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2. Liga: "In Nürnberg gab es immer Ausreden" - Club-Legende Eckstein wird deutlich

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2. Liga: "In Nürnberg gab es immer Ausreden" - Club-Legende Eckstein wird deutlich

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„In Nürnberg gab es immer Ausreden“

Dieter Eckstein galt jahrelang als Aushängeschild des 1. FC Nürnberg. Im SPORT1-Interview spricht der 58-Jährige über seinen Verein - und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.
Der FC St. Pauli hat erstmals in dieser Zweitliga-Saison ein Auswärtsspiel gewonnen. Die Hamburger setzten sich dank ihrer Effizienz beim zu harmlosen 1. FC Nürnberg mit 1:0 knapp durch.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Dieter Eckstein ist eine Legende beim 1. FC Nürnberg. Er spielte insgesamt acht Jahre für den Verein und wurde bei den Franken zum Nationalspieler. Heute arbeitet der 58-Jährige in Traunstein in einem Sportgeschäft.

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Seinen Club hat er all die Jahre nie aus den Augen verloren. Vor dem Frankenderby zwischen Greuther Fürth und dem FCN (2. Bundesliga: Greuther Fürth - 1. FC Nürnberg, Sa., 20.30 Uhr im LIVETICKER) geht Eckstein im SPORT1-Interview mit seinem Herzensverein hart ins Gericht.

SPORT1: Herr Eckstein, schauen Sie sich das 270. Frankenderby an?

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Dieter Eckstein: Auf jeden Fall. Wenn ich Zeit habe, sitze ich bei Spielen des Clubs immer vorm Fernseher oder bin im Stadion. Aber es macht keinen Spaß mehr.

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SPORT1: Wie bitte?

Eckstein: Ich sage es ganz ehrlich. Das hat doch mit Fußball nicht mehr viel zu tun, was der Club da abliefert. Ich habe zuletzt wieder den Spruch gehört ‚Es gibt keinen Trainer, der diese Truppe trainieren kann‘. Das stimmt. Die Jungs strengen sich an, das ist alles okay, aber zuletzt gegen St. Pauli habe ich nicht wirklich ein Konzept gesehen. Da wurde jeder zweite, dritte Ball nur lang nach vorne geklotzt. Das war Wahnsinn. Ich hoffe so sehr, dass es im Derby besser wird.

Eckstein sieht „Chance auf Wiedergutmachung“

SPORT1: Nach dem verpatzten Rückrundenstart gegen die Kiezkicker stellt sich die Frage: Ist das Derby Chance und Risiko zugleich?

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Eckstein: Es ist auf jeden Fall die Chance auf Wiedergutmachung. Die Jungs sollen sich zusammenreißen. Das Schlimmste für einen Club-Fan ist, wenn gegen Fürth verloren wird. Das ist noch schlimmer als eine Niederlage gegen die Bayern. Die Fürther haben eine ganz gute Mannschaft, aber der Club soll bitte irgendwie aus dem Quark kommen. Ein einstelliger Tabellenplatz muss doch drin sein. (DATEN: Ergebnisse der 2. Bundesliga)

Dieter Eckstein (r.) mit SPORT1-Reporter Reinhard Franke
Dieter Eckstein (r.) mit SPORT1-Reporter Reinhard Franke

SPORT1: Nach der Heimniederlage gegen St. Pauli gab es von den treuesten Club-Fans keine Reaktion, als die Mannschaft vor die Kurve trottete. Ist das ein gefährlicher Zustand?

Eckstein: Das ist natürlich gefährlich. Der Club-Fan ist sehr verwöhnt. Zuletzt waren wieder über 30.000 Zuschauer im Stadion. Man darf die Zuschauer nicht weiter enttäuschen. Die Anhänger sind sehr geduldig, aber irgendwann reißt der Geduldsfaden. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)

„Die Spieler müssen sich für den Club zerreißen“

SPORT1: Mit Verlaub, aber groß verwöhnt wurden die Fans in der Vergangenheit mit tollen Leistungen nicht.

