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Transfer-Hammer bei Bayern: "Die Holding Six, auf die Tuchel neidisch rüberschauen wird"

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Transfer-Hammer bei Bayern: "Die Holding Six, auf die Tuchel neidisch rüberschauen wird"

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„Tuchel wird neidisch rüberschauen“

Die Bayern haben mit Lena Oberdorf einen absoluten Top-Star verpflichtet. Ex-Spielerin und TV-Expertin Julia Simic spricht im SPORT1-Interview über die Auswirkungen des Transfers und geht auch mit Männer-Coach Thomas Tuchel hart ins Gericht.
Der FC Bayern macht einen sensationellen Transfer perfekt. Lena Oberdorf kommt vom Bundesliga-Rivalen VfL Wolfsburg nach München.
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Der Transfer von Lena Oberdorf zum FC Bayern kann das Kräfteverhältnis in der Frauen-Bundesliga stark verändern. TV-Expertin Julia Simic, die selbst bei Bayern und Wolfsburg spielte, sieht in dem Transfer ein klares Ausrufezeichen in Richtung Konkurrenz. Im Interview mit SPORT1 spricht sie außerdem über Thomas Tuchel und seinen schwierigen Stand beim Rekordmeister.

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SPORT1: Frau Simic, Lena Oberdorf wechselt für 400.000 Euro Ablöse vom VfL Wolfsburg zum FC Bayern: Zu Ihrer Zeit waren die Wechsel doch eher von Bayern zu Wolfsburg Normalität. Läuft Bayern Wolfsburg den Rang ab?

Julia Simic: Ich glaube, dass der Trend, der sich bereits vor der Saison abgezeichnet hat, mit dieser Verpflichtung noch einmal bestätigt wurde. Beim FC Bayern ist in letzter Zeit viel passiert, dagegen tut sich Wolfsburg bislang noch schwer. Sie sind noch nicht richtig im Flow, obwohl die Ergebnisse soweit okay sind. Man gewinnt die Spiele, aber selten absolut überzeugend. Dazu herrscht das Gefühl: Die Münchner schaffen es nach wie vor, die Top-Spielerinnen zu holen. Und das fehlt gerade beim VfL Wolfsburg, die sich schwerer tun, auch große Namen anzuziehen. Mit Lena Oberdorf verlieren sie jetzt die Top-Spielerin, die auch in der Zukunft sehr wichtig für den Verein gewesen wäre.

SPORT1: Also verschiebt sich das Machtverhältnis zwischen den beiden Spitzenteams?

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Simic: Es sieht auf jeden Fall stark danach aus, als ob die Bayern sowohl national als auch international voll angreifen möchten und dazu auch bereit sind, viel zu investieren. Sicherlich müsste man diese These aber an Titeln festmachen. Der VfL Wolfsburg gewinnt jährlich den DFB-Pokal, konkurriert jährlich mit dem FC Bayern in der Meisterschaft - wo es sich absolut die Waage hält - und spielt jährlich um die Champions League. Ich glaube aber, dass sich das in diesem Jahr gewandelt hat. Die Bayern nehmen die Vormachtstellung, die Wolfsburg über Jahre hinweg erarbeitet hatte, gerade ein bisschen ein. Trotzdem würde ich den VfL nicht abschreiben, dafür ist der Verein finanziell zu stark. Doch es fehlt aktuell das Ausrufezeichen nach außen - auch in Sachen eines Top-Transfers.

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Oberdorf alles andere als ein Bayern-Fan

SPORT1: Lena Oberdorf tätigte in der Vergangenheit u.a. die Aussage, sie könne sich nicht vorstellen, zum FC Bayern zu gehen. Das wirkt etwas unglücklich. Ging es Ihnen auch mal so bei einem Wechsel?

