Die Doku „Being Jérôme Boateng“ sorgt für großen Wirbel. Mehrere Gesprächspartner, die in der Produktion zu Wort kommen, haben nun schwere Vorwürfe gegen die Macher sowie den produzierenden Sender, den Bayerischen Rundfunk, erhoben.
"Krisen-PR": Schwere Vorwürfe nach Boateng-Doku
Heftige Kritik an Boateng-Doku
Gegenüber dem Spiegel distanzierten sich zwei Interviewpartnerinnen von den gezeigten Inhalten in der Doku und kritisierten, dass ihre Aussagen gekürzt und aus dem Zusammenhang gerissen worden seien.
Investigativjournalistin Gabriele Keller erklärte, sie habe ein mehrstündiges Interview gegeben, im Film seien jedoch nur „drei, vier sehr allgemeine Sätze“ verblieben. „Es ist für mich sehr irritierend, in so einer Krisen-PR der ARD aufzutauchen. Dafür habe ich nicht mein Einverständnis gegeben“, betonte Keller.
Boateng-Doku „klärt nichts auf“
„Ich frage mich natürlich: Welche Rolle spiele ich da? Als Feigenblatt?“, ärgerte sie sich weiter und stellte klar: „Die wesentlichen Fakten, die die Erzählung von Boateng einordnen würden, kommen praktisch nicht vor.“ Kellers Fazit fällt vernichtend aus: „Diese Dokumentation klärt mit Blick auf die häusliche Gewalt nichts auf und bleibt hinter dem bestehenden Kenntnisstand zurück.“
Ähnlich äußerte sich TikTokerin Gizem Celik, der in der Doku zwar mehr Redezeit eingeräumt wurde, sich aber ebenfalls nicht richtig repräsentiert fühlt. „Ich hatte das Gefühl, das, was am Ende ausgewählt wurde, kommt meiner Haltung und meiner Gesamtaussage im Interview überhaupt nicht nahe“, bemängelte sie.
Zudem habe Celik nach eigener Aussage zum Zeitpunkt ihres Interviews nicht gewusst, dass Boateng selbst Teil der Doku ist. „Als ich das Interview gegeben habe, war der Stand zu 100 Prozent: Jérôme Boateng ist nicht Teil dieser Doku“, erklärte sie gegenüber dem Spiegel. Als sie von der Teilnahme des Weltmeisters von 2014 erfuhr, habe sie „starke Bauchschmerzen“ gehabt.
Schwere Vorwürfe: Bestimmte Narrative sollten „geschützt werden“
Vorwürfe erhob derweil auch Rechtsanwalt Dr. Alexander Stevens, der im Rahmen der Doku eine juristische Einschätzung des Falls liefern sollte.
Rund „95 Prozent“ seines Interviews seien entfernt worden, schrieb er in einem Instagram-Beitrag: „Übrig geblieben sind drei kurze Statements, die völlig aus dem Kontext gerissen und zum Teil in neue Zusammenhänge hineinkopiert wurden.“
Seine kritische Analyse des Falls Boatengs sei so komplett verzerrt worden, fuhr Stevens fort. Dies sei „schwer anders zu deuten, als dass bestimmte Narrative geschützt werden sollten – und zwar auf Kosten einer fairen juristischen Einordnung“.
ARD weist die Kritik zurück
Die ARD, zu der auch der BR gehört, wies die Vorwürfe gegenüber dem Spiegel entschieden zurück. Die „zentralen Einordnungen“ der Gesprächspartner seien in der Dokumentation enthalten, auch sei kommuniziert worden, dass Boateng für die Doku angefragt gewesen sei.
Zudem habe man den Fall „journalistisch aufgearbeitet“ und bis kurz vor Erscheinen „alle relevanten Erkenntnisse überprüft“. Die Doku werfe damit „einen differenzierten, kritischen und multiperspektivischen Blick auf Jérôme Boatengs ganzes Leben“, heißt es im Statement des Senders.
Bereits kurz nach der Veröffentlichung am 21. November war die Dokumentation in den sozialen Netzwerken kontrovers diskutiert worden. Boateng, der in der Doku auch über den Tod seiner Ex-Freundin Kasia Lenhardt spricht, werde eine zu große Plattform geboten, lautete ein wiederholter Kritikpunkt der User.
Lenhardt hatte im Februar 2021 in Berlin Suizid begangen, sechs Tage nachdem Boateng seiner Ex in einem Bild-Interview Vorwürfe gemacht hatte. Der ehemalige Bayern-Profi sah sich überdies mit Vorwürfen der Körperverletzung gegen seine frühere Partnerin konfrontiert. Im März stellte die Staatsanwaltschaft München I ihr Verfahren gegen Boateng ein.
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Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie sich selbst von Depressionen und Suizidgedanken betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (http://www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in zahlreichen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.
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