Eckstein: Okay, das stimmt. Sehr verwöhnt wurden die Fans nicht, aber sie sind geduldig und das wundert mich. Wer im Max-Morlock-Stadion mit diesen Fans im Rücken einmal Fußball gespielt hat, der muss auf dem Platz einfach anders auftreten. Die Spieler müssen sich für den Club zerreißen. Das sehe ich schon länger nicht mehr.

SPORT1: Sie haben insgesamt acht Jahre für den FCN gespielt. Was war das Besondere an dieser Zeit?

Eckstein: Bei uns gab es Kameradschaft, Kampfeswille und Herz, das wir alle am richtigen Fleck hatten. Wir haben für den Verein immer alles gegeben. Für mich ist es in den vergangenen Jahren so traurig zu sehen: Keiner hängt mehr mit Herzblut am Club. Das tut mir in der Seele weh. Da laufen 19, 20-Jährige auf dem Platz herum, denen man fast noch den Einwurf beibringen muss. Die küssen das Wappen vom Club und zwei Jahre später sind sie weg. Das ist so traurig.

„In Nürnberg gab es immer Ausreden“

SPORT1: Lügt man sich beim Club in der Vergangenheit nicht in die eigene Tasche?

Eckstein: Ganz gewaltig. Vieles wird beim Club schön geredet. Unter Robert Klauß (der Trainer vor Weinzierl, d. Red.) wurden nach einigen Niederlagen zwei Spiele gewonnen, dann herrschte wieder Friede, Freude, Eierkuchen. Es plätscherte so dahin. In Nürnberg gab es immer Ausreden.

SPORT1: Das sind deutliche Worte. Warum zeigt keiner mehr Herzblut für den Verein?

Eckstein: Viele bekommen kein Angebot von einem Verein, dann wechseln sie zum 1. FC Nürnberg. Hier kann man gutes Geld verdienen, aber ich vermisse die Leidenschaft für den Club. Wie viele Spieler kamen in den zurückliegenden Jahren nach Nürnberg und sind wieder weg?

SPORT1: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Eckstein: Ja. Robin Hack. Er hat nach jedem Tor das Trikot geküsst. Dann bekam er 2021 ein besseres Angebot von Arminia Bielefeld und wechselte dorthin. Viele Spieler in Nürnberg schauen am Ende des Monats auf das Konto, auf dem Rasen aber können sie nicht mal den Ball stoppen. (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)

Weinzierls Bilanz? „Erschütternd!“

SPORT1: Was halten Sie von Trainer Markus Weinzierl? Seine Bilanz liest sich nicht gut: Drei Heimniederlagen, drei Remis und nur zwei Siege.

Eckstein: Erschütternd! Markus ist ein lieber Kerl, wir kennen uns, er tut mir am meisten leid. Der 1. FC Nürnberg war zu Hause immer eine Macht. Zu meiner Zeit hat sich jede Mannschaft in die Hose gemacht, wenn sie nach Nürnberg kam. Heute rechnet jeder Gastverein mit einem oder drei Punkten. Die Truppe ist auch zu ruhig. Da fehlt jemand wie früher der Köpi.

SPORT1: Andreas Köpke?

Eckstein: Ja. Wenn wir ein Spiel zu Hause verloren haben, kam er in die Kabine und da wusste jeder, was los war. Köpi hat damals einfach mal einen Schrei losgelassen. Früher hat jeder jeden zusammengefaltet und beim nächsten Spiel stand eine andere Mannschaft auf dem Platz.

SPORT1: Fehlt es an Führungsspielern? Der Letzte war Raphael Schäfer.

Eckstein: Das stimmt. Er hat die jungen Spieler auch mal zusammengestaucht. Es kann nicht sein, dass Fabian Nürnberger gegen Ende des Pauli-Spiels beim Stand von 0:1 versucht einen Hacken-Trick zu machen. Da fasse ich mir an den Kopf. Das funktioniert einfach nicht.

SPORT1: Weinzierl wollte den Neustart 2023 mit Elan angehen. Ist schon wieder alles verpufft?

