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Formel 1, Portugal: Marc Surer über Sebastian Vettel und Mick Schumacher

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Formel 1, Portugal: Marc Surer über Sebastian Vettel und Mick Schumacher

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Vettel-Rücktritt? Das sagt Surer

Für Ex-Pilot Marc Surer gehört Sebastian Vettel nicht in eine Kategorie mit Senna oder Michael Schumacher. Die Kritik von Toto Wolff an George Russell verurteilt er.
Formel-1-Neuling Mick Schumacher hat sich beim Haas-Rennstall in rasendem Tempo eingelebt.
Ralf Bach
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Bianca Garloff
Bianca Garloff

Ex-Formel-1-Pilot Marc Surer spricht vor dem Großen Preis von Portugal in Portimao über das WM-Duell zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton, Sebastian Vettel und Aston Martin sowie Mick Schumacher und Haas. Außerdem erklärt der Schweizer, was das Alter mit Rennfahrern macht. (Formel 1, Portugal-GP: So. ab 16 Uhr im LIVETICKER)

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SPORT1: Marc Surer, ist Max Verstappen für Lewis Hamilton der härteste WM-Gegner aller Zeiten?

Marc Surer: Fest steht: Er hat endlich mal wieder einen Gegner. Bisher war ja immer der Teamkollege sein einziger Rivale. Das Problem dabei: In der heutigen Zeit kannst du über Telemetriedaten herausfinden, was der andere anders gemacht hat – und du kannst es wieder korrigieren. Man muss da nicht mal von einer Teamorder sprechen, sondern du hast den Durchblick, warum der andere schneller war. Das ist auch ein Nachteil der heutigen Formel 1. So gesehen könnte Max schon der härteste Gegner seit langem sein, weil Lewis das Duell gegen ihn nicht kontrollieren kann.

SPORT1: Wie schätzen Sie Verstappen generell ein?

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Surer: Allein die Tatsache, dass er nach dem Kart-WM-Titel mit nur einem Jahr Formel 3 in die Formel 1 kommt: So einen Durchmarsch hat kaum einer gebracht. Er ist ein Supertalent, da gibt es keine Diskussion. Er ist jetzt schon einige Jahre in der Formel 1, hat aber auch Fehler gemacht. Wenn er jetzt gegen Lewis um die WM fahren will, darf er die nicht mehr machen. 

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SPORT1: Was machen 13 Jahre Altersunterschied aus?

Surer: Ich glaube, dass das ideale Rennfahreralter um die 30 liegt. Dann ist das Talent noch nicht verbraucht und die Erfahrung kommt dazu. Diese Phase kannst du vielleicht fünf Jahre halten. Dann wirst du einfach älter und deine Reflexe lassen nach. Zeitlich gesehen reden wir da von Hundertstelsekunden. Ein jüngerer Fahrer hat einfach bessere Reflexe und wird im Zweifelsfall der Schnellere sein. Aber trotzdem: Du kannst viel wettmachen mit Erfahrung: Wie hältst du deine Reifen am Leben etc.? Das ist vielleicht sogar mehr wert als das reine Tempo.

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SPORT1: Was macht Hamilton und Verstappen so einzigartig?

Surer: Wir haben heute eine Situation, in der die Fahrer, die nicht so viel Talent haben, über Telemetrie und die Simulatoren vieles wettmachen können. Früher saß Ayrton Senna im Auto und war zwei Sekunden schneller als der Teamkollege. Der hat sich dann gefragt: Wie macht er das? Heute kannst du das alles analysieren und irgendwann ist der Teamkollege genauso schnell, weil er alles sieht: Bremspunkte, Einlenkpunkte, Geschwindigkeiten. Wenn du allerdings in die Situation kommst wie in Imola, wo die Strecke halbnass ist, dann nützen die Simulatoren nichts mehr. Dann geht es nur darum: Was machst du daraus? Dann ist das pure Talent wieder gefragt. Aber eben nur dann. Das finde ich etwas schade, denn wir haben vielleicht drei Überflieger in der Formel 1: Verstappen, Hamilton und Leclerc. Die fahren im gleichen Auto dem Rest des Feld davon. Aber wenn du jedem einen Simulator zum Üben gibst, dann fahren alle mehr oder weniger gleich schnell.

SPORT1: Für große Diskussionen sorgte der Unfall zwischen Valtteri Bottas und George Russell in Imola. Mercedes-Teamchef Toto Wolff hat Russell dafür hart kritisiert. Tenor: Ein Mercedes-Junior dürfe nicht so hart gegen einen Mercedes fahren. Wie sehen Sie das? (Die Fahrerwertung der Formel 1)

Surer: Das fand ich völlig daneben. Natürlich ist Russell bei Mercedes unter Vertrag und Williams bekommt auch die Motoren günstiger, weil Russell da fährt; also profitieren alle davon. Dann erwartet Toto Wolff natürlich, dass George ein bisschen vorsichtiger ist, wenn es um die eigene Marke geht. Aber das ist ein Rennfahrer, den kannst du nicht so einbremsen. Schade, denn das scheint der Preis, den Williams bezahlen muss. Ich habe mich auch gewundert, dass von Williams gar keine Reaktion kam, denke aber, da gibt es vertragliche Verpflichtungen. 

