Das fünfte Jahr in der zweiten Liga. Eigentlich wollte der Hamburger SV seine Aufmerksamkeit ganz dem Bundesliga-Aufstieg widmen.
Machtkampf beim HSV eskaliert
Doch nach einem schmeichelhaften Sieg zum Saisonauftakt und einer Heimniederlage gegen Hansa Rostock herrscht nicht nur aus sportlicher Sicht wieder einmal Unruhe an der Elbe. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)
Auch aus der Führungsriege sind Spannungen, die ausgerechnet in der Woche nach dem Tod von Uwe Seeler eskalieren, zu vernehmen.
Der Grund: Sportdirektor Michael Mutzel ging kürzlich gegen die HSV AG vor, da er von Sportvorstand Jonas Boldt erst beurlaubt und dann Mitte Juli freigestellt worden war. Zu Unrecht, wie das Hamburger Amtsgericht nun am Dienstag mitteilte. Der HSV muss Mutzel künftig weiter beschäftigen und kann gegen die Entscheidung beim Landesarbeitsgericht Hamburg Berufung einlegen. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)
HSV-Machtkampf: Verhärtete Fronten zwischen Boldt und Mutzel
Der Freistellung des Sportdirektors war eine massive öffentliche Kritik von Boldt vorausgegangen. „Michael funktioniert in einer Führungsrolle rund um die Mannschaft nicht“, hatte der Sportvorstand Anfang Juni in einer Medienrunde klargestellt.
In der Folge wurde Mutzel der Kontakt zum Team verwehrt. Vor allem Vorstandskollege Dr. Thomas Wüstefeld missbilligte die Entscheidung von Boldt. Das jüngst erfolgte gerichtliche Urteil vertieft die Risse zwischen den Parteien.
Bereits zuvor lag die Beziehung zwischen Boldt und Wüstefeld im Argen. Der Sportvorstand hatte neben seiner Mutzel-Kritik auch gegen den Finanzvorstand geschossen: „Michael Mutzel und ich haben zweieinhalb Jahre gut zusammengearbeitet, bis es Anfang des Jahres zum Wechsel im Vorstand kam.“
Genauer gesagt fand das Theater im Dezember 2021 seinen Ursprung, als der Medizinunternehmer Wüstefeld beim HSV als Anteilseigner eingestiegen war und es dann vom Aufsichtsrat zum Vorstand brachte. (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)
Walter fordert Geld für Transfers - Aufsichtsrat verhängt Ausgabenstopp
Vor Gericht führte Boldt unlängst an, dass Mutzel zu Wüstefeld „übergelaufen“ sei, um sich unter anderem für die Absetzung Boldts einzusetzen und um sich selbst als dessen Nachfolger ins Spiel zu bringen. Zudem soll sich der Sportvorstand bei Transferfragen übergangen gefühlt haben.
Vergrößert werden die Gräben in der Führungsetage indirekt auch durch Tim Walter. Der HSV-Coach hatte zum Wochenstart weiteres Geld für Neuverpflichtungen gefordert - doch der HSV-Aufsichtsrat verhängte jüngst einen Ausgabenstopp.
Dabei hatte Finanzchef Wüstefeld laut Boldt ursprünglich ein Transferbudget von zehn bis 15 Millionen Euro zugesichert. „Das Geld gibt es bis heute ebenfalls nicht“, gab der Sportvorstand vor Gericht zu Protokoll.
Zusätzlich hatte Walter schon zum Start der Saisonvorbereitung durchblicken lassen, dass er eine Vertragsverlängerung bei den Hanseaten ganz konkret an ein neues Arbeitspapier für Boldt knüpfen würde.
HSV-Präsident Jansen hält sich zurück
Somit stehen sich in Hamburg derzeit Sportvorstand und Trainer auf der einen Seite und Wüstefeld und Mutzel auf der anderen Seite gegenüber.
Und zu welcher Fraktion zählt HSV-Präsident Marcell Jansen? Der ehemalige Profi, dem eine Nähe zu Wüstefeld nachgesagt wird, hatte sich bislang in der Öffentlichkeit zurückgehalten und den Machtkampf zwischen Boldt und Wüstefeld als „eine Diskussion der Medien, wie so oft in Hamburg“ abgestempelt.
Allerdings ist spätestens seit dem Urteil vom Dienstag klar, dass nicht die Journalisten für die Unruhe auf Führungsebene verantwortlich sind, sondern die handelnden Akteure beim HSV.
Hat die sportliche Leitung das Nachsehen?
Durch die Weiterbeschäftigung von Mutzel dürften die entstandenen Risse zunehmend irreparabel werden. So steht über der Zukunft von Boldt, dessen Vertrag 2023 ausläuft, ein großes Fragezeichen.
Sollten sich weitere sportliche Misserfolge ansammeln, hätte das Wüstefeld-Lager einen einfachen Grund, sich von der sportlichen Leitung um Boldt - und möglicherweise auch von Walter - zu trennen.
Ganz gleich, wer den Machtkampf am Ende für sich entscheidet: Verlierer bleibt in jedem Fall wieder einmal der Hamburger Sportverein, der auf diese Weise nicht durch sportliche Glanztaten von sich reden macht.