Eckstein: Markus will sicher das Beste aus dieser Mannschaft rausholen. Aber er kann auch nur mit den Spielern arbeiten, die er zur Verfügung hat. Und der Kader ist leider echt mau.

Eckstein wünscht sich „eine Mischung aus Magath, Klopp und Tuchel“

SPORT1: Also sind Sportvorstand Dieter Hecking und Sportdirektor Olaf Rebbe für die missliche Lage verantwortlich?

Eckstein: Der Club schwimmt nicht im Geld. Man muss die Spieler nehmen beziehungsweise sich anschauen, die auf dem Markt sind und angeboten werden. Man muss jetzt die nächsten fünf, sechs Spiele abwarten, wie sich das Team dann präsentiert. Wenn es bis dahin nicht viel besser wird, kann es für Markus eng werden. Hecking macht gar keinen so schlechten Job und er versucht, finanziell das rauszuholen, was beim Club möglich ist.

SPORT1: Und Rebbe?

Eckstein: Er wurde ins kalte Wasser geworfen. Ich würde mir wünschen, dass ein Ruck durch die Mannschaft geht. Die Spieler sollen zeigen, dass sie für den FCN Fußball spielen und nicht für Zirndorf oder Fischbach.

SPORT1: Hätten Sie auch Weinzierl geholt? Oder wer wäre Ihr Wunschtrainer?

Eckstein: Eine Mischung aus Magath, Klopp und Tuchel. Es war ja nichts Gescheites auf dem Markt. Es gibt Vereins-Bosse, die holen einen Trainer und er hat Erfolg, weil er die Mannschaft dazu hat. Die Verantwortlichen beim Club haben Markus geholt, der zu dem Zeitpunkt, als er kam, eine Truppe hatte, die gerade mal Regionalliga-tauglich war. Er musste eine Mannschaft formen, die oben in der 2. Liga mitspielen kann.

Er hat keine leichte Aufgabe übernommen. Viele hätten Felix Magath gewollt, aber der geht gar nicht. Man muss Markus etwas Zeit geben. Wenn es in den nächsten Wochen nicht funktionieren sollte, dann muss man wieder die Trainerfrage stellen. Ich hoffe aber, dass er es schafft. Hans Meyer (wurde 2007 mit dem Club Pokalsieger, d. Red.) hat leider seine Trainerkarriere beendet. (lacht)

SPORT1: Wenn das Derby verloren wird, dürfte es beim Club ungemütlich werden, oder?

Eckstein: Davon kann man ausgehen. Aber daran will ich gar nicht denken. Ich hoffe auf eine bessere Leistung als gegen St. Pauli. Eine Niederlage gegen Fürth wäre richtig hart für die Fans. Es muss Ruhe einkehren.

SPORT1: Johannes Geis hat gesagt: „Jetzt ist es an der Zeit, auch mal etwas zurückgeben“. Was halten Sie von solchen Aussagen?

Eckstein: Das kannst du fast nicht mehr ernst nehmen. Ich kann auch die Interviews nach den Spielen nicht mehr hören. Da wird immer gesagt, dass alles besser wird. Die Leistung muss auf dem Platz gezeigt werden. Und die wird nunmal nicht gebracht. Dann reicht es für diese 2. Liga nicht.

SPORT1: Letzte Frage: An welches Frankenderby erinnern Sie sich besonders gern?

Eckstein: Es gab mal ein starkes Derby, das war ein Vorbereitungsspiel im alten Ronhof in Fürth. Da kamen 10.000 Zuschauer, es war hitzig und wir haben 2:2 gespielt. Das war eine heiße Schlacht für einen guten Zweck. Dieses Derby habe ich bis heute am liebsten. Der Club ist mein Leben.

Ich bin mit dem Verein aufgestiegen, habe mit dem FCN Europapokal gespielt und wurde dort Nationalspieler, der erste vom Club nach Max Morlock. Aus familiären Gründen (Tod des Sohnes, d. Red.) wechselte ich damals zu Eintracht Frankfurt. Das waren zwei schöne Jahre. Danach bin ich wieder zurück zum Club. Die acht Jahre in Nürnberg waren die beste Zeit in meiner Karriere.