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FC Bayern: Insider meint: "Kompany kann Guardiola überflügeln“

„Kompany kann Guardiola überflügeln“

Vincent Kompany und seine Bayern scheinen aktuell unbesiegbar. Die Partie beim FC Arsenal ist der nächste echte Härtetest auf europäischer Bühne. In England hat man daher ein besonderes Auge auf den belgischen Trainer.
Im Podcast "Die Bayern-Woche" sprechen SPORT1-Chefreporter und Madeleine Etti über UIi Hoeneß' Stichelei gegen die prominenten Vorgänger von Vincent Kompany.
Vincent Kompany und seine Bayern scheinen aktuell unbesiegbar. Die Partie beim FC Arsenal ist der nächste echte Härtetest auf europäischer Bühne. In England hat man daher ein besonderes Auge auf den belgischen Trainer.

Glen Little ist ein genauer Beobachter des englischen Fußballs, hat aber auch ehemalige Stars genau im Blick: So auch Vincent Kompany, der vor seiner Zeit beim FC Bayern Trainer des FC Burnley war. Dort hat Little den Belgier hautnah erlebt.

Der Experte selbst ist ein Mann, wie man sich einen Fußballer von der Insel vorstellt – robust und kantig. Der Mittelfeldspieler war für einige Klubs im Vereinigten Königreich aktiv, doch seine beste Zeit hatte er beim FC Burnley. Für die „Clarets“ absolvierte er um die Jahrtausendwende 282 Spiele und gilt dort heute als Legende.

Im Interview mit SPORT1 erklärt der 50-Jährige, wie er auf die sagenhafte Phase der Bayern blickt, wie man mittlerweile in England über Kompany denkt und was ihm an Nationaltrainer Thomas Tuchel so gefällt.

FC Bayern: Viele Engländer „regelrecht geschockt“ von Kompany-Verpflichtung

SPORT1: Herr Little, die Bayern haben in dieser Saison nicht einmal verloren. Sie spielen begeisternden Fußball und haben einen echten Lauf. Wie blicken Sie auf Vincent Kompany?

Little: Viele Menschen in England waren regelrecht geschockt, dass Bayern München ihn verpflichtet hat – schließlich war er gerade mit Burnley abgestiegen. (lacht) Aber mich hat es nicht überrascht, weil ich ihn ja in der Championship und der Premier League hautnah erlebt habe. In München hat er ein tolles Team und vor allem Harry Kane

SPORT1: Sind die Bayern denn die derzeit beste Mannschaft Europas?

Little: Das wird sich jetzt gegen den FC Arsenal zeigen. Die Londoner sind schließlich auf Platz 1 der Premier League. Wegen des neuen Ligamodus in der Champions League, in dem nicht jeder gegen jeden spielt, ist es schwer zu beurteilen. Wir werden uns bis zur K.o.-Phase gedulden müssen.

SPORT1: Wie verfolgt man in England die Arbeit von Kompany?

Little: In England wird leider gar nicht so viel über Kompany berichtet. Manche wissen vermutlich gar nicht, dass er bei Bayern ist. Aber jetzt wird durch das anstehende Spiel gegen Arsenal natürlich der Fokus auf ihm liegen.

„Die Menschen haben Kompany mittlerweile vergeben“

SPORT1: Vor einem Jahr haben Sie gesagt, dass viele Burnley-Fans Kompany in München scheitern sehen wollen. Ist das immer noch so?

Little: Wenn der FC Burnley nach Kompanys Abschied Probleme bekommen hätte, hätten viele Fans sicherlich ihm die Schuld gegeben. Viele wollten ihn in München scheitern sehen, aber in Burnley ist jetzt Scott Parker Trainer – und er macht es genauso gut wie einst Kompany. Er ist jetzt der neue Held. Auch er hat 100 Punkte in der Championship geholt und ist aufgestiegen. Die Menschen in Burnley haben Kompany also mittlerweile vergeben.

SPORT1: Kompany hat seinen Vertrag bei Bayern bis 2029 verlängert. Hat es sie überrascht, dass er sich so lange den Klub bindet?

Little: Nein, wenn man einmal Trainer bei einem so großen Klub ist, muss man vorerst dort bleiben und sich weiter beweisen. Zudem hat er es in Deutschland natürlich ein bisschen leichter. Er hat die beste Mannschaft und wird wieder die Meisterschaft holen. In der Premier League ist der Wettbewerb deutlich größer. Mal ehrlich: So viele Trainer gibt es nicht, die bei Bayern waren und keinen Titel geholt haben. (lacht) In München kann Kompany sogar Pep Guardiola überflügeln.

Kompany als Guardiola-Nachfolger gehandelt

SPORT1: Wie meinen Sie das?

