Als das Pokalspiel zwischen Leipzig und Frankfurt in der Schlussphase längst entschieden war und nur noch vor sich hin plätscherte, stand Antonio Nusa ein letztes Mal im Mittelpunkt: bei seiner Auswechslung in der 83. Minute. Ein Großteil der rund 37.000 Zuschauer in der Red Bull Arena erhob sich von den Sitzen und applaudierte dem 19-Jährigen lautstark. Dieser hatte großen Anteil daran, dass die Mannschaft des angezählten Trainers Marco Rose nach wochenlanger Misere einen souveränen 3:0-Sieg einfuhr.
Leipzigs neuer Hoffnungsträger
Denn Nusa verzauberte das Publikum nicht nur mit seinen Dribblings und seiner Finesse, er bereitete auch alle drei Tore der Sachsen vor. So verteilte Rose hinterher ein Extralob an seinen Matchwinner und bezeichnete ihn als „außergewöhnlichen Spieler“, den er im Sommer „unbedingt haben wollte“, wie er im ZDF sagte. „Ein junger Kerl, den ich gesehen habe. Wir hatten mehrere Optionen. Dann habe ich gesagt: Den will ich! Er bestätigt vieles von dem, was wir in ihm gesehen haben. Es ist außergewöhnlich, was der Junge auf den Platz bringt.“

Das stimmt. Drei Torvorlagen in einem DFB-Pokalspiel hat so früh in seiner Karriere bisher nur ein Spieler geschafft: Julian Brandt, der 2015 - damals im Trikot von Bayer Leverkusen - noch 52 Tage jünger als Nusa war, als er gegen Viktoria Köln ebenfalls drei Treffer vorlegte. Der flexible Offensivspieler der Leipziger bewies damit einmal mehr, welch hohen Stellenwert er bereits für die Mannschaft hat. Viel mehr, als ihm viele zugetraut hatten, nachdem er erst am 13. August, also nur vier Tage vor dem ersten Pflichtspiel der neuen Saison, vom FC Brügge nach Sachsen gewechselt war.
Nusa? „Absolute Bank im Offensivspiel“
Viel Zeit zum Eingewöhnen blieb Nusa schließlich nicht. Der nominelle Nachfolger von Dani Olmo, der im vergangenen Sommer zum FC Barcelona wechselte, sollte zwar behutsam aufgebaut werden, doch dazu kam es aufgrund des großen Verletzungspechs nicht. Unter anderem fehlt Xavi Simons bereits seit mehren Wochen.
Dass der norwegische Nationalspieler viel schneller als geplant ins Rampenlicht rückte, konnte ihn aber keineswegs bremsen. Gleich beim ersten Pokal-Einsatz in Essen gelang ihm sein erster Treffer, bei seinem Bundesliga-Debüt netzte er ebenfalls ein und leitete eine Woche später den Siegtreffer in Leverkusen ein.
Nach vier Joker-Einsätzen zu Beginn stand Nusa ab dem fünften Spieltag immer in der Startelf, ist mittlerweile kaum noch wegzudenken und einer der großen Hoffnungsträger des zuletzt arg schwächelnden Vereins. Zunächst agierte er im rechten wie auch im linken Mittelfeld, seit dem Ausfall von David Raum gab er immer wieder den linken Schienenspieler. „Wir wollten Antonio mit seinen Eins-gegen-Eins-Fähigkeiten auf dem Flügel ins Spiel bringen“, erklärte Rose, der mit den Leistungen seines Neuzugangs sehr zufrieden ist. „Er hat sich in den letzten Wochen zu einer absoluten Bank im Offensivspiel entwickelt. Er ist sehr torgefährlich und bereitet Tore vor.“
Gleichzeitig richtete Nusa aber auch warme Worte in die andere Richtung seines Trainers. „Ich weiß, dass er gut für Haaland war und ihn groß gemacht hat, vielleicht können wir die gleiche Geschichte zusammen wiederholen“, so der Youngster, der offenbar äußerst gerne Vergleiche mit den größten Stars seines Sports zieht. „Ich liebe es, Chaos zu stiften“, sagte Nusa bereits im April 2021 zu norwegischen Medien und verriet: „Neymar ist mein Vorbild, weil er mit seinen Dribblings für Chaos auf dem Platz sorgt, genau wie ich. Er ist einer der besten Spieler der Welt.“
„Er ist etwas Außergewöhnliches“
Dass sich Nusa noch lange nicht in den Sphären eines Erling Haaland oder Neymar bewegt, ist ihm bewusst. Doch dass auch das neue Leipziger Juwel das Zeug dazu hat, es eines Tages noch ganz oben zu schaffen, bewies er nicht zuletzt in der Nationalmannschaft. Erst erzielte Nusa Mitte November beim 4:1 gegen Slowenien zwei Tore für Norwegen, drei Tage später ließ er beim 5:0 gegen Kasachstan einen weiteren Treffer und eine Vorlage folgen. Landsmann Haaland war danach voll des Lobes.
„Er spielt auf hohem Niveau, ist ein großes Talent und muss einfach weitermachen. „Er ist etwas Außergewöhnliches“, sagte der Torjäger von Manchester City und mahnte zur Geduld mit seinem Teamkollegen: „Er ist fantastisch. Deshalb ist es wichtig, auf ihn aufzupassen und ihn nicht zu überfordern, auch wenn er ein großes Talent ist. Man muss ihn in Ruhe lassen und ihm die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln.“ Weitere Superlative für Nusa fanden deswegen andere.
Nusa das größere Talent als Haaland
Nusa sei „ein Geschenk für den Fußball“, kommentierte TV2-Kommentator Öyvind Alsaker Nusas zweiten Streich gegen Slowenien. Norwegens Trainerlegende Egil „Drillo“ Olsen meinte gar: „So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Und sein ehemaliger Teamkollege Mats Solheim betonte bei GOAL: „Ich sehe Ähnlichkeiten mit Neymar in Nusas Bewegungen und der Art, wie er mit dem Ball umgeht. Es gibt eine kleine Lücke zwischen den beiden, aber er kann es schaffen.“
Ein weiterer Wegbegleiter, Gaute Larsen, der sowohl Haaland als auch Nusa als Kinder trainiert hat, ging sogar noch einen Schritt weiter. „Wenn man sich an die Zeit zurückerinnert, als sie beide 14 bis 15 Jahre alt waren, glaube ich, dass Antonio das größere Talent war“, erinnerte er sich. Ob Nusa seinen Weg bei den Profis fortsetzen und ähnliche Spuren wie Haaland oder sein Vorbild Neymar hinterlassen kann, wird die Zukunft aber erst noch zeigen müssen.
Die nächste Chance, sich in Szene zu setzen, hat Nusa bereits am Samstagnachmittag, wenn er mit seinen Leipzigern beim Aufsteiger Holstein Kiel antritt (ab 15.30 Uhr im LIVETICKER). Auch in der Bundesliga soll die neue Entdeckung den Sachsen dabei helfen, die Krise zu beenden. Seit vier Spielen sind die Roten Bullen sieglos und kassierten dabei drei Niederlagen.