Simic: Ich kann mich erinnern, als ich früher aus Potsdam nach Wolfsburg gewechselt bin, hatte ich kurz vorher noch harte Duelle gegen den VfL und wurde sogar von den Fans ausgebuht. Das sind Momente, in denen man die Herzen erstmal zurückgewinnen muss. Sowas sollte man allerdings nicht auf die Goldwaage legen, weil sich im Fußball viele Sachen total schnell ändern. Lena Oberdorf hätte sich vor zwei Jahren sicherlich auch noch vorstellen können, länger in Wolfsburg zu bleiben. Wenn aber die Fantasie da ist, dass man ganz oben angreifen kann, ist es jetzt vielleicht an der Zeit, sich nochmal verändern zu müssen, um im neuen Umfeld wieder an das Maximum zu kommen. Sie ist noch sehr jung, das darf man nie vergessen. Ich glaube deswegen nicht, dass ihre früheren Aussagen einen Nachteil für sie haben werden.

SPORT1: Können solche Äußerungen noch zum Problem werden, auch bei den Fans? Bei den Herren wurde ein Manuel Neuer von den Bayern-Fans ja z.B. nicht sehr freundlich empfangen.

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Simic: Das ist nicht vergleichbar - alleine schon von der medialen Seite nicht. Dieses Interview (Sport Bild-Interview - Sommer 2022, Anm. d. R.) wäre jetzt überall platziert worden, wenn es im Männer-Fußball zu einem ähnlichen Transfer gekommen wäre. Ich glaube, die Fans werden es auch sehr zu schätzen wissen, wer da für sie aufläuft, wenn Lena Oberdorf zum ersten Mal das Bayern-Trikot überzieht.

“Bayern spielen bei den internationalen Topklubs mit“

SPORT1: Erst Pernille Harder, jetzt Oberdorf: Spielt Bayern finanziell in einer anderen Liga als der Rest?

Simic: Lena Oberdorf wird vom FC Bayern sicherlich einen finanziellen Anreiz bekommen haben. Gerade, weil es auch ein internationales Interesse gab, zum Beispiel vom FC Chelsea. Da kann man klar sagen: Die Bayern spielen bei den internationalen Topklubs mit, was das Finanzielle angeht. Der VfL Wolfsburg war auch immer ein Verein, der mehr als gut mithalten konnte. Doch es ist erkennbar, dass sich die Dinge im internationalen Geschäft rasant verändern. Vor allem, was die Top-Mannschaften in England, Frankreich und mittlerweile Spanien und sogar Italien betrifft.

Oberdorf (links) wechselt im Sommer zum FC Bayern
Oberdorf (links) wechselt im Sommer zum FC Bayern

SPORT1: England drohte Deutschland und die Bundesliga, auch finanziell, abzuhängen. Können die Bayern jetzt dagegenhalten?

Simic: Ja, der FC Bayern ist auf jeden Fall in der Lage, auch mal einen verrückten Transfer zu stemmen. Und gerade bei Lena Oberdorf, rein von der Außendarstellung, weil sie auch international ein hohes Ansehen genießt, wird man im Hintergrund schon ordentlich was in Bewegung gesetzt haben müssen, damit dieser Transfer über die Bühne geht. Da spielen die Bayern definitiv bei den Topklubs mit.

SPORT1: Kann Bayern auch international groß angreifen und demnächst den Champions-League-Titel holen?

Simic: Das sollte das Bestreben sein. Um nationale Titel zu holen, muss man sicherlich in die Tasche greifen und Top-Spielerinnen holen. Aber wer eine Lena Oberdorf mit aller Macht nach München holt, der will garantiert mehr erreichen als „nur“ nationale Titel. Auch für Lena wird es wichtig gewesen sein, zu wissen, dass sie weiter international oben mitspielen kann. Bei den Bayern hat in den letzten Jahren immer ein kleiner Tick gefehlt. Sie haben von ihrem Teamspirit gelebt, es standen gefühlt elf Freundinnen auf dem Platz. Der Zusammenhalt war immer vorhanden, aber diese gewisse Härte, absolute Mentalität, vielleicht auch mal über die Grenze des Erlaubten hinaus, ist eine Komponente, die Lena Oberdorf einbringen kann. Sie geht dahin, wo sich andere lieber raushalten. Das ist ein Puzzleteil, dass den Bayern noch gefehlt hat. Sie ist die „Holding-Six“, auf die Thomas Tuchel sicherlich ein bisschen neidisch rüberschauen wird. Die Bayern-Frauen bekommen diese Personalie, das Herzstück im Mittelfeld.

