So schnell können sich Zeiten ändern! Vor dem 14. Februar war Malick Thiaw ein No-Name in Mailand. Keine drei Wochen später ist das königsblaue Eigengewächs unumstrittener Leistungsträger und Liebling der Milan-Fans.
Von 0 auf 100: Thiaw im Flick-Feld
An jenem 14. Februar, dem 1:0-Erfolg im Achtelfinal-Hinspiel gegen Tottenham Hotspur, änderte sich für Thiaw in Mailand alles. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Champions League)
Thiaw stand urplötzlich in der Startelf von Milan - dabei war er im Vorjahr noch nicht einmal Teil des Königsklassen-Kaders. Doch von Unsicherheit war keine Spur, der Abwehrhüne spielte sich innerhalb von 90 Minuten in die Herzen der Milan-Fans. 76 Prozent der Tifosi wählten Thiaw zum Spieler des Spiels.
In der Hinrunde noch Dauerreservist, kochte Thiaw gemeinsam mit Kapitän Simon Kjaer die Spurs-Offensive um Harry Kane gnadenlos ab. „Er hat ein tolles Spiel gemacht“, befand auch sein Trainer Stefano Pioli: „Ich sehe, wie er jeden Tag im Training arbeitet. Mit diesen Jungs sollte man rechnen.“
Italiens Presse jubelt: „Neue Legende aus Deutschland“
Die meinungsstarke Tageszeitung Gazzetta dello Sport war ebenfalls hin und weg: „Das San Siro hat eine neue Legende und die kommt aus Deutschland. Aggressiv und zäh, Thiaw wird bestimmt zum Fixstern im Milan-Kader werden“, kommentierte das Sportfachblatt - und behielt Recht.
Thiaw ist nicht mehr wegzudenken aus der Dreierabwehrkette und ein Grund für den Leistungssaufschwung der Mailänder seit der Derby-Pleite gegen Inter Anfang Februar. Seitdem stand Malick Thiaw in allen fünf Pflichtspielen auf dem Rasen, vier dieser fünf Partien gewannen die Lombarden zu null.
Die Entwicklung des U21-Nationalspielers ist phänomenal und war in dieser Form und Rasanz nicht zu erwarten.
Schalker Jung in Mailand: „War nicht einfach“
Im vergangenen Sommer hatte sich Thiaw gegen einen Stammplatz bei Schalke 04 für den großen AC Mailand entscheiden. Das erste halbe Jahr in Norditalien gestaltete aber schwierig für den ruhigen Youngster. „Es war nicht einfach für mich: neue Sprache, neue Kultur, ein anderer Matchplan“, sagte Thiaw nach dem Sieg gegen Tottenham.
Beim aktuellen italienischen Meister war Thiaw nach seiner Ankunft direkt ins zweite Glied gerutscht. Seine ersten Pflichtspielminuten bekam er erst am 16. Oktober bei Hellas Verona. Zwar versicherte sein Trainer Pioli, dass „das Vertrauen in Thiaw nie gefehlt“ habe, dennoch war das Italien-Abenteuer für ihn zu Beginn ein echter Kampf.
Nach seinem Kurz-Debüt in Verona kämpfte sich Thiaw mehr und mehr ins Team. Immerhin zwei Startelfeinsätze folgten bis zum Ende der Hinrunde. Doch erst im Januar, als Milan binnen fünf Tagen mit 0:4 bei Lazio Rom und mit 2:5 gegen Sassuolo unterging, änderte sich das Schicksal von Thiaw. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Champions League)
Milans Krise wird Thiaws Chance
Pioli wollte mehr defensive Stabilität und stellte dafür im Stadtderby gegen Inter (0:1) von Vierer- auf Dreierkette um. Eine Woche später stand Thiaw gegen den FC Turin in eben jener Kette erstmals in der Startelf - und verpasste seitdem keine Minute mehr.
„Nach ein paar Monaten gewöhnt man sich mehr dran, was die Mitspieler und der Trainer von dir wollen“, berichtete Thiaw, der mit seinen 21 Jahren verblüffend abgeklärt mit seinem kometenhaften Aufstieg umgeht. „Ich denke, ich habe es locker genommen, habe mich auf das Spiel und meine Stärken konzentriert“, sagte er nach seinem Königsklassen-Debüt.
Ein weiterer Pluspunkt, der dem gebürtigen Düsseldorfer in der Dreierkette entgegenkommt, sind seine spielerischen Fähigkeiten. Alle Innenverteidiger im Milan-Kader sind Rechtsfüße, doch keiner ist so stark mit links wie Thiaw. Zudem interpretiert er seine Rolle auf der halblinken Abwehrseite offensiv und modern.
Gegen Tottenham tackelte kein Spieler auf dem Feld erfolgreicher und hatte mehr Balleroberungen. Den 1:0-Siegtreffer gegen Tottenham leitete Thiaw zudem mit einem langen Ball ein.
Gegen die Spurs profitierte Thiaw zwar von der Hüftverletzung des gesetzten Abwehrmanns Fikayo Tomori. Doch auch seit der Rückkehr des englischen Nationalspielers scheint Thiaw gegenüber Routinier Simon Kjaer den Vorzug zu erhalten.
Bis 2021 finnischer Staatsbürger
Sollte Thiaw seinen Stammplatz und seine Leistungen auf lange Sicht bestätigen, ist der Rheinländer mit finnischen (Mutter) und senegalesischen (Vater) Wurzeln ein heißer Kandidat für die deutsche Nationalmannschaft und Hansi Flick.
„Wenn man die WM betrachtet, waren die Mannschaften die erfolgreichsten, die die wenigsten Tore reinbekommen haben“, betonte der Bundestrainer zuletzt: „In der Defensive müssen wir uns verbessern.“
Flicks Glück ist, dass sich Thiaw rechtzeitig für sein Heimat- und gegen sein Mutterland entschied: In jüngeren Jahren war Thiaw noch Teil der finnischen U17, kam dort aber nie zum Einsatz.
Erst 2021 entschied er sich dazu, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen und künftig für sein Heimatland aufzulaufen. Im Herbst feierte Thiaw seine Premiere als Kapitän der deutschen U21-Nationalmannschaft - und das ausgerechnet beim „Auswärtsspiel“ in Italien.