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Flutlicht an! Gefahr durch „Experimentierfeld Stadion“ - Porträt-Kolumne #55 Andreas Hüttl

Das Klischee vom „bösen Fan“

Am Ende seiner ersten „echten“ Fan-Saison stieg Andreas Hüttl 1985 mit Hannover 96 in die Bundesliga auf, inzwischen hat er mit dem Verein auch schwierige Phasen erlebt. Wieso seine Arbeit als Anwalt die Beziehung verkompliziert, warum vermeintliche Fan-Themen die Gesellschaft insgesamt angehen und wie er zur AG Fananwälte kam, darüber spricht Dr. Hüttl mit Wortpiratin Mara Pfeiffer in dieser Folge.
Per Headset verbunden mit Bundesliga-Schiedsrichter Deniz Aytekin versuchen sich der Freiburger Nils Petersen und der Mainzer Anton Stach in der Bezirksliga Rheinhessen an der Pfeife.
Am Ende seiner ersten „echten“ Fan-Saison stieg Andreas Hüttl 1985 mit Hannover 96 in die Bundesliga auf, inzwischen hat er mit dem Verein auch schwierige Phasen erlebt. Wieso seine Arbeit als Anwalt die Beziehung verkompliziert, warum vermeintliche Fan-Themen die Gesellschaft insgesamt angehen und wie er zur AG Fananwälte kam, darüber spricht Dr. Hüttl mit Wortpiratin Mara Pfeiffer in dieser Folge.

Vielleicht hätte Dr. Andreas Hüttl es ahnen müssen, dass die Zeiten mit seinem Verein nicht immer golden bleiben würden.

Damals, als er am Ende seiner ersten echten Fansaison 1985 mit Hannover 96 in die 1. Bundesliga aufstieg. Andererseits, was nützt es einem, der sich just heftig verliebt, wenn die Kristallkugel für die Zukunft auch schwierige Phasen andeutet? Eben.

Letztlich gehört ohnehin beides zusammen, die Liebe und die Auseinandersetzung, zumal als Fan. Wer nur zu seinem Verein hält, wenn gerade alles läuft, ist Kundschaft. Langweilig.

Dieses Wort wiederum trifft auf Hüttls Beziehung mit Hannover 96 nicht zu, schon allein, weil sie viel zu facettenreich ist: Aus dem Abiturienten im Aufstiegstaumel wird ein Rechtsanwalt, der bald auch in dieser Funktion im Fußball unterwegs ist – und sich dabei nicht selten wundert.

Die Justiz und das „Experimentierfeld Stadion“

Da wären zum Beispiel Stadionverbote, vom DFB deklariert als „Gefahrenabwehr“, nicht als Strafe. „Die haben natürlich einen ganz erheblichen Sanktionscharakter – und die Mandanten empfinden das auch so“, erklärt Hüttl.

Ihn treibt vor allem um, dass sie ausgesprochen werden können, wenn bloß eine Ermittlung eingeleitet worden ist. „Diesen ungerechten Zustand damit auszuhebeln zu wollen, dass man sagt, es ist ja gar keine Sanktion, es ist ja Prävention, das ist einigermaßen perfide, aber es ist im Moment die Rechtslage“, führt der Experte aus.

Weil Hüttl im Umfeld von 96 bekannt ist wie der sprichwörtliche bunte Hund, stellen sich Fan-Anfragen früh fast automatisch ein. Das bisweilen unerforschte Terrain, die Schnittstellen zwischen verschiedenen Bereichen der Anwaltstätigkeit, reizen ihn. Wenn es darum geht, mit welchen Maßnahmen Fans zuweilen überzogen werden, ohne dass sich dazu Widerstand in der Gesellschaft regt, spricht der Strafrechtler vom „Experimentierfeld Stadion“.

Hüttl betont, es sei naiv zu glauben, gewisse Vorgehensweisen, die von der Polizei hinsichtlich Fans etabliert würden, verblieben in diesem Umfeld. „Es trifft am Ende nicht nur Fußballfans, sondern es kann jeden treffen.“ Man dürfe der Polizei nicht zu viele Instrumente an die Hand geben, um Menschen präventiv einzusperren, unterstreicht er, und verweist auf die Haft von Mitgliedern der „Letzten Generation“ in Bayern. „Es wird an Fußballfans ausprobiert, aber treffen tut es letztlich auch andere gesellschaftliche Protestformen.“ Und endet dort nicht …

Erfolgreiches Framing vom „bösen Fan“

Wie sehr das Framing vom „bösen Fan“ in den vergangenen Jahren Früchte getragen hat, das musste Hüttl auch in seinem beruflichen Umfeld feststellen. Der Blick auf den Fußball sei sehr von Klischees und negativer Berichterstattung geprägt gewesen, erinnert sich der Fananwalt.

Neben Gruppen aus dem Sport selbst habe die „Arbeitsgemeinschaft Fananwälte“ zu einer Bewusstseinsänderung beigetragen. Gegründet von Angela Furmaniak tauschen sich darin Rechtsanwält*innen aus der ganzen Republik über ihre Arbeit für und mit Fans aus. Seit 2014 ist auch Hüttl dabei und spricht mit Wärme von der „wunderbaren Vernetzung“, dem guten Austausch und von Freundschaften, die so entstanden sind.

Abgekühlt ist derweil das Verhältnis zu „seinem“ Verein, eine vielleicht unvermeidliche Folge von Hüttls Arbeit im Fußball. Den Stadionbesuch einfach nur zu genießen, das ist mit den Jahren kompliziert geworden.

Mitglied aber bleibt er doch, denn Hüttl hat für sich nun mal einen klaren Gestaltungsanspruch. Und Liebe muss schließlich auch etwas aushalten können.