“Oberdorf ist unheimlich flexibel“

SPORT1: Bayern Münchens Trainer Alexander Straus will in Lena Oberdorf den Torinstinkt wecken. „Sie hat in der Offensive noch so viel zu bieten, sie kann eine Torjägerin sein. Und das haben wir mit ihr vor“, sagte er. Was könnte da der Plan sein?

Simic: Lena Oberdorf ist durch ihr Profil unheimlich flexibel. Hin und wieder wurde sie auch schon als Innenverteidigerin eingesetzt, weil sie so zweikampfstark ist. Sie könnte das aber auch in der Offensive. Lena ist sehr torgefährlich und kann vorne Spiele entscheiden. Sie hat einen sehr guten Schuss, ein hervorragendes Kopfballspiel und eine hohe Ballsicherheit, aber eben hin und wieder auf Positionen gespielt, die quantitativ nicht so gut besetzt waren. Ich glaube, dass sie sich nichts dagegen einzuwenden hat, einen Tick offensiver - zum Beispiel auf der Achter-Position - zu spielen.

Tuchels Bayern vermissen einen „Chef-Typ“

SPORT1: Zu Tuchels Bayern: Ist genau die fehlende Sechs, die sie auch im Winter wieder nicht bekommen haben, eines der großen Probleme?

Simic: Ich habe mir am Wochenende (gegen Leverkusen) gedacht, dass man einen Granit Xhaka im Bayern-Team unheimlich vermisst. Einfach von diesem Spielerprofil, dieser absolute Chef-Typ, der er in Leverkusen ist. Und da sieht man eben, wie eine Mannschaft, wenn sie aus der Mitte stark ist, funktionieren kann. Bei Bayern gibt es viele Baustellen. Und definitiv auch diese zentrale Mittelfeldposition. Jetzt fliegen ihnen natürlich unterschiedliche Dinge um die Ohren. Aktuell gibt es mehr Probleme als nur diese „Holding-Six“. Thomas Tuchel hat dieses Element immer wieder angeprangert und dadurch seine Spieler, die diese Position bekleiden, nicht unbedingt gestärkt. Es zieht sich durch und gefühlt kommt man aus diesem Negativtrend nicht raus. Es gibt immer Baustellen, die sich aktuell nicht wirklich lösen lassen.

SPORT1: Am Samstag in Leverkusen war es bemerkenswert, dass die Spieler eigentlich von Beginn an so verunsichert gewirkt haben. Und das, obwohl sie punktemäßig eigentlich gut aufgestellt waren - bis Mittwoch auch in der Champions League. Das war nicht erklärbar, oder?

Simic: Absolut. Die Bayern wurden vor dem Spiel zumindest medial zum Underdog gemacht. Dabei waren die beiden Mannschaften nur zwei Punkte voneinander weg. Man hatte das Gefühl, dass da eine Mannschaft spielt, die extrem schwer in die Saison reinfindet, unter ihrem Level agiert und auf eine Mannschaft trifft, die alles wegräumt, was sich ihr in den Weg stellt und dabei richtig gut performt. Dabei war es ergebnis- und punktetechnisch extrem eng beieinander. Das heißt, die Bayern werden ganz anders wahrgenommen, ganz anders gesehen, medial ganz anders begleitet als Bayer Leverkusen. Und dieser Trend, den man so ausmachen will, der sich punktemäßig bis dahin nicht so bemerkbar gemacht hat, ist in dem Spiel aber trotzdem total klar geworden.

“Tuchel ist authentisch“

SPORT1: Thomas Tuchel bekommt sein System nicht richtig zum Laufen. Was macht er gerade für einen Eindruck?

