Florian Kainz hatte es ziemlich oft per Freistoß versucht. 29 Mal in 15 Jahren. Klappen wollte es nie. Sonderlich optimistisch dürfte der Österreicher also nicht gewesen sein, als er sich beim turbulenten 4:1 des 1. FC Köln gegen den Hamburger SV kurz nach der Pause den Ball zurechtlegte. Leicht rechts versetzt, rund 17 Meter vom Tor entfernt.
15 Jahre Anlauf
15 Jahre Anlauf
Doch was wären Statistiken, wenn sie nicht auch einmal danebenliegen würden – und genau so kam es. Kainz schlenzte die Kugel sehenswert über die Mauer hinweg und traf präzise in den rechten Knick. Ein toller Freistoß, der die Domstädter zwischenzeitlich mit 2:0 in Führung brachte und für den Torschützen eine echte Erlösung darstellte.
„Ich habe den gut getroffen und bin sehr froh, dass ich jetzt endlich mein erstes Freistoßtor in meiner Karriere gemacht habe“, schilderte Kainz und verriet, dass eigentlich Isak Johannesson schießen wollte: „Ich habe dann zu ihm gesagt, schauen wir mal, wo der Torwart steht. Und der stand relativ weit im Torwart-Eck. Für mich echt gut zu schießen. Deshalb habe ich gesagt: Lass mich schießen. Und dann habe ich ihn gut getroffen.“
Eigentlich ist Kainz nur noch Reservist
Für den umjubelten Mann war es eine doppelte Erlösung. Einerseits das erste Mal, dass ein direkter Freistoß sitzt. Andererseits die perfekte Rückkehr in die Startelf.
Kainz, der mit 33 Jahren im gehobenen Fußballeralter angekommen ist, hat bei den Rheinländern in seinen fast 200 Spielen schon viel erlebt. Aufstiege, Abstiege, internationale Abende – zuletzt sank jedoch sein Einfluss auf die Mannschaft merklich.
Im Sommer bekam Kainz ungeschönt mit auf den Weg, dass er in dieser Spielzeit eher nur noch Bankdrücker sein würde. Und daran ändert sich wohl auch nichts.
„Er wird nicht mehr jedes Spiel über 90 Minuten gehen können”, sagte Trainer Lukas Kwasniok nun. So muss sich der Routinier, zuvor jahrelang unumstrittener Leistungsträger, allmählich an seine neue Rolle gewöhnen. Bis zum Heimspiel gegen den HSV stand er kein einziges Mal in der Anfangsformation.
Kainz selbst nimmt die Situation offenbar relativ gelassen entgegen. „Es ist eine neue Situation“, sagte der Mittelfeldspieler zu seiner neuen Rolle innerhalb des Teams. „Wir haben Erfolg, und ich gebe mein Bestes – egal, in welcher Rolle. Ich habe sie ganz gut angenommen. Im Sommer wurde alles klar kommuniziert. Deshalb habe ich jetzt versucht, alles rauszuhauen.“ Warum er ausgerechnet für den Kölner Coach ausgerechnet gegen die Hanseaten wieder wichtig war?
„Kainz war der perfekte Mann dafür“
„Ich habe mich dazu entschlossen, mit einem Zielspieler - (Ragnar; Anm. d. Red.) Ache - und einem Tiefgänger - (Linton; Anm. d. Red.) Maina - zu beginnen“, schilderte Kwasniok. „Dann hilft es, wenn du so einen spielintelligenten Spieler wie Kainz im Kader hast. Diese Ausrichtung wählen wir selten, aber wir wollten diese Drei-Zwei-Situation im Mittelfeld herstellen – da war Kainz der perfekte Mann dafür.“ Der perfekte Mann ist Kainz aber in den kommenden Tagen auch für eine andere Sache.
Für das Derby gegen Borussia Mönchengladbach, das am kommenden Samstagabend (ab 18.30 Uhr im LIVETICKER) auf dem Programm steht. Als früherer Kapitän und mittlerweile dienstältester Spieler kennt Kainz die Rivalität wie kaum ein Zweiter.
„Ich habe schon einige Geschichten in Derbys erlebt – gute und schlechte“, sagte er. In acht Duellen mit Gladbach kommt er auf drei Siege, drei Niederlagen und zwei Unentschieden. Eine ausgeglichene Bilanz, die Kainz jetzt ins Positive drehen möchte.
Derby-Experte Kainz ist gefragt
Würde Kainz an seine vergangenen Derbys anknüpfen, wäre eine ordentliche Basis gelegt. Beim letzten Heimsieg 2023 verwandelte er gleich zwei Elfmeter zum 3:1.
Beim letzten Auswärts-Derby 2024 rettete er mit gleich zwei Torvorlagen einen Punkt (3:3). Jetzt gilt es, die gemachten Erfahrungen an die neuen Teamkollegen weiterzugeben und sozusagen den Lehrer zu spielen. Denn Köln kommt auf insgesamt zwölf Neuzugänge, für den Großteil des Teams ist es das allererste Derby.
Aber Kainz gab schon ein Versprechen ab. „Das ist ein sehr spezielles Spiel“, sagte er. Man wolle es richtig angehen und die Bedeutung intern nochmals hervorheben, „weil wir doch viele neue Spieler haben. Und dann gehen wir voller Leidenschaft in das Spiel und werden alles raushauen.“ Die Fans werden das sicherlich gerne hören.