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War Urbig nur ein Bauernopfer?

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War Urbig nur ein Bauernopfer?

Der 1. FC Köln hat mit Jonas Urbig nicht nur eines der vielversprechendsten Torwarttalente Deutschlands, sondern auch das nächste talentierte Eigengewächs abgegeben. Clever, die Millionen-Ablöse einzustreichen - oder doch wieder ein falsches Signal?
Der FC Bayern München hat Jonas Urbig vom 1. FC Köln verpflichtet. Sieben Millionen Euro lassen sich die Münchner die Dienste des U21-Nationalkeepers kosten. Investiert der Rekordmeister hier in einen potenziellen Nachfolger von Manuel Neuer?
Der 1. FC Köln hat mit Jonas Urbig nicht nur eines der vielversprechendsten Torwarttalente Deutschlands, sondern auch das nächste talentierte Eigengewächs abgegeben. Clever, die Millionen-Ablöse einzustreichen - oder doch wieder ein falsches Signal?

Überraschend kam es am Ende nicht mehr, was der FC Bayern am vergangenen Montag um 19:30 Uhr auf seiner Website offiziell bekannt gab: Die Münchner verpflichteten den hoch talentierten Kölner Torhüter Jonas Urbig - in den Tagen zuvor zeichnete sich dieser Deal bereits ab. Medienberichten zufolge legte der Rekordmeister dafür eine Ablöse von sieben Millionen Euro auf den Tisch, die sich durch Bonuszahlungen auf bis zu zehn Millionen Euro erhöhen kann. Eine stattliche Investition in einen noch jungen Mann, den Paderborns Trainer Lukas Kwasniok vor geraumer Zeit als zukünftigen Nationaltorwart adelte.

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Gleichwohl eine nette Einnahmequelle für den „Effzeh“. Urbig, der seit 2012 das Trikot der Rheinländer trug und den gesamten Nachwuchs durchlaufen hat, stieg so zum teuersten Zweitliga-Torhüter aller Zeiten auf und sorgte für eine beachtliche Rekord-Ablöse - obwohl er lediglich elf Pflichtspiele für die Profimannschaft bestritt. Der sonst eher kritisierte Geschäftsführer Christian Keller erntete deswegen teils ungewohnt viel Lob. „Masterclass“, schrieb einer der User trocken auf Instagram. Ein anderer Kommentar lautete: „Ausnahmsweise muss man auch mal sagen: geiler Job, Dr. Keller!“

Doch in die Lobhudeleien mischten sich auch negative Stimmen, weil ein hausgemachtes Problem wieder hochkochte. „Für mich ist das einer der Top-5-Fehler in der Geschichte des FC“, formulierte es ein Fan drastisch. Der Hintergrund: In den vergangenen Jahren bildeten die Kölner viele Nachwuchskräfte für die Kader dieses Kontinents aus - nur eben selten für den eigenen. Dass die Basis stimmt, der Ertrag aber nicht, zeigte sich immer dann besonders deutlich, wenn abgewanderte Eigengewächse plötzlich anderswo für Furore sorgten. Jungs wie Florian Wirtz (Bayer Leverkusen), Yann Aurel Bisseck (Inter Mailand) oder Chris Führich (VfB Stuttgart).

Urbig zu Bayern: „Das Bestmögliche herausgeholt“

Eine Tendenz, die sich nicht von der Hand weisen lässt - und Fragen aufwirft. Ist der Fall Urbig letztlich also doch nur ein neuerlicher Beleg dafür, dass es die Domstädter viel zu oft versäumen, ihren Talenten eine adäquate Perspektive im Profikader zu bieten? Zumindest sieht so ein Teil der Wahrheit aus, sagte Marc L. Merten, der seit 2015 für GEISSBLOG arbeitet und den Verein aus nächster Nähe begleitet. „Zum heutigen Zeitpunkt hat der ‚Effzeh‘ das Bestmögliche aus der Urbig-Geschichte herausgeholt - ich würde aber vorausschicken, dass zwei entscheidende Fehler begangen wurden, die überhaupt erst zu diesem Wechsel geführt haben“, schilderte er gegenüber SPORT1.

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Zur Erinnerung: Marvin Schwäbe, langjähriger Platzhirsch zwischen den Pfosten mit Erstliga-Format, sollte nach dem Abstieg im Sommer eigentlich gewinnbringend verkauft werden. Deshalb legte sich der Klub frühzeitig auf Top-Talent Urbig als neue Nummer eins fest. Der 21-Jährige war in der Vorsaison an Greuther Fürth ausgeliehen und kehrte eigens dafür in die Domstadt zurück - doch der zunächst gut und schlüssig wirkende Plan hatte einen großen Haken. Es wollte sich einfach kein Abnehmer finden, der Schwäbes immerhin 4,5 Millionen Euro teure Ausstiegsklausel zahlte, so musste er als Back-Up hinter Urbig in die Saison starten.

