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Bundesliga: Klagen gegen Geisterspiele? Schickardt nennt Argumente der Klubs umd BVB, Bayern

Sind Geisterspiele noch haltbar?

Nicht nur BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke will Geisterspiele nicht mehr klaglos hinnehmen. Sportrechtler Christoph Schickhardt äußert sich bei SPORT1 zu dem Vorhaben Watzkes.
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kritisiert die erneuten Geisterspiele in der Bundesliga. Der 62-Jährige prangert Symbolpolitik an und befürchtet unumkehrbare Zustände.
Nicht nur BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke will Geisterspiele nicht mehr klaglos hinnehmen. Sportrechtler Christoph Schickhardt äußert sich bei SPORT1 zu dem Vorhaben Watzkes.

Während in der Bundesliga noch immer Geisterspiele auf dem Programm stehen und nur vereinzelt minimal gelockert wird, sind die Stadien in England und anderen ausländischen Ligen voll oder gut gefüllt. Die Attraktivität der Liga leidet massiv unter diesem Umstand, die finanziellen Lücken der Klubs werden immer größer. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kündigte daher im Gespräch mit der dpa an, notfalls juristisch gegen die Beschlüsse des Landes NRW vorzugehen: „Wir werden prüfen, ob wir sie im Eilverfahren kontrollieren lassen.“ RB Leipzig ist schon einen Schritt weiter und klagt bereits.

Seine ablehnende Haltung gegenüber dem Festhalten am Quasi-Zuschauerverbot für Spiele der Bundesliga begründete Watzke mit der Zahl der Impfungen und der fehlenden Verhältnismäßigkeit mit Blick auf andere Veranstaltungen.

Bereits vor Weihnachten kündigte er in seiner neuen Position als Aufsichtsratsvorsitzender der DFL an: „Wir waren zurecht mit viel Demut ausgestattet und haben das Primat der Politik verfolgt. Aber jetzt müssen wir als Klubs vielleicht wieder mehr Selbstbewusstsein ausstrahlen und kämpferischer werden.“ Watzke geht nun dementsprechend offensiv voran – und erhält prominente Unterstützung.

Wenn die Not in der Bundesliga besonders groß ist, dann tritt er ins Rampenlicht! Christoph Schickhardt ist vor allem in den Bereichen Recht des professionellen Sports und Wettbewerbsrecht tätig. So war er an den Verhandlungen in mehr als 800 Fällen vor dem Sportgericht des Deutschen Fußballbundes beteiligt. Bei SPORT1 ordnet Schickhardt die Lage ein.

Schickhardt: „Die Bundesliga war immer vorbildlich“

SPORT1: Herr Schickhardt, BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke will den Zustand mit Geisterspielen nicht mehr hinnehmen. Er kündigte eine Prüfung juristischer Schritte gegen die derzeitigen Zulassungsbeschränkungen für Zuschauer in Nordrhein-Westfalen an. Wie sehen Sie dieses Vorhaben?

Christoph Schickhardt: Ich kann die Initiative von Herrn Watzke nur unterstützen. Die Erfolgsaussichten beurteile ich gar nicht schlecht, wenn dies auch nicht mein Metier ist, da es sich hier um Verwaltungsrecht handelt. Herr Watzke hat sich im Übrigen seit Beginn der Pandemie jetzt genau vor zwei Jahren, wie die ganze Bundesliga, als absolut staatstreu und gegenüber Politik und Behörden loyal verhalten und sich immer für vernünftige Lösungen eingesetzt, sowie innerhalb der Bundesliga veranlasst, dass sich alle an alle Regeln halten. Die Bundesliga war immer vorbildlich, einschließlich aller Vereine, Zuschauer, Fans, sogar die Ultras haben sich absolut vorbildlich verhalten. Ohne dieses Verhalten hätte es ab Mai 2020 auch nie und nimmer wieder Spiele gegeben.

SPORT1: Wovon hängt der Erfolg dieser juristischen Schritte ab?

