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Ernst Huberty ist tot: Das Vermächtnis der TV-Ikone ist größer, als viele ahnen

Das deutsche TV verliert eine Ikone

Ernst Huberty war nicht nur „Mister Sportschau“, er prägte auch das moderne Sportfernsehen und seine Gesichter mehr als viele ahnen.
Ernst Huberty (r.) und Franz Beckenbauer zu gemeinsamen Premiere-Zeiten
Ernst Huberty (r.) und Franz Beckenbauer zu gemeinsamen Premiere-Zeiten
© Imago
Ernst Huberty war nicht nur „Mister Sportschau“, er prägte auch das moderne Sportfernsehen und seine Gesichter mehr als viele ahnen.

Sein Name ist mit der Geschichte des deutschen Fernsehsports verknüpft wie kaum ein anderer.

„Mr. Sportschau“ nannten sie ihn, Ernst Huberty war über viele Jahrzehnte hinweg das Gesicht der legendären Institution der ARD. So bekannt wie einst Rudi Carrell oder andere Moderatoren und Showmaster vergangener Zeiten: Hans-Joachim Kulenkampff, Peter Frankenfeld, Robert Lembke.

Am Montag ist der Mann mit dem adretten Scheitel im Alter von 96 Jahren verstorben - kurz nach Generationsgenosse Heinz-Florian Oertel, der in der DDR eine ähnlich bedeutsame Größe gewesen war. Das Vermächtnis, das Huberty auch der modernen Sport-Landschaft hinterlassen hat, ist dabei noch größer, als viele ahnen.

Huberty machte sich während und vor allem auch nach seiner ARD-Karriere als Lehrmeister vieler namhafter heutiger TV-Gesichter einen Namen. Auch SPORT1-Moderator Florian König ist von ihm geprägt.

Ernst Huberty: Florian König verneigt sich

„Er wer einer der feinsten Menschen die ich in meinem beruflichem Leben kennen lernen durfte“, erinnert sich der Gastgeber des STAHLWERK Doppelpass: „Ich habe ihm sehr viel zu verdanken, seine Schulungen haben mir den Weg gewiesen.“

Der späte Huberty wirkte bei Sat.1, wo mit der damaligen Bundesliga-Show „Ran“ in den Neunzigern eine neue Generation von Star-Moderatoren heranwuchs. Bei Premiere, dem Vorläufer von Sky. Huberty kommentierte dort auch selbst noch, unter anderem mit Franz Beckenbauer.

Berühmte Schützlinge waren Reinhold Beckmann, Johannes B. Kerner, Oliver Welke, Monica Lierhaus, Rollo Fuhrmann, Wolff Fuss. Sie und viele andere schwärmen in höchsten Tönen von ihrem legendären Mentor.

Vor allem auch seinen berühmten Sinn für sprachliche Präzision gab Huberty weiter. „Ist die lange Ecke tatsächlich länger als die kurze?“, lautete eine rhetorische Frage, an die sich Wolff Fuss bei Twitter erinnert - wie auch an Hubertys weisen Rat: „Sie müssen mit 23 noch nicht reden wie mit 50!“

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21 Jahre lang „Mister Sportschau“ bei der ARD

Huberty, geboren am 22. Februar 1927 und im 2. Weltkrieg noch als jugendlicher Flakhelfer eingesetzt, wollte eigentlich ins Feuilleton, als er in Koblenz mit dem Journalismus begann. Der frühere Germanistik- und Philosophie-Student schrieb anfangs auch noch Theaterkritiken für die Rhein-Zeitung.

1957 begann seine Karriere beim Westdeutschen Rundfunk (WDR), dort gehörte er zunächst der Redaktion „Hier und Heute“ an. Erst nach drei Jahren ging es in die Sportredaktion.

Huberty war am 4. Juni 1961 derjenige, der die erste Sportschau moderieren durfte. Teilweise mehr als 15 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern versammelten sich damals - als es noch kein Privatfernsehen, kein Pay-TV, keine Livestreams gab - vor dem Bildschirm. Heute kaum noch vorstellbar: Zu Hubertys Zeiten zeigte die Sportschau nur Spielszenen aus einer Auswahl von drei Samstagspartien.

21 Jahre lang moderierte Huberty die Sendung, mit der er quasi eins geworden war, bis 1982 - er verlor damals seinen eigentlichen Hauptjob als ARD-Sportchef aus bürokratischen Gründen, eine Spesenabrechnung war zu hoch.

Huberty wurde ins Dritte Programm degradiert, klagte nicht, nahm auch diese Aufgabe dann und sprach später von einer wertvollen Lebenserfahrung.

Mit vielen legendären Fußball-Momenten verknüpft

Zu seinen berühmtesten Reportagen gehörte das WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien 1970 im Azteken-Stadion von Mexiko-Stadt.

Sein „ausgerechnet Schnellinger“ über den 1:1-Ausgleich des Italien-Legionärs Karl-Heinz Schnellinger vom AC Mailand im Jahrhundertspiel, wodurch die dramatische Verlängerung erst möglich wurde, ging als geflügeltes Wort in die deutsche Sportberichterstattung ein.

Andere berühmte Spiele, die Huberty kommentierte und mit im kollektiven Gedächtnis der Bundesrepublik verankerte: das WM-Duell Deutschland - Polen 1974 (die „Wasserschlacht von Frankfurt“), das EM-Finale Deutschland - Tschechoslowakei 1976 (Uli Hoeneß' Schuss in den Belgrader Nachthimmel), das Pokal-Endspiel Gladbach - Köln 1973 (Günter Netzers Selbst-Einwechslung).

Huberty beherrschte eine große Kunst

Sein Stil war nicht so emotional wie heute üblich, gerade das aber war in seinen besten Momenten seine große Stärke: Im entscheidenden Moment auch mal die Szenen für sich sprechen lassen und nur das Nötigste hinzufügen („Wohin der Ball ging, Sie sahen es“).

Es war Hubertys große Kunst, für die er von Fans umso hymnischer gefeiert wurde. „Er konnte reden, er konnte auch schweigen, weil er nicht in jeder Sekunde sich selbst und alle anderen von der Wichtigkeit des Spiels überzeugen musste, das er gerade übertrug“, formuliert die Süddeutsche Zeitung nun in ihrem Nachruf: „Sogar dann nicht, wenn es das Spiel des Jahrhunderts war.“

Mit Sprache sorgsam umzugehen, das war Huberty wichtig. Was gesagt ist, ist gesagt, „da kann man nichts zurücknehmen“: Diesem Grundsatz fühlte er sich verpflichtet.

„Er müsse sich entschuldigen, sein Haus sei abgebrannt“

Die unnachahmliche Art von „Mr. Sportschau“ brachte auch eine Anekdote auf den Punkt, die ein berühmter Schüler in einer WDR-Show zu Hubertys 90. verriet.

Oliver Welke erinnerte sich an die nie zuvor erlebte Begebenheit, dass Huberty unpünktlich zu einem Coaching-Termin gekommen sei - und ein seltsamer Geruch ihn begleitete: „Und dann sagte er in seiner formvollendeten Art, er müsse sich entschuldigen, er würde ein bisschen nach Rauch riechen, sein Haus sei gestern abgebrannt.“

Der durch nichts aus seiner ihm eigenen Ruhe zu bringende Ernst Huberty lebte zuletzt in Frechen bei Köln.

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Mit Sportinformationsdienst (SID)