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Rummenigge? “Er regt sich über durchgeknallte Milliardäre auf”

Salary Cap? „Rattenrennen“ als Problem

Explodierende Gehälter sind ein Dauerthema im Profifußball. Karl-Heinz Rummenigge macht sich erneut für eine Obergrenze stark. Aber ist eine Umsetzung wirklich realistisch? Der frühere DFL-Finanzchef Christian Müller findet im Gespräch mit SPORT1 deutliche Worte.
Auf SPORT1-Nachfrage erklärt Karl-Heinz Rummenigge, wie er für die Deckelung von Spielergehälter im Profifußball sorgen will.
Explodierende Gehälter sind ein Dauerthema im Profifußball. Karl-Heinz Rummenigge macht sich erneut für eine Obergrenze stark. Aber ist eine Umsetzung wirklich realistisch? Der frühere DFL-Finanzchef Christian Müller findet im Gespräch mit SPORT1 deutliche Worte.

Während der FC Bayern München in diesen Tagen anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten stolz auf seine Errungenschaften in den vergangenen 125 Jahren zurückblickt, richtet der langjährige Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge auch einen kritischen Blick in die Zukunft. Dabei rückt er ein Dauerthema erneut in den Fokus: eine Deckelung der Gehälter im Profifußball.

Seinen Wunsch nach einer Gehaltsobergrenze hinterlegte Rummenigge auch bei FIFA-Präsident Gianni Infantino. „Ich glaube, wir brauchen die FIFA an oberster Stelle, um eine Lösung zu finden“, sagte Rummenigge am Mittwoch auf SPORT1-Nachfrage.

Die Forderung nach einem sogenannten Salary Cap ist keineswegs neu - das weiß auch ein früherer Weggefährte. „Die Klubs geben offensichtlich zu viel Geld für Spieler aus, darüber konnte ich selbst häufig mit Kalle Rummenigge sprechen“, sagte Christian Müller im Gespräch mit SPORT1. Der heutige Leiter des Studiengangs Sportmanagement an der Hochschule Fresenius war von 2001 bis 2010 Geschäftsführer Finanzen und Lizenzierung bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) und danach Geschäftsführer von Dynamo Dresden.

Müller: Rummenigge regt sich über „durchgeknallte Milliardäre auf“

„Allerdings stört sich Kalle - dessen Klub dank potenter Aktionäre und dem dauerhaften sportlichen Erfolg zu verdankender Mehrerlöse in der Bundesliga über das meiste Geld verfügt - dabei vor allem an den Rivalen in den anderen europäischen Ligen. Worüber sich Kalle aufregt, sind durchgeknallte Milliardäre und skrupellose Staatsfonds, die ihre Klubs - koste es, was es wolle - ins Champions-League-Finale bringen wollen und dadurch die Spielergehälter eskalieren“, ergänzte Müller.

Der langjährige Sportfunktionär sprach von einem „Rattenrennen“ in Bezug auf den Kampf um internationale Trophäen oder die Verhinderung des Abstiegs: „Am Ziel gibt es große Käsestücke, wenn die Rechnung aufgeht, also gib Vollgas!“

Einige Rennteilnehmer brächten eine bessere Konstitution mit, andere setzen in ihrer Verzweiflung immer mehr Kalorien ein – um im Ziel festzustellen, dass die kleinen Käsestücke den Kalorieneinsatz nicht aufwiegen. In Geld gesprochen: Verlust gemacht.

Steigende Gehälter: Bayern in Europa auf Platz sechs

Zwar stiegen die Spielergehälter in den vergangenen Jahren nicht mehr ganz so rasant, doch die Zahlen bewegen sich noch immer in exorbitanten Höhen. Aus dem im vergangenen Jahr von der UEFA veröffentlichten „European Club Finance and Investment Landscape Report“ geht hervor, dass der FC Bayern mit 416 Millionen Euro Gehaltskosten für das Jahr 2023 im europäischen Vergleich auf Platz sechs lag.

Spitzenreiter war der FC Barcelona mit 639 Millionen Euro, gefolgt von Paris Saint-Germain mit 617 Millionen Euro und Manchester City mit 554 Millionen Euro.