Simic: Ich finde, er hat es total schwer gehabt, in einen Verein zu kommen, der jahrelang so extrem stabil geführt wurde, wo es immer starke Personen gab - mit Rummenigge und Hoeneß an der Spitze. Ein Hintergrund, der immer gefestigt war. Doch dann hatte er plötzlich ein sehr fragiles Umfeld. Der FC Bayern mit Salihamidzic, mit Kahn, mit einer sehr fragwürdigen Trainerentlassung von Julian Nagelsmann, mit hohen Erwartungen, wo man schnell alles verspielt hat - DFB-Pokal, Champions League. Er hat dieses unruhige Umfeld nie richtig beruhigen können, weil ihm alles Mögliche um die Ohren geflogen ist. Dieser Transfer-Sommer, der nicht optimal verlaufen ist, weil ihm Positionen gefehlt haben, Salihamidzic und Kahn entlassen wurden. Dieser Rahmen, den er da vorgefunden hat, war undankbar für ihn.

Er ist dann akribisch, fanatisch und eben der Typ, der er ist. Sicherlich wirkt er hier und da genervt. Aber ich verstehe es, weil er sich mit allem Möglichen befassen muss. Xabi Alonso macht es zum Beispiel clever. Alle Fragen, die er nicht so gern beantworten will, hält er sehr knapp und durch die hier und da noch vorhandene Sprachbarriere kommt er damit immer gut durch. Xabi Alonso kann gefühlt aktuell machen, was er will, es wird alles zu Gold. Thomas Tuchel dagegen wird viel kritischer gesehen. Tuchel stellt sich immer hin und ist authentisch. Er lässt Einblicke in seine wirkliche Gefühlswelt zu. Für die Medien ist er natürlich Gold wert, weil er immer irgendwas anbietet und polarisiert. Er strahlt etwas aus, ob das jetzt negativ oder positiv bewertet wird. Aber ich glaube, es hängt viel mit diesem Umfeld zusammen, mit dieser Mannschaft, mit vielen Dingen, wo er sich vielleicht auch nicht immer einen Gefallen getan hat, mit seiner Ehrlichkeit. Aber er hat eben nie diese Euphorie entfachen können, das muss man auch ehrlicherweise sagen.

SPORT1: Die Diskussionen, die es bei den Bayern gibt, sind auch in der Nationalmannschaft da. Wäre es nicht schlau, auch wenn es schwierig ist, dieses ganze Konstrukt ein bisschen auseinanderzubrechen?

Simic: Die Mannschaft der Bayern, unabhängig vom Trainer, wirkt nicht wirklich stimmig. Und Uli Hoeneß hat früher immer gesagt, dass der FC Bayern ein Abbild der Nationalmannschaft und andersherum sei, weil es den Anspruch gibt, die besten deutschen Nationalspieler beim FC Bayern als Achse zu integrieren. Ganz viele Themen bei den Bayern decken sich im DFB. Es fehlen so ein bisschen die Typen, diese Chefs, diese Xhakas aktuell. Er sticht da raus, weil er das ganze Spiel leitet und führt, beschleunigt und entschleunigt, also der absolute Leader auf dem Platz ist. Und das fehlt dem FC Bayern. Ich glaube, das sind ähnliche Diskussionen, die wir in der Nationalmannschaft haben und wahrscheinlich hängt das auch ganz eng miteinander zusammen. Es sind beide Mannschaften, in denen die Spieler nicht vor Selbstbewusstsein strotzen. Deswegen wird es sicherlich auch die Spieler in beiden Teams auch ganz stark beeinflussen.

Tuchel schwächt de Ligt

SPORT1: Matthijs de Ligt hat in letzter Zeit nicht wahnsinnig oft gespielt. Wäre er nicht eigentlich dieser Führungsspieler, der was ausstrahlt, der dieser Mannschaft jetzt guttun könnte?

Simic: Ja, total. Er wäre einer für mich gewesen, den ich auch gegen Leverkusen gerne von Beginn an gesehen hätte, weil ich glaube, dass er diese Mentalität hätte einbringen können. Dieses Aufbäumen, auch nochmal diese absolute Zweikampfstärke. Es haben sich schon viele gefragt, warum de Ligt in dem Spiel keine Rolle gespielt hat, wo er eigentlich prädestiniert gewesen wäre, weil es um viele Zweikämpfe ging. Und du machst den Spieler sicherlich auch nicht stärker, sondern schwächst ihn eher.