Schickhardt: Die Erfolgsaussichten beurteilen sich danach, ob die komplette Schließung der Zuschauerränge oder Zulassung von nur ganz wenigen Zuschauern ein geeignetes, angemessenes und notwendiges Mittel ist, um das Ziel – keine Ansteckungen beim Fußball – zu erreichen. Diesbezüglich werden die Gerichte Erfahrungswerte beiziehen, nämlich insbesondere, dass die Clubs eine erstklassige Organisation, ein perfektes Hygienesystem konsequent durchgesetzt haben und absolut zuverlässig sind. Ich bin mir sicher, dass die Politik hier auch oft populistisch handelt – und dann ist es immer wieder populär, gegenüber den „reichen“ Fußballspielern harte Kante zu zeigen. Einen Sinn macht dies aber nur, wenn es durchdacht und wohl abgewogen ist, schließlich handelt es sich auch bei den Bundesliga-Clubs um Wirtschaftsunternehmen mit grundsätzlich verankerten Rechten und alle Eingriffe müssen wohlüberlegt und dosiert sein. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

Schickhardt: Klubs haben „erhebliche Argumente“

SPORT1: Eintracht-Vorstandssprecher Axel Hellmann hingegen sucht mit mehr als 20 weiteren hessischen Profivereinen aus diversen Sportarten noch immer die Dialogform mit der Politik und will den Klageweg vermeiden. Welchen Weg würden Sie wählen?

Schickhardt: Natürlich ist Axel Hellmann darin zu unterstützen, dass immer, wie es bislang jetzt zwei Jahre mehr oder weniger erfolgreich praktiziert wurde, ein Konsens mit den Behörden vorzuziehen ist. Eine Klage kann immer nur „Ultima Ratio“ sein, wenn auf dem Gesprächswege nichts mehr zu erreichen ist. Im Übrigen kann auch eine Klage immer dazu führen, dass die Behörde oder die staatlichen Institutionen den Gesprächsfaden mit vielleicht etwas größerem Verständnis wieder aufnehmen.

SPORT1: Was können die Klubs zu ihrem Vorteil anführen?

Schickhardt: Auf Seite der Clubs stehen jedenfalls erhebliche Argumente, nur zum Beispiel, dass bis heute nicht bekannt ist, dass sich bei irgendeinem Spiel der Bundesliga jemand angesteckt haben könnte.

SPORT1: Wie könnte ein Ergebnis aussehen?

Schickhardt: Natürlich wird es vorläufig keine vollen Stadien geben. Wenn aber alle Ränge geöffnet sind und die Zuschauer sich dann verteilen könnten, hielte ich es auch jetzt für durchaus möglich, dass etwa 1/5 bis 1/4 der zugelassenen Zuschauer reindürfen. Rechtlich ist es jedenfalls so, dass für die jetzige Situation und ihre Berechtigung kaum noch Argumente zur Verfügung stehen. Hinzu kommt die Uneinheitlichkeit. Das geht gar nicht. Es gibt hier nur eine richtige und die eine rechtlich haltbare Regelung. Diese kann nicht von Ort zu Ort anders ausfallen.

„Bisher hat eine Klage auch immer ein ‚Geschmäckle‘ gehabt“

SPORT1: Wundern Sie sich generell darüber, dass noch kein Erst- oder Zweitligist juristisch offensiver nach vorne gestoßen ist?

Schickhardt: Nein. Die DFL unter Christian Seifert und auch in der neuen Aufstellung ist sich immer bewusst, dass der Fußball vorbildlich und „staatstragend“ handeln muss. Die Gesundheit der Mitarbeiter, Fans, aller Beteiligten an einem solchen Spiel sowie die Vermeidung des Risikos vor weiteren Ansteckungen geht absolut vor. Der Fußball hat sich hier vor zwei Jahren als Teil des Staates verstanden und hatte nie die Idee zum Ausscheren oder einer nur eigennützigen Vorgehensweise. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

SPORT1: Was hat sich geändert?

Schickhardt: Bisher hat eine Klage auch immer ein „Geschmäckle“ gehabt, nachdem die Institutionen des Staates und die Gerichte nun wahrlich auch andere Sorgen als das Wohl und Wehe des Profifußballs hatten. Jetzt gilt aber: Die Clubs haben eine perfekte Organisation, eine glaubwürdige, gewissenhafte Durchführung. Deshalb muss man jetzt unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten so weit wie möglich bezüglich der Öffnung gehen – eben vermutlich in einen Bereich von Fans, wie oben skizziert.

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