Als der über 120 Minuten lange Krimi endlich vorbei war, brach es aus Antony heraus. Der Brasilianer konnte seine Emotionen nicht mehr zurückhalten, Tränen des Glücks flossen über seine Wangen, kurz darauf vergrub er sein Gesicht unter seinem Trikot.
Wie lange darf er noch der Held sein?
Es war das so vielsagende Ende seines nächsten magischen Abends, der Real Betis Sevilla geradewegs ins Finale der Conference League manövrierte.
Gosens-Doppelpack - aber Antony trumpft auf
Im Halbfinal-Rückspiel am Donnerstagabend stand es Spitz auf Knopf. Betis hatte das erste Aufeinandertreffen eine Woche zuvor knapp mit 2:1 gewonnen, doch zu Hause ging die AC Florenz bis ans Äußerste. Robin Gosens egalisierte zunächst alles und brachte die Italiener per Doppelpack in die Verlängerung, nachdem Antony einen sensationellen Freistoß aus gut 20 Metern in den Kasten gefeuert hatte. Und dann? Waren die Gäste wieder gefragt, es brauchte einen neuen Impuls des 25-Jährigen - der tatsächlich kam.
Aitor Ruibal schickte Antony auf der rechten Seite steil, der Brasilianer hatte in der 97. Minute plötzlich ganz viel Platz und lief alleine auf den Torwart zu. Dann legte er den Ball auf den mitgelaufenen Abde Ezzalzoul quer, der Rest war ein Kinderspiel, lediglich einschieben musste der Marokkaner noch. 2:2.
Auf spanischer Seite war der Jubel riesengroß, der Finaleinzug stand fest und der nächste Gala-Auftritt von Antony in den Geschichtsbüchern. Allerdings tauchte danach eine Frage immer wieder auf, die den Betis-Bossen Kopfzerbrechen bereitet: Wie lange wird Antony noch das Trikot der Andalusier tragen?
Betis will um Antony kämpfen
Wenn es nach Betis ginge, wäre die Antwort klar: So lange wie möglich. Zu gut läuft es für die Mannschaft von Trainer Manuel Pellegrini mit seiner Hilfe, zu erfolgreich spielt der Verein derzeit, um auf andere Gedanken zu kommen.
Doch die Sache ist kompliziert, denn Antony ist nur bis zum Sommer ausgeliehen und vertraglich noch bis 2027 an Manchester United gebunden.
Aber Betis will kämpfen, das machte Präsident Ángel Haro jetzt in einem Interview mit dem spanischen Radiosender Cope deutlich.
„Antony fest zu verpflichten, ist sehr, sehr kompliziert. Wir werden uns mit ManUnited treffen, um die Leihe um ein weiteres Jahr zu verlängern und einen Teil des Gehalts zu übernehmen. Wir müssen aber auch schauen, ob der Spieler und Manchester bereit dazu sind“, erklärte Haro: „Zuerst kommt Manchester, dann die Verhandlungen mit dem Spieler - aber das ist noch weit weg.”
„Beste Entscheidung, die ich je getroffen habe”
Was Antony selbst will, dürfte logisch sein. Und das klingt nicht nach großer Lust auf eine baldige Rückkehr nach England.
Denn der Flügelstürmer bereut es keineswegs, United im vergangenen Winter verlassen zu haben - im Gegenteil. Besser hätte es für ihn nicht laufen können, bestätigte er kürzlich in einem Interview mit Universo Valdano auf Movistar+.
„Ich sage immer, dass die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe, die war, zu Betis zu kommen“, stellte Antony klar: „Ich bin glücklich, und wenn ich glücklich bin, geht alles gut. Für mich ist es natürlich wichtig, Tore zu schießen und Vorlagen zu geben, aber noch wichtiger ist es, glücklich zu sein.”
Dass er in Manchester weitaus weniger glücklich war, überrascht indes nicht. Im Sommer 2022 wechselte er für unglaubliche 95 Millionen Euro von Ajax Amsterdam ins Old Trafford, konnte aber die hohen Erwartungen bei den Red Devils nicht erfüllen.
Der Frust wuchs. Bei ihm selbst und bei den Anhängern, die den teuren Neuzugang schnell zum Symbol der Krise machten und sich vor allem an seiner teils aufreizenden Spielweise störten, die immer wieder in heftigen Kontroversen endete.
Unvergessen ist etwa seine doppelte Pirouette mit dem Ball am Fuß - gefolgt von einem Fehlpass ins Aus. United-Legende und TV-Experte Paul Scholes bezeichnete die Szene damals als „peinlich“ und nannte Antony bei BT Sport einen „Clown“. Das schlechte Image wurde Antony nie mehr los, er geriet in einen Teufelskreis.
Antony: “Tränen der Freude - und der Erleichterung”
Ein Wechsel im Winter war die einzige Option - und mit Betis scheint er ein Team gefunden zu haben, das perfekt zu ihm passt. Vom ersten Tag an lief es hervorragend.
In 21 Pflichtspielen für die Verdiblancos erzielte Antony acht Tore und bereitete fünf vor. Vor allem seinen Leistungen ist es zu verdanken, dass Betis nun im Finale der Conference League steht und über die Liga noch die Chance hat, sich direkt für die Champions League zu qualifizieren.
Mit der 180-Grad-Wende seines Gemütszustandes erklärte Antony am Donnerstag auch seinen emotionalen Ausbruch: “Es waren Tränen der Freude - und der Erleichterung. Um diesen Moment zu erleben, musste ich vor vier Monaten ein wenig leiden."
Crowdfunding für Antony?
Und jetzt? Wie und ob sich Betis und United einigen können, ist offen. Doch Teamkollege Isco hatte schon Ende März eine clevere Idee. „Wir müssen ein Crowdfunding starten, damit Antony wenigstens noch ein Jahr bleibt“, sagte Isco nach dem Derbysieg gegen den FC Sevilla (2:1).
Die ganze Mannschaft habe „eine Veränderung bemerkt“, seit der Brasilianer im Winter nach Sevilla kam. Vor allem zeigte sich Isco davon beeindruckt, „mit welcher Bescheidenheit er gekommen ist, mit dem Wunsch, zu helfen und seinen Beitrag zu leisten.“
All das kann in den kommenden Wochen hilfreich sein. Im Rennen um die Champions League und im Finale der Conference League gegen den FC Chelsea. Für Antony könnte es ein so unerwartet erfolgreiches Saisonfinale werden.
Denn sollten die Red Devils auch noch die Europa League gewinnen, hätte er sogar zwei internationale Titel in einer Saison geholt. Weitere Tränen wären dann wohl vorprogrammiert.