In dem Moment, als der FC Bayern sorglos in einen Konter des BVB geriet, machten viele Akteure Fehler oder ließen es an Übersicht vermissen. Leon Goretzka und Leroy Sané rutschten nicht nach außen, um Dortmunds Flankengeber Ryerson zu stören, für Jonas Urbig war die Hereingabe vielleicht zu lang und zu hoch geschlagen. Also musste es der Mann richten, der in dieser Saison einige gute, aber auch einige schlechte Partien für den Rekordmeister absolviert hat: Minjae Kim.
Es wirkt wie eine Warnung
Doch der Koreaner konnte Maximilian Beier nicht mehr stören - oder besser gesagt: Kim versuchte es nicht einmal. Stattdessen ging er einen Schritt zu Seite. Weg vom Gegner, weg vom Ball. Die Bayern waren plötzlich im Rückstand.
„Das ist ein Fehler, das weiß er selbst auch. Er verliert den Gegner einfach aus den Augen“, sagte Max Eberl nach der Partie. Selbst der Sportvorstand, der seit Beginn der Saison ein glühender Verteidiger des bayerischen Abwehrpersonals ist, konnte die Aktion seines Schützlings nicht wohlwollend erklären.
Kim schafft es ausgerechnet in der heißen Phase der Saison nicht, seine Leistungen abzurufen. Immer wieder lässt er sich beispielsweise zu früh aus der Abwehrreihe locken. Eine Erfahrung, die die Bayern schon in der vergangenen Saison machen mussten. Ob in Heidenheim oder zu Hause gegen Real Madrid: Das „Monster“, wie sie ihn in Italien nannten, schießt immer wieder wie ein Torpedo nach vorne und fehlt dann hinten. Wenn dann noch solche Aussetzer wie gegen Dortmund hinzukommen, wird es eng für den Koreaner.
Macht es Kompany wie Tuchel?
Thomas Tuchel reagierte vor einem Jahr darauf, setzte Kim dauerhaft auf die Bank und legte sich auf Eric Dier und Matthijs de Ligt fest. Und Kompany? Der aktuelle Bayern-Trainer nahm den konfusen Koreaner gegen Dortmund nur wenige Minuten nach dessen Fehler vom Platz. Ein Zeichen?
„Wir haben einen kleinen Kader. Wir brauchen jeden Spieler. Ich habe den Luxus nicht, dass ich den ein oder anderen Spieler abbreche. Die Jungs, die da sind, müssen die Leistung holen“, sagte Kompany bei Sky, als er auf Kims Fehler angesprochen wurde. Der Trainer lässt damit Interpretationsspielraum. Er stellt Kim nicht an den Pranger, verlangt aber Leistung und schützt den Spieler gefühlt nur deswegen, weil er keine Alternative auf der Bank hat.
Besonders zu denken geben dürfte dem Belgier die Tatsache, dass Kim laut der Datenerfassung von Opta bereits sechs Tore durch grobe Fehler verschuldet hat – damit steht er in allen fünf Top-Ligen Europas an der Spitze dieser Negativliste.
Immerhin hat Kim die Unterstützung der Mitspieler. „Wir schießen gemeinsam Tore und kassieren sie auch gemeinsam“, sagte Harry Kane und auch Joshua Kimmich wollte sich nicht darauf einlassen, Einzelne zu kritisieren. Trotzdem sagte der 30-Jährige vielsagend auf SPORT1-Nachfrage: „Wir müssen erwachsener werden.“
Kim ein negatives Sinnbild
Kim ist in der aktuellen Diskussion um die geschrumpfte finanzielle Stärke des FC Bayern zu einem Sinnbild geworden, was beim Rekordmeister zuletzt schieflief. Im Sommer 2023 wurde er für mindestens 42 Millionen Euro geholt und hat diese hohe Summe noch nicht rechtfertigen können. Seine Premierensaison in München endete für den FCB bekanntermaßen ohne Titel.
Obendrein ist nicht klar, wie fit der 28-Jährige derzeit wirklich ist. Im März stoppte ihn zwischenzeitlich eine Achillessehnenreizung. Eigentlich hätte er erst im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals gegen Inter Mailand wieder zum Einsatz kommen sollen. Stattdessen musste er aber aufgrund der Verletzungen seiner Mitspieler bereits gegen St. Pauli und beim Auswärtsspiel in Augsburg ran.
„Er ist so wie jeder Spieler am Ende einer Saison nicht bei komplett 100 Prozent, aber er ist auch nicht so, dass man ihn nicht bringen kann“, sagte Eberl dazu zu SPORT1. Auch diese Erklärung fällt für Kim damit weg.
Gut möglich also, dass der Verteidiger das Opfer eines Dominoeffekts werden könnte. Im Vergleich zum Hinspiel könnte der gut aufgelegte Thomas Müller gegen Inter in die Startelf rutschen und Raphael Guerreiro auf der linken Abwehrseite unterkommen. Von dort würde dann Josip Stanisic in die Innenverteidigung rücken und hier Kim verdrängen – so wie gegen Dortmund.