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Drohen Deutschland schwierige Zeiten?

Drohen schwierige Zeiten?

Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft verpasst erstmals seit 2018 das Viertelfinale bei der WM. Im Gespräch mit SPORT1 ordnet DEB-Legende Christoph Ullmann das Aus ein und blickt auf die Zukunft des deutschen Eishockeys.
Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft verpasste das WM-Viertelfinale
Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft verpasste das WM-Viertelfinale
© IMAGO/Ritzau Scanpix
Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft verpasst erstmals seit 2018 das Viertelfinale bei der WM. Im Gespräch mit SPORT1 ordnet DEB-Legende Christoph Ullmann das Aus ein und blickt auf die Zukunft des deutschen Eishockeys.

Viel bitterer kann ein Ausscheiden fast nicht sein! Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft unterlag Gastgeber Dänemark mit 1:2 nach Penaltyschießen und verpasste so das Viertelfinale bei der Eishockey-WM.

Trotz geballter NHL-Starpower um Moritz Seider und Tim Stützle konnte das deutsche Team im Turnier nie wirklich voll überzeugen. Gegen die drei Gruppenfavoriten USA, Schweiz und Tschechien war man chancenlos. Die nicht unverdiente Niederlage gegen Außenseiter Dänemark besiegelte schließlich, dass Deutschland erstmals seit 2018 nicht unter den besten Acht steht.

„Aus deutscher Sicht ist es sehr schade, weil man sich in den vergangenen Jahren eine wahnsinnige Euphorie mit toller Stimmung rund um das Team, wo wirklich jeder wieder Fan der Eishockey-Nationalmannschaft geworden ist, aufgebaut hatte“, bilanziert Ex-Nationalspieler Christoph Ullmann im Gespräch mit SPORT1.

Die Weltmeisterschaft war eine verpasste Chance, darauf weiter aufzubauen. Mit den Olympischen Spielen 2026, wo erstmals seit 2014 wieder alle NHL-Spieler am Start sind, und der Heim-WM 2027 warten absolute Highlights. Doch statt Euphorie fürchten viele Fans gerade eine schwierige Zukunft für das deutsche Eishockey.

Aus wegen Spielplan? „Ich finde nicht, dass eine Mannschaft einen Vorteil hatte“

Fest steht: In diesem Turnier wäre definitiv mehr drin gewesen. Doch gegen Dänemark gelang es nie, die eigene Qualität voll aufs Eis zu bekommen.

„Am Ende waren die Dänen vielleicht 51 zu 49 Prozent besser, was auch dem Momentum geschuldet war“, findet Ullmann: „Die Dänen haben sich nach dem schwachen Start von Spiel zu Spiel gesteigert und hatten gestern einfach die breitere Brust.“

Eben jene breite Brust holten sich die Dänen auch aufgrund der ungewöhnlichen Regel, dass der WM-Gastgeber beim Spielplan mitbestimmen darf. „Das spricht für die Cleverness der Dänen. Da haben sie nachträglich die richtige Entscheidung getroffen“, meint Ullmann.

Die Dänen hatten so zudem vor dem Entscheidungsspiel zwei Tage frei, während Deutschland noch am Vortag spielen musste. Für Ullmann keine Ausrede: „Es ist eigentlich auch egal, ob man einen Tag mehr Pause hat. Ich als Sportler habe immer lieber gespielt als trainiert. Ich finde nicht, dass da eine Mannschaft einen Vorteil hatte.“

Schiri-Ärger? Für Ullmann kein Thema

Aufregung gab es bei vielen Eishockey-Fans auch über die Schiedsrichterleistung. In der Schlussphase gab es viele strittige Aktionen und kleinere Stock-Fouls der Dänen - ein Pfiff blieb aus.

Geht es nach Ullmann, war die Linie der Schiedsrichter aber völlig in Ordnung: „Ich als ehemaliger Spieler bin auch ein Fan davon, die Mannschaften das Spiel idealerweise im Fünf-gegen-fünf entscheiden zu lassen und nicht zu kleinlich zu pfeifen.“

Das sahen auch die Schiedsrichter selbst so und ließen in der Schlussphase des Spiels viele strittige Situationen laufen.

Ob das DEB-Team eines der vermeintlichen Überzahlspiele genutzt hätte, bleibt eh zweifelhaft. Die Offensive und auch das Powerplay waren eine der großen Schwachstellen im Turnier. Auch gegen die Dänen verpasste das deutsche Team zahlreiche Möglichkeiten.

