Der Wechsel von Niklas Süle vom FC Bayern zu Borussia Dortmund war in den vergangenen Tagen das Thema Nummer eins unter Fußballfans.
BVB: "Cleverer Schachzug" - Christian Wörns über Süle-Coup, Hummels & BVB-Abwehr
Ex-Profi Wörns über Süle und Hummels
Der deutsche Nationalspieler hat einen Vierjahresvertrag erhalten und wird ab dem 1. Juli für die Schwarz-Gelben verteidigen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Einer seiner Vorgänger ist Christian Wörns, aktuell U20-Trainer beim Deutschen Fußball Bund. Der heute 49-Jährige spielte die längste Zeit in seiner Karriere für den BVB. Von 1999 bis 2008 räumte er als Innenverteidger im schwarz-gelben Strafraum auf. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
Im SPORT1-Interview spricht Wörns über Süle, Mats Hummels und die Abwehrsorgen bei den Dortmundern.
SPORT1: Herr Wörns, was sagen Sie zum Wechsel von Niklas Süle zum BVB?
Christian Wörns: Durch seine Klasse und Erfahrung ist er mit Sicherheit ein Gewinn für den BVB. Dadurch wird das Niveau noch mal angehoben. So entsteht mehr Reibung und Konkurrenzkampf im Team, was dazu führt, dass jeder bis zu seiner Leistungsgrenze gehen muss. Cleverer Schachzug.
SPORT1: Löst Süle die Abwehrprobleme bei den Dortmundern?
Wörns: Hummels, Akanji, Meunier, Guerreiro, Can, Schulz und jetzt noch Süle. Das hat schon internationale Klasse. 36 Gegentore nach 21 Spieltagen sind aber definitiv zu viele. Dafür ist aber das Abwehrverhalten der ganzen Mannschaft verantwortlich, das häufig nicht konsequent genug ist. Wenn man bedenkt, wie viel Ballbesitz die Dortmunder haben, ist diese Quote nicht gut.
„Süle muss aggressiver werden“
SPORT1: Ist das mit Süle ein Mega-Coup? Wenn ja, warum?
Wörns: Er ist Nationalspieler, hat mit Bayern alles gewonnen und ist ablösefrei. Deswegen ist es ein sehr guter Transfer. Niklas bringt unheimlich viel Physis mit und wird dem BVB helfen. Er muss aber auch noch eine Schippe drauflegen, griffiger und aggressiver in seiner Spielweise werden.
SPORT1: Wie sehr schadet sein Abgang den Bayern? War es ein Fehler von den Münchnern, nicht mit ihm frühzeitig zu verlängern?
Wörns: Wenn ich es richtig verstanden habe, hätten die Bayern Niklas gerne behalten, aber nicht um jeden Preis. Manchmal kommt man leider nicht zusammen. Die Bayern sind aber defensiv weiterhin gut aufgestellt. Trotzdem gehe ich davon aus, dass sie noch einen Abwehrspieler holen werden, um den Abgang von Süle zu kompensieren und neue Impulse zu setzen.
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Diese Abwehrspieler imponieren Wörns in Deutschland
SPORT1: Steckt in dem Süle-Transfer dennoch ein gewisses Risiko für den BVB?
Wörns: Einen deutschen Nationalspieler, der die Bundesliga kennt, ein gutes Alter hat und ablösefrei ist - da kann man meiner Meinung nach nichts falsch machen.
SPORT1: Wie sehen Sie generell die Abwehrspieler beim FC Bayern und beim BVB?
Wörns: Gut! Jeder Einzelne hat allerdings seine eigene Identität, wie er Situationen in Defensive und Offensive löst. Dem ein oder anderen Spieler fehlt es an Konstanz in der Effektivität. Das bedeutet, dass die einzelnen Spiele gut sind, sich aber trotzdem einfache Fehler einschleichen.
SPORT1: Welcher Abwehrspieler in Deutschland imponiert Ihnen am meisten?
Wörns: Upamecano, Davies, Schlotterbeck, Vogt, Frimpong.
So denkt Wörns über Hummels
SPORT1: Wie sehr haben Sie den BVB noch auf dem Schirm?
Wörns: Ich probiere natürlich, viele Bundesliga- und Champions-League-Spiele zu schauen, aber wichtiger sind mir im Moment die Spiele in der 2. Liga, 3. Liga und Regionalliga, weil dort viele Jungs spielen, die für unsere U20 in Frage kommen.
SPORT1: Ist Mats Hummels zu alt und ist seine Zeit beim BVB abgelaufen?
Wörns: Ich habe Mats in dieser Saison überwiegend gut gesehen, mit wenigen Aussetzern. Er kommt jetzt aber in ein Alter, in dem er viel Zeit für seine Physis aufwenden muss.
SPORT1: Können Süle und Hummels das neue BVB-Abwehrduo bilden oder kommen sie sich in die Quere?
Wörns: Natürlich können zwei Innenverteidiger mit dieser Qualität gemeinsam spielen. Das haben sie auch schon beim FCB und der Nationalmannschaft bewiesen.
SPORT1: Sollte der BVB mit Manuel Akanji oder Dan-Axel Zagadou verlängern?
Wörns: Ich sehe nicht jedes Spiel des BVB, aber Akanji hat mir bisher gut gefallen. Auffällig dabei waren seine Präsenz in den Zweikämpfen und seine Dynamik, gepaart mit einem guten Auge und richtigen Entscheidungen. Seine Lösungen im Spielaufbau sind auch gut. Zagadou scheint sehr verletzungsanfällig zu sein. Er ist aber noch jung und steckt mitten in seiner Entwicklung.
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So erklärt Wörns die BVB-Probleme
SPORT1: Warum hat der BVB einfach solche Probleme beim Verteidigen?
Wörns: Es fehlt teilweise die Effektivität und Konsequenz beim Verteidigen. Das gilt, wie gesagt, fürs ganze Team, man sollte auch die Offensivspieler dabei in die Pflicht nehmen. Nur feinen Fußball zu spielen, reicht nicht, um eine Spitzenmannschaft wie die Bayern in der Liga zu gefährden.
SPORT1: Wie sehr ist BVB-Trainer Marco Rose gefragt? Warum funktioniert das Gegenpressing nicht?
Wörns: Ob speziell das Gegenpressing nicht passt, würde ich nicht behaupten. Das ganze Team muss mehr Lust aufs Verteidigen haben. Der Trainer ist da natürlich gefragt und ich bin mir auch sicher, dass er das vermittelt. Aber am Ende des Tages müssen die Spieler es annehmen und auf dem Platz umsetzen.
SPORT1: Raphael Guerreiro und Thomas Meunier sind offensiv top, aber sie verteidigen hin und wieder schlecht. Braucht es da vielleicht klassische Abwehrspieler?
Wörns: Das ist eine Frage der Philosophie. Das eine geht immer zulasten des anderen. Am besten ist, wenn man, gerade auf der Außenverteidiger-Position, Allrounder hat. Aber die sind auch schwer zu finden. Hat man diese Spieler nicht, muss man die Taktik vom Gegner abhängig machen. Dortmund ist auf den einzelnen Positionen sehr offensiv ausgerichtet.