Nach Monaten teils recht wilder Spekulationen gibt es also wenigstens ein bisschen Klarheit. Ja, Thomas Müller hat sich „dazu entschlossen, auf jeden Fall weiterzuspielen“ und seine Karriere fortzusetzen, wie er im Rahmen eines Werbedrehs erzählte. Aber nein, nicht in Europa. Soweit brachte der 35-Jährige, der den FC Bayern nach insgesamt 17 Jahren verlassen hat, endlich Licht ins Dunkel.
Der etwas andere Klub - Müllers neue Heimat?
Was würde Müller in L.A. erwarten?
„Ich liebe die Fußballbühne, den Druck, auch Leistung zu bringen“, beteuerte Müller. Dementsprechend wolle er die Chance nutzen, „solange mein Körper so fit ist.“ Und zwar auf hohem Niveau. So weit, so gut.
Ein konkretes Team nannte er nicht, lediglich einige Hinweise. „Es wird auf jeden Fall eine Auslandserfahrung für mich. Darauf freue ich mich sehr“, fuhr der Routinier fort und nannte ein mögliches Ziel: die MLS.
„Thomas versteht das Spiel wie kaum ein Zweiter”
Natürlich, so Müller, habe er sich mit diesen Themen beschäftigt, „auch mal über den Tellerrand hinauszuschauen. Die MLS ist schon eine interessante Liga ist – gerade im Hinblick eben auf die Fußballweltmeisterschaft im nächsten Jahr in Amerika“. Worte, die zu den kursierenden Gerüchten passen.
Demnach ist es am wahrscheinlichsten, dass es ihn zum Los Angeles FC zieht, dem Partnerklub der Münchner. Müller wollte dies nicht bestätigen, der Klub selbst bekundete aber längst reges Interesse.
Mittlerweile sogar schon mehrfach. In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit dem kicker sagte LAFC-Coach Steven Cherundolo etwas zurückhaltend, dass man sich aktuell mit vielen Spielern befasse und “Thomas einer davon ist”.
Während der Klub-WM klang das noch offensiver: „Thomas versteht das Spiel wie kaum ein Zweiter. Diese Position hinter der Spitze liegt ihm – und würde auch bei uns funktionieren und er würde uns sehr weiterhelfen. Aber darüber reden wir, wenn es so weit sein sollte.“
Die Lust auf Müllers Verpflichtung verheimlichte Cherundolo nicht. „Natürlich würde ich mich freuen, wenn er kommt. Thomas passt mit seinem Typ, seiner Erfahrung, seiner Klasse perfekt zu uns, aber eben auch mit seiner Mentalität. Wer denkt, in Los Angeles geht es nur ums Wetter und Show, der irrt sich gewaltig. Wir wollen Titel gewinnen. Und Müller weiß, wie das geht.“ So manches weist also wirklich darauf hin, dass Müller bald an der US-Westküste aufschlagen wird. Aber was würde ihn dort erwarten?
LAFC und der Hauch von Hollywood
Zuallererst ein junger Klub. Der Los Angeles Football Club wurde erst 2014 gegründet und nimmt seit der Saison 2018 am Spielbetrieb der MLS teil. Die Franchise übernahm die Lizenz der zuvor aufgelösten Franchise CD Chivas USA.
Doch lange dauerte es bis zum bisher größten Erfolg der Klubgeschichte nicht. 2022 feierte der LAFC erstmals den Gewinn des MLS-Cups – auch dank der Hilfe des ehemaligen Real-Stars Gareth Bale. Ende 2023 verpasste man den Titel knapp: Das Finale gegen Columbus ging mit 1:2 verloren.
Ansonsten weht ein Hauch von Hollywood durch die Franchise. Geschäftsführer ist der Unternehmer Peter Gruber, der auch als Mitbesitzer des Basketball-Teams Golden State Warriors und des MLB-Klubs Los Angeles Dodgers fungiert.
Darüber hinaus hat der Klub 25 Miteigentümer. Teils sehr prominente: Schauspieler Will Ferrell, Basketball-Ikone Earvin “Magic” Johnson, die ehemalige Fußballerin Mia Hamm-Garciaparr oder Chad Hurley, Mitgründer von YouTube, sind wichtige Geldgeber.
Umstellen müsste sich Müller allerdings, was das Ligasystem in Nordamerika angeht. An der 1993 gegründeten Major League Soccer nehmen 30 Mannschaften teil - anders als in der Bundesliga, die lediglich 18 Klubs umfasst.
Davon kommen 27 aus den USA, drei aus Kanada. Eine weitere Besonderheit: Die Liga ist in zwei unterschiedlichen Zonen, den sogenannten Conferences (Ost und West), aufgeteilt und in sich geschlossen. Zudem gibt es keine Ab- oder Aufsteiger.
Müller könnte auf einen Ex-Münchner treffen
Ebenfalls anders als in Deutschland startet der Spielbetrieb im März. Dann treten die Teams bis Dezember in der Regular Season gegeneinander an. Jede Mannschaft bestreitet 34 Partien. Viele gegen Teams der eigenen Conference, manche aber auch gegen Mannschaften aus der anderen Conference.
Die beste Mannschaft der Regular Season gewinnt den „MLS Supporters‘ Shield”. Im Anschluss kämpfen die 14 besten Teams in den Playoffs im K.-o.-System um den Meistertitel, den „MLS Cup”.
Über den Ablauf eines möglichen Einstiegs von Müller sprach Cherundolo schon. „Unser Transferfenster öffnet am 25. Juli. Spieler, die bei der Klub-WM oder EM aktiv sind, bekommen bei uns danach ihre Pause. Wir haben Erfahrung damit, neue Spieler gut in die Mannschaft zu integrieren – das wäre kein Problem“, so der 46-Jährige.
Sollte sich Müller für den LAFC entscheiden, würde er unter anderem auf Hugo Lloris, Weltmeister von 2018, und den Ex-Münchner Timothy Tillman treffen. Der Franzose Olivier Giroud kehrte zuletzt nach Europa zurück und spielt nun für Lille.
„Viva Los Angeles“
In Amerika würden Müller auch spezielle Fans erwarten. Die Ultras des Los Angeles FC gelten in den USA als kreativ, laut und leidenschaftlich, der Klub selbst als der vielleicht beliebteste Fußballklub an der Westküste. Auch, weil die soziale Durchmischung hoch ist.
Rund die Hälfte der Einwohner von Los Angeles hat Wurzeln in Mexiko oder anderen lateinamerikanischen Ländern. Überdurchschnittlich viele von ihnen leben in Downtown - wenige Autominuten des BMO-Stadions, der Heimat des Klubs, entfernt.
Heißt: Wenn es einen Ort gibt, an dem die Vielfalt der Latinos besonders sichtbar und hörbar wird, dann im Stadion des LAFC – dem etwas anderen Klub. Dort wehen Fahnen und Schals in den mexikanischen Farben. Die Ultras des LAFC rufen „Viva Los Angeles“ und „Vamos!“. Gesänge, die Müller womöglich bald regelmäßig hört.
Laut Berichten mischen um die Gunst des Bayern-Urgesteins auch Cincinnati FC und Western Sydney Wanderers aus Australien mit - allerdings mit deutlich geringeren Chancen als Los Angeles.