Alles andere als geplant war der Einsatz von Niklas Süle am Wochenende gegen den FC Bayern. Nach noch nicht einmal 14 gespielten Minuten machte sich der Innenverteidiger intensiv warm, um kurze Zeit später für den verletzten Waldemar Anton (muskuläre Probleme) eingewechselt zu werden.
Süles neue Qualitäten
Weil sowohl Kapitän Emre Can (Gelb-Sperre) als auch die U23-Notlösung Filippo Mané (Wadenverletzung) nicht zur Verfügung standen, hatte Trainer Nuri Sahin keine andere Wahl: Nach rund fünf Wochen Verletzungspause musste Süle direkt von Null auf Hundert, bzw. für 80 Minuten aufs Feld.
Süle überzeugt trotz langer Pause: „Schwerst kaputt“
„Ich habe bewusst gesagt: Ich fühle mich bereit. Ich würde so etwas nicht eingehen, wenn ich nicht den Eindruck hätte, dass ich das gehen kann“, meinte Süle nach dem Spiel beim klubinternen Medium, gab aber direkt zu: „Ich bin schwerst kaputt. […] Ab der 80. waren die Beine dann schon ein bisschen schwer.“
Ab und zu ließ der 29-Jährige noch etwas Timing oder Genauigkeit vermissen. Dennoch lieferte Süle gegen seinen Ex-Verein einen mehr als überzeugenden Auftritt ab (SPORT1-Note: 1,5). Von Beginn an strahlte der Verteidiger Ruhe aus und glänzte mit Passsicherheit – bis zur Pause brachte er jeden Ball bei einem Mitspieler an – Bestwert.
Süles schmerzhaftes Widersehen mit dem FC Bayern
In einer Situation konnte er aber nicht standhalten. Und das hatte schwere Folgen. Beim Freistoß von Leroy Sané bekam er den Ball ins Gesicht, sackte zusammen und fehlte bei der anschließenden Flanke im Zentrum, sodass Jamal Musiala zum späten Ausgleich köpfen konnte (85.).
„Ich kenne Le (Leroy Sane; Anm. d. Red.) schon sehr sehr lange. Ich weiß, wie er die Dinger da reinprügelt und habe den in dem Moment voll in die Fratz bekommen. Ich bin dann leicht benommen liegen geblieben, weil es schon gescheppert hat“, erklärte Süle nach der Partie und verriet, dass er im Anschluss vom Tor „nicht viel mitbekommen“ habe.
Bei Süle hat es Klick gemacht
Süle brauchte ein paar Momente, schüttelte sich einmal und schmiss sich in die letzten Aktionen des Spiels. Sein Auftritt unterstrich einmal mehr seinen Ehrgeiz und seine starke innere Motivation. Eigenschaften, die ihm einige, vor allem vor seiner Transformation im Sommer, schon abgesprochen hatten.
In Dortmund waren und sind alle von seinen Qualitäten überzeugt, genau wie Bundestrainer Julian Nagelsmann. Was fehlt ist die Konstanz über einen längeren Zeitraum.
Der beste Beweis für seinen hohen Stellenwert im Team: Als Sahin im Sommer zum Cheftrainer befördert wurde, kontaktierte der 36-Jährige Süle als einen der ersten Spieler und verdeutlichte ihm, was er von ihm erwarte.
Es schien, als würde es bei Süle Klick machen: Es folgte eine Ernährungsumstellung, mehrere Trainingseinheiten am Tag (und das in seinem Urlaub) und er holte sich mentale Unterstützung, wie er im SPORT1-Interview im Sommer verraten hatte.
Sahin übermittelte Süle aber auch die Nachricht, dass er nicht mehr dem Mannschaftsrat angehören werde. Dem Innenverteidiger war das allerdings herzlich egal. Er ist kein Typ, der große Verantwortung braucht und will – zumindest abseits des Rasens. Für ihn zählt nur das, was auf dem Feld passiert.
Süle schuftet an seinem Comeback
Dass er nach einem Syndesmoseband-Anriss, nach einer „Schwerstverletzung“, wie Sahin es nannte, so früh zurückkehrte, unterstreicht seinen Trainingsfleiß.
„Ich habe versucht durchzuziehen und der Mannschaft zu helfen, so gut es geht. Ich bin sehr dankbar, dass der Klub mich so schnell fit bekommen hat“, lobte Süle den Betreuerstab.
Kämpfer-Qualitäten bewies er damit schon zum zweiten Mal in dieser Saison. Im Oktober rutschte er zunächst aus der ersten Elf, dann legte ihn eine Magen-Darm-Grippe flach. Gegen Real Madrid (2:5) stand er dann allerdings überraschenderweise in der Startelf. Doch ausgerechnet bei seiner Rückkehr fiel ihm Ramy Bensebaini auf den Fuß. Die Folge: Anriss des Syndesmoseband.
Fakt ist: Süle kämpft um seine Form, für seine Mannschaft und vermutlich auch schon ein Stück weit um einen neuen Vertrag.
Bleibt Spitzenverdiener Süle auch in Zukunft beim BVB?
Bis 2026 ist der Innenverteidiger noch an den BVB gebunden. Mit einem Jahresgehalt von über zwölf Millionen Euro, die Bild berichtet sogar von 14 Mio., ist er Spitzenverdiener im Team. Zum Vergleich: Nico Schlotterbeck und auch Waldemar Anton kommen wohl nur auf die Hälfte (rund sechs Mio Euro).
Ob Süle in eineinhalb Jahren beim BVB nochmal einen derartig lukrativen Vertrag vorgelegt bekommt, darf stark angezweifelt werden. Der Verteidiger müsste wohl mit deutlichen Kürzungen rechnen.
Seine langfristige Zukunft in Dortmund bleibt also ungewiss. Genauso wie die kurzfristige und die lautet: Auswärtsspiel in Mönchengladbach (hier im LIVETICKER).
Wer bekommt den Vorzug? Süle oder Can?
Abwehrchef Nico Schlotterbeck ist im Zentrum gesetzt, Anton und Mané fallen zwar mindestens für die Spiele am Wochenende und am Mittwoch gegen den FC Barcelona aus, doch Emre Can kehrt von seiner Sperre erholt zurück. Gerade der Kapitän stellte in Süles Abwesenheit seine Stärken auf dieser Position unter Beweise und betonte, dass er sich dort sehr wohl fühle.
Wer bekommt den Vorzug? Can oder Süle? Sahin wollte sich auf der Pressekonferenz am Donnerstag-Mittag nicht in die Karten gucken lassen. „Schnell sind sie beide, Fußball spielen können beide, Kopfballspiel auch. Der einzige Unterschied ist vielleicht, dass er eine mehr kommuniziert als der andere.“
Süle ist sicher kein Lautsprecher, doch der Eifer und die Lust auf dem Platz zu stehen, sind bei dem Innenverteidiger groß wie selten zuvor.