Zuletzt sah Rummenigge wieder eine bedenkliche Entwicklung. „Die ganzen Vertragsverhandlungen, die ich bei uns miterlebe, gehen immer nur in eine Richtung: immer höher, immer weiter, immer schneller. Irgendwo muss das viele Geld aber herkommen”, sagte der frühere Bayern-Boss kürzlich im Interview mit der Sport Bild. „Wir fahren alle auf eine Wand zu - und keiner ist bereit, vom Gas zu gehen.“

Rechtliche Hürden beim Salary Cap

Alle Managements weltweit würden nur noch „auf die Jagd nach Geld gehen, um Spieler und Berater zufriedenzustellen“, klagte Rummenigge am Mittwoch. Er will daher nun „alle Stakeholder“ an einen Tisch bringen. Spielergewerkschaft, Berater, Ligen und Verbände sollen versuchen, „in der ohne Frage schwierigen Diskussion eine Lösung zu finden, weil so kann es nicht weitergehen“, erklärte Rummenigge.

Müller weiß als Mitgestalter des Financial-Fair-Play-Reglements, dass seit 25 Jahren bei der UEFA über Gehaltsobergrenzen gesprochen wird. Aber alle wissen, dass die Hürden im Kartellrecht und bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer unüberwindbar sind.

Eine „bezweckte Wettbewerbsbeschränkung“ hätte vor dem Europäischen Gerichtshof keinen Bestand. Dies zeigen auch die zuletzt gescheiterten Versuche der FIFA, die Berater-Honorare einzudämmen.

Auch Max Eberl sieht in den rechtlichen Hürden den Knackpunkt beim Wunsch nach einer Gehaltsobergrenze. „Wie willst du eine freie Marktwirtschaft reglementieren?“, sagte Eberl auf der Bayern-PK am Donnerstag. „Man ist nicht ganz frei in seinen Entscheidungen, weil es auch Menschen gibt, die dagegen klagen werden. Die Freiheit des Menschen in allen Bereichen ist dann doch ein Stück weit unantastbar.“ Generell sei er aber offen für die Debatte.

Gehaltsobergrenze nur eine Nebelkerze?

Immer wieder werden in der Diskussion um eine Deckelung der Spielergehälter im Profifußball die Profiligen im US-Sport genannt. Doch das System mit abgeschlossenen Ligen ohne Auf- und Abstiege sowie den Drafts lässt sich nur schwer mit dem europäischen Fußball vergleichen.

Und Schlupflöcher, etwa in Form von Sponsoringverträgen, werden auch damit nicht gänzlich verhindert. Richtig hart sind die Gehaltsdeckel selbst in Nordamerika nicht.

Mit Blick auf den europäischen Fußball sprach Müller von einer Nebelkerze, wenn Gehaltsobergrenzen ins Spiel gebracht werden.

„Wenn Rummenigge wirklich an die ruinösen Gehälter ranwill, hilft nur eine konsequente Regulierung des Anteilbesitzes an Klubs“, betonte der 61-Jährige. „Den Spielern ist nicht zu verübeln, dass sie gierig sind.“

Müller kritisiert die „Großkopferten der ECA“

Die Schuld liege bei den Klubs selbst, führte Müller weiter aus und nahm Bezug auf die von Rummenigge ins Leben gerufene Vereinigung der europäischen Topklubs ECA, dessen Vorsitz der frühere Bayern-Boss von 2008 bis 2017 innehatte.

„Wenn die Großkopferten in der ECA, die Kalle ja allesamt bestens kennt, sich wirklich darauf verständigen wollten, Spinner, die bei den Gehältern und Ablösen der Klubs jedes Maß ignorieren, entsprechend zu sanktionieren oder sogar aus ihrer elitären Blase auszuschließen, könnten die Exzesse verhindert werden. Doch selbst die deutschen Klubvertreter in der ECA lassen da Ehrgeiz und Eifer vermissen”, sagte Müller.

Und Rummenigges Hoffnung, ausgerechnet Infantino auf die Seite der Guten zu ziehen, dürfte schwierig werden, mutmaßt Müller, der den 54-Jährigen von früher kennt.