Teamchef: Ferraris Vorsprung ist weg
Fast noch schlimmer als der Rückstand für Ferrari ist: Der Vorsprung auf den Geraden ist seit Singapur weg. "Das sehen wir ganz klar an unseren GPS-Messungen", wird Renault-Teamchef Cyril Abiteboul bei autor motor und sport zitiert.
Vor allem im Sochi Autodrom rieben sich viele Experten die Augen: Mehr als eine halbe Sekunde fehlten Vettel zu den Mercedes im Qualifying. Und hätte Hamilton keinen dicken Patzer auf seiner letzten schnellen Runde eingebaut, wäre der Rückstand noch größer ausgefallen.
Doch warum ist der Vorsprung weg? Eine Erklärung ist der Aufschwung bei Mercedes.
Die Silberpfeile brachten in den letzten vier Rennen dreimal ein Aero-Upgrade an den Start. Zudem wurden sowohl bei der Abstimmung als auch beim Umgang mit den Reifen Verbesserungen erzielt.
Power-Explosion bei Ferrari bleibt aus
All dies reicht jedoch nicht, um zu erklären, wieso Ferrari auf den langen Geraden in Russland keine Zeit gewinnen konnte. Vielmehr sieht es sogar so aus, als ob die Scuderia Zeit verloren hat.
Dies liegt möglicherweise daran, dass die mysteriöse Power-Explosion, die immer im zweiten Drittel der Geraden auftrat, plötzlich in den Daten nicht mehr zu sehen ist.
Über jene Leistungsexplosion hatte man bei Mercedes und Red Bull monatelang gerätselt und wohl auch mehrere Theorien bei der FIA eingereicht, woran das liegen könnten - natürlich mit der Bitte versehen, zu untersuchen, ob alles mit rechten Dingen zugeht.
Bericht: FIA bringt zusätzlichen Sensor an
Die FIA hatte diese Vermutungen stets abgewiesen - am Ferrari sei alles legal. Doch laut Auto Motor und Sport hat der Verband vor dem Singapur-Rennen einen zusätzlichen Sensor an allen Ferrari-Power-Units anbringen lassen. Dieser ist für die Messung des Energieflusses zuständig.
Dies soll Ferrari seinen ärgsten Rivalen zu verdanken haben, die die alte Methode nicht für ausreichend erachteten. Ob Ferraris Schwäche wirklich etwas mit dem neuen Sensor zu tun hat, ist aber Spekulation.
Der Ferrari hat schließlich auch in den Kurven bei den letzten Rennen eingebüßt, weshalb Ex-Weltmeister Nico Rosberg bei SPORT1eine andere Vermutung äußert: "Das ist schon komisch. Ich glaube aber, dass es zuletzt auch strecken-spezifisch war, dass es nach hinten losging." (Service: Die Fahrerwertung)
Vettel: Mercedes hat das clever kommuniziert
Vettel sieht das sowieso ganz anders. Für ihn war der Ferrari nie das beste Auto: "Mercedes hat das nur clever kommuniziert", sagte der viermalige Weltmeister: "Es gab in dieser Saison zu viele Rennen auf unserer Seite, bei denen wir nicht nah genug dran waren."
Dass Vettel bei 50 Punkten Rückstand nicht einfach verkündet, dass Ferrari zwischenzeitlich klar schneller war und die WM hergeschenkt hat, kann allerdings auch niemanden verwundern.
Das Rennen in Suzuka am Wochenende wird zeigen, ob sich der Trend fortsetzt oder Ferraris schwache Leistungen zuletzt tatsächlich nur streckenabhängig waren.
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