Ullmann nimmt Seider und Stützle in Schutz

Deutschland erzielte zwar in sieben Spielen immerhin 20 Tore, allerdings 15 davon gegen die Underdogs Ungarn, Kasachstan und Norwegen. In den übrigen Spielen hatte das Team Ladehemmung. Stellvertretend dafür stehen gerade die NHL-Stars Stützle und Seider, die im gesamten Turnier zusammen nur auf drei Vorlagen und keinen eigenen Treffer kamen.

„Es ist sehr frustrierend. Wenn ich es nicht auf die Kette kriege, irgendwann ein Tor zu schießen, kann man kein Spiel gewinnen“, ärgerte sich Stützle nach dem Spiel bei MagentaSport. Der Stürmer der Ottawa Senators war überragend ins Turnier gestartet, anschließend aber an keinem Treffer mehr beteiligt.

DEB-Legende Ullmann nahm die beiden Stars trotz des durchwachsenen Turniers in Schutz: „Man muss auch mal schauen, wie alt die beiden sind. Du kannst nicht den Erfolg von ganz Eishockey-Deutschland nur in die Hände von zwei ganz jungen Burschen legen.“

Vielmehr sei es schön, dass die beiden nach einer langen und kräftezehrenden NHL-Saison überhaupt zur Verfügung stehen würden. „Das ist ganz, ganz groß“, findet Ullmann.

Kapitän Seider? „War absolute Top-Besetzung“

Die Verantwortung für das bittere Aus liegt seiner Meinung nach auch ganz klar beim Team: „Auf keinem Niveau kann sich ein Spieler hinten den Puck nehmen und allein durchmarschieren.“

„Es ist absolut deplatziert, von den Jungs jetzt Wunderdinge zu erwarten. Die werden in den kommenden Jahren noch deutlich stärker werden aufgrund ihrer Erfahrung in der NHL“, prognostiziert Ullmann.

Zumindest vorsichtige Kritik gab es auch an Mannschaftskapitän Seider, der bei der WM nicht an seine Gala-Auftritte aus den Vorjahren anknüpfen konnte.

Stimmen, die glauben, dass Seiders Leistungseinbruch mit der Rolle des Kapitäns und dem damit verbundenen größeren Druck zu tun habe, schmetterte der ehemalige Nationalspieler ab: „Das war eine absolute Top-Besetzung! Dass ein Moritz Seider die Mannschaft als Kapitän aufs Eis führt, ist aus meiner Sicht absolut die richtige Wahl.“

Droht Absturz ins Mittelmaß? „Muss man die Kirche im Dorf lassen“

Zur Wahrheit gehört trotzdem, dass das deutsche Team erstmals seit 2018 das Viertelfinale verpasst hat und somit zumindest in diesem Jahr nicht mehr zur Weltspitze gehört.

Einen dauerhaften Absturz zurück ins Mittelfeld fürchtet Ullmann aber nicht: „Nein! Da muss man echt die Kirche im Dorf lassen. 2023 (Anm. d. Red.: Deutschland holte Silber) war ein Turnier, wo die Mannschaft sensationell gespielt hat. Das heißt aber noch lange nicht, dass man dauerhaft in der Weltspitze ist.“

Dass Deutschland in jedem Jahr mit den absoluten Top-Nationen wie Kanada oder Schweden mithalten könne, sei utopisch: „Da müssen wir definitiv vorsichtig sein. Wenn alles super zusammenläuft, können wir mal wieder in Richtung Halbfinale schielen. Wenn wir das als Mindestvorgabe ausgeben, tun wir uns keinen Gefallen, weil wir einen Druck aufbauen, dem wir nicht gerecht werden können.“

Ullmann sieht große deutsche Zukunft: „Können begeistern“

Für die kommenden Turniere sollte aber zumindest das Viertelfinale das Ziel sein, fordert der ehemalige Nationalspieler: „Sonst machen wir uns einfach zu klein.“

Deutschland hätte es geschafft, sich in den vergangenen Jahren unter den dauerhaften Anwärtern auf die Top Acht etabliert. „Deswegen war das Verpassen des Viertelfinales in diesem Jahr auch für mich nur ein kleiner Ausrutscher.“ Es sei wichtig, dass das Team aus seinen Fehlern lernt, dann könnte das Aus für die Zukunft sogar noch positiv sein.

„Eishockey-Deutschland ist auf einem sehr, sehr guten Weg und macht einfach Spaß“, unterstreicht Ullmann trotz der enttäuschenden WM: „Ich bleibe zu 100 Prozent positiv, dass wir in Zukunft wieder begeistern können.“