Little: Kompany orientiert sich an Pep und könnte bei Bayern vielleicht sogar aus seinem Schatten treten, wenn er die Champions League gewinnt. Das ist Pep schließlich in seinen drei Jahren in München nicht gelungen. Das dürfte Kompany sicherlich motivieren.

SPORT1: Und dann könnte er Guardiolas Nachfolger in Manchester werden. Die Gerüchte gibt es ja bereits jetzt…

Little: Ehrlicherweise hört man davon in England derzeit nicht allzu viel. Aber bei Pep weiß man ja nie, manchmal ist er ein Rätsel. Wenn er in dieser Saison mit City wieder keinen Titel holt, könnte Kompany in Manchester sicher ein Thema werden. Sie haben ihn auf der Liste, aber dafür müsste ihn Bayern erstmal ziehen lassen.

„Traue ihm den Job in Manchester zu“

SPORT1: Das werden die Bayern nicht zulassen.

Little: Manche Trainer wollen wechseln und sind dann unzufrieden, wenn sie den aktuellen Verein nicht verlassen dürfen. Plötzlich hat man dann einen unglücklichen Trainer auf der Bank, aber das traue ich Kompany nicht zu. Vielleicht holen sich die Bayern ja Jürgen Klopp oder Xabi Alonso als Nachfolger. (lacht) Bei so einer Mannschaft müssen sie sich jedenfalls keine Sorgen um die Zukunft machen.

SPORT1: Käme die Rückkehr nach England für Kompany nicht ohnehin zu früh?

Little: Nein, sicherlich nicht. Er sammelt jetzt viel Erfahrung bei Bayern und hat natürlich ein großes Selbstbewusstsein. Daher traue ich ihm den Job in Manchester absolut zu. Aber das wird ohnehin nicht so schnell passieren, denke ich.

„Das ist oftmals das Schwierigste“

SPORT1: Anfangs ließ Kompany in München sehr offensiv spielen, manche Partien gingen deswegen verloren. Sie haben damals erzählt, dass der Trainer auch in Burnley recht stur war. In München hat er aber schließlich seine Taktik angepasst.

Little: Wie man sieht, war das richtig. Aber bei einer Mannschaft, die immer Favorit ist, kann man manche Dinge auch einfacher ändern. In Burnley war Kompany im Abstiegskampf gefangen, eine Niederlage folgte der nächsten. Unter solchen Umständen kann man nur schwer Dinge sinnvoll verändern. Man hat keine Zeit, wenn man Woche für Woche verliert. Wenn man aber einen Lauf wie die Bayern hat, kann man einige Details anpassen.

SPORT1: Was trauen Sie ihm in dieser Saison zu?

Little: Es wird interessant sein, wie Kompany reagiert, wenn er in einem Hinspiel in der K.o.-Phase der Champions League verliert. Dann für das Rückspiel die richtigen Schlüsse zu ziehen und etwas zu ändern, ist oftmals das Schwierigste.

Tuchel? „Manchmal wirkt er arrogant und stur“

SPORT1: Wie gefällt Ihnen als Engländer Harry Kane? Mit Blick auf die WM müssen Sie doch glücklich sein, dass er unter Kompany ein neues Level erreicht hat.

Little: Es ist keinesfalls überraschend, dass Harry bei Bayern so erfolgreich ist. Er hat ja auch in der Premier League viele Tore geschossen. Mich freut es aber, dass er seinen Kritikern zeigen konnte, dass er eben doch Titel gewinnen kann. Bei der WM wird viel von unserem deutschen Nationaltrainer abhängen.

SPORT1: Sie sprechen Thomas Tuchel an – ist er der richtige Mann für die „Three Lions“? Die Qualifikation hat er ohne größere Probleme geschafft.

Little: Aktuell ja. Er ist sehr zielstrebig. Man sieht, dass es ihm egal ist, was die Leute über ihn denken. Manchmal wirkt er arrogant und stur – aber so sind Top-Trainer eben manchmal. Wie er den Streit mit Jude Bellingham geführt hat, hat mir gefallen. Er hat ihm deutlich gesagt, dass niemand über der Mannschaft steht – selbst die großen Stars nicht. Das Team zählt – das ist ein sehr deutscher Ansatz, wo es immer um Zusammenhalt und Kameradschaft geht. Die Individualisten zählen bei ihm nicht.

SPORT1: Und das ist aus Ihrer Sicht der richtige Weg?

Little: Ob das der richtige Weg ist, werden wir dann bei der Weltmeisterschaft sehen. Tuchel wurde jedenfalls nicht nur dafür geholt, sich für das Turnier zu qualifizieren, sondern es auch zu gewinnen. In der Vergangenheit haben die englischen Nationaltrainer nur die besten Spieler aufgestellt, aber ein echtes Team war das dann oft nicht.