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Mainz 05: Heidel von der Realität eingeholt

Eine verpasste Chance

Benjamin Hoffmann beerbt Bo Henriksen als Trainer bei Mainz 05 – allerdings nur als Interimslösung. Weshalb das eine Überraschung ist.
Christian Heidel setzt am Donnerstag bei einer Pressekonferenz zur Brandrede an. Der Hintergrund: Das Aus von Bo Henriksen und die Rolle der Medien.
Benjamin Hoffmann beerbt Bo Henriksen als Trainer bei Mainz 05 – allerdings nur als Interimslösung. Weshalb das eine Überraschung ist.

Am Mittwoch um 15.56 Uhr veröffentlichte Mainz 05 die Meldung, dass Bo Henriksen nicht mehr Trainer des Vereins ist.

Der Däne, als Hoffnungsträger gekommen und schnell zum Fan-Liebling avanciert, hatte schon zu lange keine Mittel mehr gefunden gegen die Talfahrt beim Bundesligisten. Diese ist freilich nicht ihm alleine anzulasten.

Sportvorstand Christian Heidel musste sich bei der Pressekonferenz mit Interimscoach Benjamin Hoffmann erstmal etwas von der Seele reden.

Heidel wollte sich „stilvoll“ trennen

Die Medienkritik, wonach es zwischen der 0:4-Klatsche gegen Freiburg am Sonntagabend und der Vereinsmeldung zur Trennung von Henriksen zu lange gedauert habe, wollte er so nicht auf sich sitzen lassen.

„Stilvoll“ habe man sich trennen wollen, betonte Heidel. Was in diesem Fall bedeutet habe, in den Tagen nach der Niederlage mehrere Gespräche miteinander zu führen, an deren Ende die einvernehmliche Trennung gestanden habe.

Auch Henriksen habe sich letztlich für einen neuen Impuls ausgesprochen. Er bleibe dem Verein verbunden und auch zunächst in Mainz, ließ Heidel wissen.

Henriksen und Heidel waren eng verbunden

Die Emotionalität des 05-Bosses kommt nicht von ungefähr. Die enge Verbindung zwischen ihm und dem Trainer war aus seinen Worten in den letzten Monaten immer wieder herauszuhören.

Es dürfte schon Trennungen gegeben haben, die Heidel leichter gefallen sind als diese. Zum einen menschlich. Auf der anderen Seite hat der Sportvorstand seit seiner Rückkehr 2020 zu Mainz 05 nun bereits zum zweiten Mal - zuvor war es Bo Svensson - die Trennung von einem Cheftrainer verkündet, mit dem eine langfristige Zusammenarbeit, gar eine gemeinsame Ära, angestrebt worden war.

Das ist auch für ihn persönlich eine Niederlage, die das Transfergeschehen der letzten Jahre in den Fokus rückt. Zu viele Ideen der Verantwortlichen sind dabei nicht aufgegangen.

Realität holt Heidel ein

Heidel hat nach den Jahren auf Schalke öffentlich nie ein schlechtes Wort über Rouven Schröder verloren, der Mainz 05 in dieser Zeit gelenkt hat.

Wohl aber hat er in Bezug auf Abstiegskämpfe und Trainerkarussell immer mal anklingen lassen, dass dies in der Neuzeit vor allem während seiner Abwesenheit Themen waren.

Spätestens jetzt haben sie ihn in Mainz eingeholt. Denn das Tempo der Veränderungen im Fußball-Business nimmt immer weiter zu – und nicht alles, was sich mal bewährt hat, funktioniert heute noch.

Hoffmann glänzte schon mit U19

Der Fokus der PK lag vermutlich auch deshalb sehr auf dem Sportvorstand – nicht dabei war übrigens Sportdirektor Niko Bungert – und weniger auf demjenigen, der nun vorübergehend in der ersten Reihe steht: Benjamin Hoffmann.

Dabei ist der Coach einer, der durchaus etwas zu sagen hat. Und bei dem die verunsicherten Profis in guten Händen sind; auch wenn schon jetzt klar kommuniziert ist, er wird lediglich als Interimslösung aushelfen.

Hoffmann kam 2019 vom BVB zu Mainz 05. Geholt hat ihn seinerzeit allerdings nicht Heidel – sondern Schröder. Mit der U19 gewann er als Trainer 2023 die Deutsche Meisterschaft.

Klassenerhalt mit der U23

Die magischen Youth-League-Nächte seines Teams am Bruchweg hatten durchaus ihren Anteil am Klassenerhalt unter Bo Henriksen, weil die Fans eine positive Andockstelle mit dem Klub behielten in ungemütlichen Zeiten mit den Profis.

Die Euphorie in der Stadt, die Henriksen mit seiner emotionalen Art noch ausweitete, hat seinerzeit ihren Anfang genommen.

In der vergangenen Saison gelang dem zur U23 beförderten Hoffmann in einem echten Herzschlagfinale der Klassenerhalt mit der Zweiten Mannschaft.

Selbstvertrauen als Erfolgsrezept?

Dem Team wolle er vor allem Selbstvertrauen geben, betonte Hoffmann bei der PK und erzählte, wie eng die U23 verzahnt sei mit den Profis und wie gut er die Abläufe kenne.

Mit ihm auf der Bank sitzen wird am Freitag sein langjähriger Co-Trainer Christof Babatz, einst selbst Profi bei 05.

Spannend wird dann auch zu beobachten, welche Rolle Nelson Weiper unter seinem langjährigen Förderer einnehmen kann. Wenn Hoffmann dem unbestrittenen Talent mangelndes Selbstvertrauen zurückgeben kann, wäre damit schon viel gewonnen.

Interimslösung eine verpasste Chance?

Bei der Trennung von Bo Svensson hatte Heidel seinerzeit auf Nachfrage erklärt, man habe sich gegen die interne Lösung mit Hoffmann entschieden, um dem die Möglichkeit zu geben, sich im Erwachsenenbereich bewähren zu können, ohne direkt im Abstiegskampf mit den Profis verbrannt zu werden. Damals erschien das schlüssig.

Nun antwortete er auf dieselbe Frage, man suche einen Trainer mit anderen Eigenschaften, vor allem in Abgrenzung zu Henriksen. Diesmal ergibt das keinen rechten Sinn.

Hoffmann ist mit seiner ruhigen und analytischen Art, der es aber keinesfalls an Emotionen fehlt, ein ganz anderer Typ als Henriksen. Im Duo mit Babatz wirkt er wie eine Idealbesetzung. Ihm nicht die Möglichkeit zu geben, sich auf der Position zu bewähren, wirkt wie eine verpasste Chance.