SPORT1: Gehört Russell auch zu den Talenten der Zukunft?

Surer: Das muss er noch beweisen. Ein Überflieger bringt es auch immer auf den Punkt. Wenn er eine Chance sieht, dann nutzt er die auch. Das ist Russell ehrlicherweise noch schuldig geblieben. Er ist schnell, keine Frage. Der könnte locker Bottas ersetzen und würde auch Hamilton einheizen, aber bringt er es immer auf den Punkt? Leclerc hat es bei Sauber schon auf den Punkt gebracht. Das sind für mich die Überflieger. Man darf nicht nur den reinen Speed sehen. 

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SPORT1: Bei welchen Fahrern war das noch so?

Surer: Das sind sehr, sehr wenige. Senna hat Dinge gemacht, die konnte man nicht glauben. Michael Schumacher hat Rennen gewonnen, die man gar nicht gewinnen kann. Fernando Alonso war auch aus diesem Holz geschnitzt. Dann kam Lewis Hamilton. Das sind die größten Namen, die mir einfallen. Wenn man zurückblickt, hatte Michael Schumacher auch etwas Glück: Damon Hill und Jacques Villeneuve hatten das bessere Auto, waren aber keine Überflieger. Wäre Schumacher gegen einen Senna gefahren, wäre das so nicht möglich gewesen. Sebastian Vettel und Red Bull waren eine Einheit, die man fast nicht schlagen konnte.

SPORT1: Vettel alleine ist also kein Überflieger gewesen?

Surer: So einfach würde ich es mir nicht machen. Vettel und Red Bull waren zusammen Überflieger. Er hat da auch Rennen gewonnen, die eigentlich nicht zu gewinnen waren. Aber es war die Kombination. Sebastian Vettel ist uns den Beweis schuldig geblieben, dass er mit jedem Team speziell ist. Er hat auch mit Ferrari Rennen gewonnen und fuhr da auch um die Weltmeisterschaft, aber in den letzten zwei Jahren war das zu wenig.

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SPORT1: Wie weit ist er noch vom Rücktritt entfernt?

Surer: Wenn das Rennfahren zum Frust wird. Du gehst ins Training und schaffst die Zeit nicht, die du wolltest. Das ist Frust. Irgendwann fragst du dich: Will ich das überhaupt noch? Ich denke, bei Sebastian ist es an der Kippe. Wenn es plötzlich wieder läuft, wird er zur alten Form zurückfinden. Aber wenn es weiter nicht läuft, was ja derzeit und letztes Jahr am Auto liegt, dann glaube ich, dass es kippen könnte bei ihm. 

SPORT1: Er ist ja erst 33. Trotzdem sagten Sie schon: Im Alter lassen die Reflexe nach. Wie macht sich das bemerkbar?

Surer: Ich fahre ja immer noch Kart und ab und zu treffen wir auch auf aktive Fahrer, die in der Weltmeisterschaft mitfahren. Damals, als ich aufgehört habe mit der Formel 1, haben mir auf diese Topfahrer drei Zehntel gefehlt. Ich wusste zwar nicht, wo ich sie verloren habe, aber mir haben sie gefehlt. Wenn ich heute gegen die fahre, dann fehlen mir 1,5 Sekunden und ich weiß immer noch nicht warum. Du wirst mit dem Alter langsamer und weißt nicht warum. Und das Schlimme ist, dass du nicht begreifst, wo du die Zeit verlierst. Ein Grund sind die Augen, die nachlassen. Und das andere sind die Reflexe. Dass du reagierst, bevor du nachdenken musst. Das lässt alles nach und deshalb lässt deine Rundenzeit nach, aber du spürst es nicht. Ich denke, das passiert ab 35. Das siehst du auch an Kimi. An einem guten Tag kann er noch immer super Leistung bringen, weil das Talent da ist. Aber wenn es nicht so läuft und er reagieren muss, auch reflexartig, dann ist eine Verzögerung da – wenn es auch nur Hundertstelsekunden sind. 

SPORT1: Bei Vettel ist die Diskrepanz zwischen Auto und Fahrstil seit drei Jahren das große Thema. Ist das wirklich so gravierend?

