Von Kimi Räikkönen gibt es die herrliche Anekdote, dass er einmal von einem Scheich gefragt wurde, was für Voraussetzungen sein Sohn brauche, um Formel-1-Fahrer zu werden. Räikkönens ehrliche Antwort: "Ich hoffe, dass du viel Geld hast."
Villeneuve will F1-Talenten helfen
© SPORT1-Montage: Marc Tirl/Getty Images
Für diese unverblümten Antworten lieben Motorsportfans weltweit den kauzigen Finnen. Allerdings ist der Spruch von Räikkönen nur bedingt als Witz gemeint gewesen, vielmehr spricht er nur das aus, was schon seit Jahren Tatsache ist.
Will ein Nachwuchsfahrer den Sprung in die Formel 1 schaffen, zählt immer weniger das eigentliche Talent, sondern vielmehr, wie viel Geld er von seiner Familie oder Sponsoren mitbringt.
Rennställe entscheiden nach Geld
Fahrer wie Pascal Wehrlein können ein Liedchen von dieser Problematik singen. Nach zwei durchaus respektablen Jahren in der Formel 1 bei Manor und Sauber musste er 2018 sein Cockpit räumen. Obwohl er eindeutig erfolgreicher als sein Teamgefährte Marcus Ericsson war, musste er für Charles Leclerc weichen.
Der Schwede Ericsson hatte nämlich die besseren Argumente auf seiner Seite. Zwar waren die nicht sportlicher Natur, aber der Schwede wird seit Jahren in seiner Karriere finanziell von der Tetra Laval Group unterstützt. Eben jener schwedischen Unternehmensgruppe steht der Geschäftsführer der Longbow Finance SA nahe, in deren Besitz das Sauber-Team seit 2016 ist.
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"Man braucht Talent, Glück und vor allem Förderer. Ohne Talent geht es nicht. Das dürfte klar sein. Auf dem Markt gibt es viele sehr gute Fahrer. Und ein Teamchef muss entscheiden, wer das Cockpit bekommt. Da kann Glück eine Rolle spielen. Ich hatte auch kein eigenes finanzielles Budget, das ich mitbringen konnte und war auf Förderer angewiesen. Und niemand hatte mir ein Cockpit gekauft wie das bei anderen der Fall war", fasste Wehrlein die Situation kürzlich im Tagesspiegel zusammen.
Dieses Problem hatte auch Ex-Racing-Point-Pilot Esteban Ocon, der sein Cockpit an Lance Stroll verlor, nachdem dessen reicher Vater Lawrence Stroll den Rennstall übernahm und so vor der Insolvenz rettete.
Villeneuve will Talent wieder mehr fördern
Genau dieser Entwicklung will nun aber Jacques Villeneuve entgegensteuern. Der Weltmeister von 1997 hat zusammen mit dem ehemaligen Rennfahrer Patrick Lemarié seine eigene Rennschule gegründet.
An der Rennstrecke Magny Cours, ehemals die Heimat des Frankreich-GPs, können junge Nachwuchsfahrer in der Schule "Feed Racing France" ihre Fähigkeiten testen und sich für größere Aufgaben empfehlen.
Der Kanadier wollte nicht länger nur mit ansehen, wie die Träume von der Formel 1 immer mehr zu Illusionen verblassten. "Jetzt träumen die Kinder nicht einmal mehr. Für viele ist die Zukunft höchstens der Porsche Cup, weil sie finanziell nirgendwo anders hinkönnen. Also durften sie nicht einmal mehr vom Potenzial träumen", erklärte er im Motorsport-Magazin seine Motivation.
Fünftägiger Crash-Kurs für 11.500 Euro
Daher steht bei "Feed Racing France" das Talent im Vordergrund. Ausufernde Datenanalysen kommen nur am Rande vor, das fahrerische Können soll getestet und entwickelt werden. "Sie sollen selbst herausfinden können, was sie brauchen. Wenn nicht, dann haben sie sowieso nicht, was es braucht, um es auf Formel-1-Niveau zu bringen", erläutert Villeneuve.
Für diesen Intensivkurs verlangen Villeneuve und sein Partner 11.500 Euro. Ein stolzer Preis, aber im Vergleich zu den Summen, die sonst im Kampf um Cockpits die Regel sind, handelt es sich hierbei nur um Peanuts - die Villeneuve auch noch gut investiert sieht.
"Es ist eine Möglichkeit für die Eltern, um herauszufinden, ob ihr Kind es kann", sagt Villeneuve. "Oder für die Hersteller. Die können zehn Kart-Fahrer schicken, die sie für gut halten, und wir evaluieren sie. Anstatt dass sie ihnen gleich riesige Verträge auszahlen", betont er die Möglichkeit, damit sogar Geld zu sparen.
Ein Platz in der Formel 4 winkt
Dazu bietet das Programm auch eine echte Möglichkeit, sich eine Zukunft im Motorsport aufzubauen. Immerhin fahren die besten Schüler im Herbst in einem Finale um die Möglichkeit, ein Jahr in der britischen Formel-4-Meisterschaft an den Start zu gehen.
Der Partner ist dabei das renommierte Team Carlin, das in mehreren Rennserien vertreten ist und schon späteren F1-Fahrern wie Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo oder Robert Kubica als Karrieresprungbrett diente.
Auch nach diesem Jahr in der Formel 4 kann der Sieger auf Unterstützung von Villeneuve hoffen. "Wenn unser Sieger in der Formel 4 auch gewinnt, dann werden wir alles tun, um ihm zu helfen. Wir können nichts versprechen, weil momentan alles aus unserer Tasche kommt, also gibt es keine Million dafür."
Ob Villeneuve mit seinem Projekt Erfolg hat, wird sich erst noch zeigen. Aber sollte tatsächlich mal ein Villeneuve-Zögling in der Königsklasse des Motorsports ankommen, wäre das auf jeden Fall ein Beweis, dass Talent doch immer noch die Basis für ein Cockpit sein sollte.
Vielleicht erinnern sich dann auch die Rennställe wieder an diese alte Weisheit. Die Formel-1-Fans würden eine derartige Entwicklung bestimmt begrüßen.