Urbig das Vertrauen zu schenken, sei „konsequent und richtig“ gewesen, erklärte Merten, die Kölner hätten aber „alles daran setzen müssen“, Schwäbe abzugeben. Bekanntlich passierte das nicht. „So saß ihm die alte Nummer eins, die innerhalb des Teams dazu noch sehr beliebt ist, in schwierigen Phasen im Nacken“, fügte der Journalist hinzu. Und schließlich kam es, wie es kommen musste: In der ersten Krise, als es Ende Oktober überhaupt nicht mehr lief und die Rheinländer auf Rang zwölf abrutschten, knallte es. Neben einer Umstellung der Formation - in der Abwehr ließ Trainer Gerhard Struber fortan mit Dreier- statt Viererkette agieren - traf es dabei den jungen Torhüter.

Urbig war “Bauernopfer”

Ohne dass sich der gebürtige Euskirchener etwas zu Schulden kommen ließ, musste er seinen Platz wieder räumen. Mit dem Torwartwechsel hatte die anschließende Aufholjagd allerdings wenig zu tun. „Wenn man sich die Zahlen anschaut, hat Schwäbe sehr von der Systemumstellung profitiert“, zeigte Merten auf. Der gegnerische Expected-Goals-Wert habe mit Urbig und der Viererkette im Schnitt bei 1,5, mit Schwäbe und der Dreierkette nur bei 0,77 gelegen. „Wie torgefährlich die gegnerische Mannschaft ist, hat aber nicht mit dem Keeper zu tun, sondern mit der Abwehr. Schwäbe musste in den letzten Wochen viel weniger und viel harmlosere Schüsse halten als Urbig.“

Für Merten steht daher außer Frage: „Der Torhüter, der das Vertrauen bekam, hätte eine Chance erhalten müssen, mit neuer Formation die Wende herbeizuführen - so aber wurde er zum Bauernopfer der zwischenzeitlichen Krise gemacht.“ Mit dem Rücktausch von Urbig zu Schwäbe sei zudem klar gewesen, „dass Urbigs Zeit in Köln abgelaufen war“ - und er sich in eine wenig erfreuliche Reihe einsortieren würde. Nach den bereits erwähnten Wirtz, Bisseck und Führich gingen mit Justin Diehl (VfB Stuttgart) und Tim Lemperle (Wechsel zur TSG Hoffenheim im Sommer) zwei weitere hoffnungsvolle Eigengewächse verloren. Das zu allem Ärger auch noch ablösefrei.

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Somit hatte der „Effzeh“ diesmal Glück im Unglück. „Der Urbig-Deal mit dieser hohen Ablösesumme war eine Ausnahme - für diese schlechten Voraussetzungen, in die man sich selbst gebracht hat, sogar der Best-Case“, gab Merten zu verstehen. „Die große Frage für die Zukunft ist: Schafft es der Klub jetzt besser, die eigenen Talente langfristiger zu binden? In der Vergangenheit hat es der Verein versäumt, mit seinen Talenten vorzeitig und langfristig zu verlängern. Dafür muss man ihnen aber mehr zahlen, als sie aufgrund ihrer bisherigen Leistungen verdient hätten. Bei Talenten muss ein Klub in das Potenzial investieren - und da zögert Köln bisher zu lange“.

Für wen entwickelt Köln eigentlich?

Manchmal sogar viel zu lange. Bisseck sagte einmal, er habe sich deswegen „nicht gewollt gefühlt“. Auch Wirtz und Diehl fehlten wie jetzt Urbig die Perspektive. Ähnlich könnte es bald Max Finkgräfe ergehen, der vergangene Saison als Shootingstar der Geißböcke gefeiert und von einigen Experten schon als Nachfolger von Jonas Hector oder dem Nationalteam in Verbindung gebracht wurde. Mit nur zwei Startelf-Einsätzen in der Liga verläuft dieses Jahr für ihn aber alles andere als zufriedenstellend. Meiko Wäschenbach, ein weiteres Talent, wechselte mangels Spielpraxis zum Karlsruher SC.

Dass der Klub in der vergangenen Länderspielpause die meisten U21- und U20-Nationalspieler ganz Deutschlands stellte (Jonas Urbig, Jan Thielmann, Eric Martel, Finkgräfe, Damion Downs und Julian Pauli), ist eine Auszeichnung, die selbstverständlich für eine hervorragende Nachwuchsarbeit spricht. Umso größer aber ist immer wieder die Verwunderung, wenn junge Spieler für wenig Geld verpflichtet oder aus der eigenen Jugend hochgezogen werden, daraus jedoch kein langfristiger sportlicher Nutzen und auch keine hohen Transfererlöse entstehen.

„Bei aller Talentförderung geht es darum, einen guten Mix zu finden - die Talente auf den Platz zu bringen, sie dann allerdings auch mal gewinnbringend zu verkaufen. Wie das geht, sieht man bei vielen anderen Vereinen. Der ‚Effzeh‘ hat im Gegensatz dazu in den letzten Jahren kaum Einnahmen erzielt und steckte auch deshalb lange in einer finanziell schwierigen Situation“, betonte Merten. Immerhin: „Die Transfersperre hat einigen Talenten geholfen, in dieser Saison mehr zum Einsatz zu kommen - zum Beispiel Downs und Pauli.“ Nun gelte es, dauerhaft von diesen Jungs zu profitieren. Dann trifft die Bezeichnung „Masterclass“ auf Kellers Arbeit auch wirklich zu.