Das Derby war längst vorbei, das Staunen nicht. Auch Minuten und Stunden nach dem Abpfiff redeten alle über dieses unglaubliche Kunstwerk von Martin Terrier, das problemlos in den Louvre passen würde. Zahlreiche Fans und Beobachter spekulierten sogar, ob dies der schönste Treffer war, der je in der BayArena erzielt wurde. Derweil hatte Robert Andrich schon eine Idee, wie man den Treffer angemessen würdigen könnte. „Wir haben gesagt: Puskas-Award kommt jetzt“, grinste der Leverkusener Kapitän.
Bundesliga: Ein verkorkstes Jahr endet spektakulär!
Ein Pechvogel verzückt die Bundesliga
Andrich erinnerte sich dabei vielleicht an 2017. Damals gewann der frühere Arsenal-Stürmer Olivier Giroud jenen acht Jahre zuvor eingeführten und prestigeträchtigen Preis, der den Spieler mit dem ästhetischsten Tor eines Kalenderjahres auszeichnet – und zwar mit einem sogenannten Skorpion-Kick. Ein Geniestreich, der dem seines französischen Landsmanns Terrier am Samstag sehr ähnelte. 66 Minuten waren im Rheinland absolviert, als der 28-Jährige urplötzlich seinen magischen Augenblick hatte.
Terrier: „Das beste Tor meiner Karriere“
Was war passiert? Teamkollege Arthur genoss auf der rechten Seite etwas Platz und flankte in den Strafraum. Eigentlich in den Rücken von Terrier. Doch der machte das wahrhaftig Beste daraus und hatte einen „dieser instinktiven Stürmermomente“, wie er später selbst erzählte: „Ich habe den Ball gesehen und gedacht: Ach komm, ich probiere es und dann mal sehen.“ Geistesgegenwärtig warf er sein rechtes Bein nach hinten, bugsierte den Ball im Vorwärtsfallen und hinter seinem Rücken per Bogenlampe ins lange Eck. Ein Wahnsinn.
„Das war das beste Tor meiner Karriere“, betonte der vor anderthalb Jahren nach Leverkusen gewechselte Terrier und scherzte: „Ich wollte ihn auf jeden Fall so aufs Tor bringen, früher habe ich mir diese Tore auf YouTube angeschaut und mir schon gedacht: Ja, das kannst du doch auch.“ Gesagt, getan. Den Abend wollte der gefeierte Held ausdrücklich genießen. Nicht zuletzt wegen seiner bewegenden Vorgeschichte. Schließlich sollte es für Terrier der besondere Schlusspunkt im letzten Heimspiel eines total verkorksten Jahres mit einer gefühlt ewigen Leidenszeit sein.
Leverkusen: Terrier war letzte Saison der große Pechvogel
Seine Debütsaison bei der Werkself war nämlich primär eines: extrem bitter. Zunächst zog sich der Franzose Ende Oktober 2024 eine Muskelverletzung im Oberschenkel zu und fiel für vier Wochen aus. Als er zurückkehrte, brach er sich im selben Spiel den Unterarm. Die nächste Zwangspause folgte umgehend – aber es sollte längst nicht die schlimmste bleiben. Denn im Januar 2025 avancierte Terrier endgültig zum Pechvogel der Saison und riss sich bei einer Allerweltsszene die Achillessehne.
Bei einem Heimspiel gegen Mönchengladbach wollte Terrier nach einem kurz ausgeführten Abstoß der Gäste lediglich den Gegner anlaufen, da passierte es aus dem Nichts beim Lossprinten. Ohne Fremdeinwirkung sank er zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen. Einen Tag später gab es die bittere Gewissheit: Schon wieder eine Pause. Wieder ein Rückschlag. Nur diesmal ein richtig heftiger und langwieriger. Neun quälend lange Monate konnte der Unglücksrabe kein Bundesliga-Spiel absolvieren.
Wie es sich anfühlt, sich über einen solchen Zeitraum zurückkämpfen zu müssen, wusste der leidgeprüfte Offensivspieler bereits. Für ihn war es die zweite schwere Verletzung seiner Laufbahn. In der Saison 2022/23 hatte er sich bei seinem früheren Verein Stade Rennes einmal das Kreuzband gerissen, als er gerade zu den großen Namen und treffsichersten Spielern der Ligue 1 emporstieg. In seinen 40 Partien vor der Schreckensverletzung schoss er sagenhafte 29 Tore und näherte sich gar in kleinen Schritten der französischen Nationalmannschaft an.
Terriers Zeit in Leverkusen startete holprig
Allerdings brauchte Terrier fast ein Jahr, bis er wieder voll belastbar war. Der Rhythmus ging verloren, seine Zeit in Rennes endete und auch das neue Kapitel in Leverkusen begann recht mühsam. Erst versperrte ihm Florian Wirtz den halblinken Offensivposten im Mittelfeld, seine Lieblingsposition. Dann taten seine Ausfälle ihr Übriges. Immerhin verlief die Reha nach dem Achillessehnenriss beinahe ungewöhnlich glatt. Ab September kehrte er schrittweise ins Teamtraining zurück – und es kam noch besser.
Bei seinem Comeback, dem 4:3 in Mainz, traf Terrier auf Anhieb. Genau neun Monate nach Beginn seiner Leidenszeit und lediglich neun Minuten nach seiner Einwechslung. In einer Medienrunde sprach er kurz darauf über sein Geheimnis. „Ehrlich gesagt hatte ich seit der Operation keinerlei Schmerzen“, schilderte er und ergänzte: „Das hat mich selbst überrascht. Ich konnte täglich trainieren und merkte sofort Fortschritte. Die Physiotherapeuten sagten mir, es sei selten, komplett beschwerdefrei zu sein. Ich habe alles investiert, um zurückzukommen. Durch meinen früheren Kreuzbandriss wusste ich, worauf ich achten muss.“
Bayer-Coach ließ Terrier nicht hängen
Auch der Leverkusener Umbruch im Sommer warf ihn nicht aus der Bahn. Zahlreiche Leistungsträger verließen den Klub, neue Spieler kamen. Für einen Langzeitverletzten nicht leicht, den Anschluss zu halten. Doch Trainer Kasper Hjulmand ließ Terrier nie hängen – mit vorläufigem Erfolg. Immer häufiger kann der Franzose seine wahren Stärken zeigen und beweisen, weshalb Bayer im Sommer 2024 stolze 20 Millionen Euro Ablöse für ihn zahlte: Physisch stark, technisch sauber und mit einem hervorragenden Torabschluss ist er jetzt sozusagen der heimliche Neuzugang unter allen Neuzugängen.
So sind die meisten Probleme fürs Erste beiseite geschoben. Erst recht nach dem „Magic-Moment“, wie es Hjulmand beschrieb. Lediglich ein neues ist entstanden. Denn Terrier hat tatsächlich gewaltige Skorpion-Kick-Konkurrenz. Erst am Wochenende zuvor vollbrachte Luka Vuskovic für den Hamburger SV gegen Werder Bremen ein ähnliches Kunststück. Ebenfalls in einem Derby. Welches das Tor des Monats wird? Und welches für den Puskas-Award nominiert wird? Darüber dürfte nun heiß diskutiert werden.