Surer: Ja, das ist heute auch noch viel schwieriger als zu unserer Zeit, weil die Aerodynamik eine viel größere Rolle spielt. Wenn ein Auto vorn stärker eintaucht, dann ändert sich das Zentrum des Anpressdrucks, dann ist das Auto viel lebendiger und macht nicht das, was du willst. Wir haben das damals viel mehr über die Mechanik korrigieren können. Heute kommt es noch mehr darauf an, sich als Fahrer anzupassen. Das adaptive Fahren ist was, was wir bei Lewis Hamilton immer wieder sehen. Wir kennen ja sein Gejammer über die Reifen – und dann gewinnt er trotzdem das Rennen. Das ist adaptives Fahren und da gibt es Ausnahmekönner. Lewis gehört dazu.

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SPORT1: Könnte Vettel den Lauda von 1979 spielen, der sich von einem Tag auf den anderen zum Rücktritt entschloss? 

Surer: Das meinte ich gerade mit der Frage: Brauche ich das alles überhaupt noch? Auf der anderen Seite hast du auch jemanden, der sich politisch engagiert, aber im Auto trotzdem 100 Prozent geben kann: Lewis Hamilton. Lewis ist da ein Genie. Dass Sebastian das auch kann, muss er uns erst beweisen. 

SPORT1: Allerdings muss er derzeit mit einem Auto leben, das so gar nicht läuft. Hat Aston Martin so viel von Mercedes kopiert, dass sie ihr Auto jetzt nicht mehr verstehen?

Surer: Vijay Mallya hat Force India damals nicht mit Geld überhäuft und trotzdem hat das Team jedes Jahr ein Auto gebracht, das im vorderen Mittelfeld mitfuhr. Nach den ersten vier Rennen kam meist ein Update mit Dingen, die sie sich von der Konkurrenz abgeschaut haben – und die sie auf den Punkt kopiert haben. Das war ihre Spezialität. Aber schon als Stroll das Team übernommen hat, haben sie es nicht geschafft, das Auto schneller zu machen. Dann wurde die Zusammenarbeit mit Mercedes intensiviert und sie konnten von Anfang an von den Besten kopieren. Das war letztes Jahr. Jetzt haben sie aufgrund der Regeländerungen im Winter wieder anfangen müssen, Teile selber zu entwickeln. Resultat: Sie haben das Auto damit verschlechtert.  

SPORT1: Wie ist Ihr Eindruck von Mick Schumacher?

Surer: Er hat einen schweren Stand. Er sitzt im schlechtesten Auto und hat einen Teamkollegen, der keine Messlatte ist. Ich hätte es deshalb ideal gefunden, wenn Mick neben Kimi bei Alfa Romeo gefahren wäre. Denn von Kimi hätte Mick profitieren können. Mazepin kann zwar schon schnell fahren, aber er ist kein Maßstab. Wenn er den schlägt, ist das für die Leute nichts. Wenn er Kimi schlägt, wäre das was. Ich finde grundsätzlich: Er macht einen guten Job. Er ist konstant schneller als sein Teamkollege. Er fährt die Rennen zu Ende, das musst du ja auch können, er bleibt dran. Das ist ganz wichtig, für seine Zukunft. Was er bis jetzt gezeigt hat, war gut. 

Benetton-Ford's team manager Flavio Briatore (R) hugs German driver Michael Schumacher after his victory in the Monaco Formula One Grand Prix on May 15, 1994. (Photo by Christophe SIMON / AFP)        (Photo credit should read CHRISTOPHE SIMON/AFP via Getty Images)
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SPORT1: Müsste man jetzt schon merken, dass er ein Überflieger ist?

Surer: In dem Auto nicht. Das war ja auch bei George Russell im ersten Jahr bei Williams so. Wenn du da hinten rumfährst und zwischendurch mal ein anderes Team schlägst, dann ist das nicht so beeindruckend. Sobald du ein Auto im Mittelfeld hast und etablierte Stars hinter dir lässt, dann fällt das auf. Mick hat keine Chance, zu brillieren. Aber er hat die Chance zu lernen. Und das macht er. 

SPORT1: Wie groß war bei Ihnen der Unterschied zwischen Formel 2 und Formel 1?

Surer: Du bist erstmal enttäuscht. Denn in der Formel 2 fährst du mit einem Auto, das auf dich abgestimmt ist, und gewinnst Rennen. Dann kommst du in die Formel 1 und in ein schlechtes Auto und denkst dir: Das darf doch nicht wahr sein, was für eine scheiß Kiste ist denn das? Ich denke, so geht es Mick jetzt auch. Mir ging es so im Ensign. Das Wichtige ist, nicht zu verzweifeln, dass die anderen so viel schneller durch die Kurven fahren. Denn du kannst von außen ja nicht sehen, dass die mehr Anpressdruck haben, eine bessere Aufhängung und so weiter. Du musst mit dem Auto, das du hast, das Beste rausholen und nicht nervös werden, wenn ein Mercedes wie auf Schienen vorbeifährt.