Platzt der große Traum vom ersten Gold erneut? Der große Topfavorit Serbien wackelt bei der Basketball-EM. Die 90:95-Niederlage gegen die Türkei zeigte deutlich, dass Serbien doch nicht so übermächtig ist wie vor dem Turnier gedacht.
Basketball-EM: Topfavorit Serbien wankt völlig überraschend
Topfavorit gerät ins Wanken
Das Ziel der Serben ist ganz klar: Es soll die erste Goldmedaille bei einem großen Turnier geben. Dies gelang als eigenständiges Land bisher trotz der zahlreichen Top-Basketballer noch nie.
Und noch nie schienen die Chancen so groß wie vor dem Turnierstart. Mit Nikola Jokic läuft der aktuell beste Basketballspieler der Welt bei der EM für Serbien auf. Zudem kann Coach Svetislav Pesic auf gleich drei weitere NBA-Stars zurückgreifen. Mit Vasilije Micic gehört zudem ein Spieler zum Kader, der einst EuroLeague-MVP wurde und als bestbezahlter Spieler Europas aus der NBA zurückkehrte.
Wie stark der serbische Kader ist, zeigte er bei den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr. Dort musste sich die Mannschaft, die mit demselben Aufgebot bei der EM spielt, nur knapp den USA, die mit all ihren Stars am Start waren, geschlagen geben. Auch deshalb gilt der serbische Kader als einer der besten der EM-Geschichte.
Basketball-EM: Serbien hadert mit Verletzungspech
Entsprechend war das Bild vor dem Turnierstart klar: Der EM-Titel geht nur über Serbien. Doch dieser klare Favoritenstatus hat jetzt erste Risse bekommen.
Für große Probleme sorgt speziell das extreme Verletzungspech. Schon im ersten EM-Spiel verletzte sich mit Kapitän Bogdan Bogdanovic der wohl wichtigste Spieler hinter Superstar Jokic und fällt für das gesamte Turnier aus.
Der Star der Los Angeles Clippers gehört gerade in FIBA-Wettbewerben zu den besten Spielern der Welt. Bei den Olympischen Spielen 2024 erzielte er satte 18,3 Punkte im Schnitt. Mit Tristan Vukcevic fehlte zuletzt ein weiterer NBA-Star angeschlagen.
Gegen die Türkei kam es dann knüppeldick. Denn mit Aleksa Avramovic verletzte sich der Anführer des Teams an der Ferse. „Wenn man mit so viel Energie spielt, sind alle Spieler wichtig. Was uns aber am meisten Probleme bereitet hat, war Avramovics Fersenverletzung. Es ist sehr schmerzhaft“, sagte Trainer Pesic nach dem Spiel.
Hinter Jokic hat Serbien ein Scoring-Problem
Avramovic ist mit seiner unglaublichen Energie sowohl in der Defensive als auch in der Offensive extrem wichtig. Zudem ist er der emotionale Anführer des Teams. Während Jokic zwar mit Leistung, aber eher ruhig vorangeht, stachelt Avramovic regelmäßig die Fans und sein eigenes Team an.
Sollte der Point Guard länger ausfallen, könnte dies ein noch größeres Loch in die eh schon gebeutelte Hierarchie im serbischen Team reißen, denn hinter Jokic (20,2 Punkte im Schnitt) kommt im Scoring aktuell lange nichts.
„Wer sind die zweiten und dritten Spieler Serbiens bei der EuroBasket?“, titelte das serbische Sportportal Mozzart Sport zuletzt passend. Nur zwei Spieler scorten im Turnier im Schnitt überhaupt zweistellig (Nikola Jovic 11,4 Punkte und Filip Petrusev 10 Punkte im Schnitt) – Serbien hat aktuell ein echtes Vakuum hinter Jokic.
Das zeigt sich auch an den Statistiken von Jokic selbst. Der „Joker“, der eigentlich immer versucht, seine Mitspieler einzusetzen, kommt im Turnierverlauf bisher nur auf vier Assists pro Spiel. In der NBA waren es in der vergangenen Saison durchschnittlich 10,2.
Jokic merkt aktuell selbst, dass er sein Team in der Offensive alleine tragen muss. Das zeigt auch seine ungewöhnlich hohe Anzahl an Würfen. Gegen Lettland schloss er satte 26-mal ab und auch gegen die Türkei warf er 16-mal aus dem Feld.
Serbien auf hartem Weg: „Überall Dornen und Landminen“
Dieses Scoring-Vakuum muss Serbien schnellstens in den Griff bekommen, wenn es mit dem EM-Titel klappen soll. Denn durch die Niederlage gegen die Türkei wartet auf das Team jetzt ein deutlich schwierigerer Weg.
Schon im Achtelfinale geht es gegen Finnland, das mit NBA-Star Lauri Markkanen immer gefährlich ist. Danach geht es nur noch gegen absolute Kracher. Im Viertelfinale würde wohl Frankreich warten, im Halbfinale bei erwartbarem Verlauf Deutschland und im Finale erneut die Türkei oder Griechenland.
„Überall lauern Dornen und Landminen“, bilanzierte Mozzart Sport den Weg des eigenen Nationalteams: „Die Türken haben stattdessen eine Autobahn zur Ziellinie.“ Auf sie wartet nach dem Gruppensieg erst Schweden und dann Polen oder Bosnien und Herzegowina.
Auch wegen des kniffligen Weges rutschte Serbien im Powerranking der FIBA vom ersten auf den dritten Platz ab. Vorne liegen dort aktuell Deutschland und die Türkei.
Diese Statistik macht Serbien trotzdem Hoffnung
Trotzdem wird die Niederlage des Nationalteams gegen die Türkei nicht überall in Serbien negativ bewertet. Für die auflagenstärkste Sportzeitung Sportski zurnal ist diese sogar gut. „Serbien entkam dem Fluch mit einer Niederlage“, titelte sie.
Konkret geht es darum, dass im aktuellen Modus der EM (seit 2007) nur ein Team den EM-Titel gewinnen konnte, nachdem es in der Gruppenphase alle fünf Spiele gewonnen hatte. Dieses Kunststück gelang nur Slowenien 2019.
In Serbien hat man dagegen schlechte Erinnerungen an eine makellose Gruppenphase. Nach fünf Siegen in fünf Spielen bei der EM 2022 scheiterte die Mannschaft anschließend krachend im Achtelfinale.
„Wenn man der Tradition Glauben schenken darf, entgehen wir dem Fluch“, schrieb Sportski zurnal weiter. Mit großem Optimismus stehen die Chancen auf einen serbischen EM-Titel also doch noch sehr gut. Das Team ist aber definitiv nicht so überlegen wie viele erwartet hatten.