Lockere Sprüche, viel Gelächter, ausgelassene Stimmung: Beim ersten Training der DFB-Elf in Herzogenaurach herrschte gute Laune. Auch die Aufwärmübungen trugen dazu bei.
DFB-Team: Die Tristesse ist zurück
Die DFB-Tristesse ist zurück
Die Spieler absolvierten zu Beginn lockere Laufeinheiten. Sobald Athletiktrainer Krunoslav Banovcic die Arme hob, mussten sich die Profis blitzschnell zu zweit zusammentun – einer nahm den anderen huckepack. Die langsamsten zwei bekamen als „Strafe“ Liegestütze aufgebrummt. Der Spaß an dieser Übung war allen ins Gesicht geschrieben.
Doch die heitere Trainingsatmosphäre spiegelt die allgemeine Stimmung im Land nicht wider. Die Vorfreude auf die beiden Qualifikationsspiele gegen Luxemburg und Nordirland hält sich in Grenzen.
Das liegt sicherlich an – bei allem Respekt - eher unspektakulären Gegnern und daran, dass es „nur“ Qualifikationsspiele sind. Aber nicht nur. Das generelle Interesse an der Nationalmannschaft schwankt seit Jahren.
Interesse an der DFB-Elf schwankt seit Jahren
Julian Nagelsmann ist seit etwas mehr als zwei Jahren Bundestrainer, genau genommen seit 753 Tagen. Obwohl er bisher erst 25 Länderspiele betreut hat – deutlich weniger als ein Klubtrainer in derselben Zeit –, hat er bereits alle Höhen und Tiefen erlebt.
Er übernahm das Team am Tiefpunkt. Nach einem holprigen Start mit Niederlagen gegen Österreich (0:2) und die Türkei (2:3) folgte eine bärenstarke Phase: Zwischen März 2023 und März 2024 blieb die Nationalelf in 16 von 17 Spielen ungeschlagen und näherte sich wieder der Weltspitze an.
Die Heim-EM trug entscheidend zur Rückkehr der Euphorie bei. Plötzlich machte es wieder Spaß, gemeinsam mit Freunden und Nachbarn das DFB-Team zu verfolgen. Manche Fans zogen sogar in Fanmärschen zu den Stadien. Das Team spielte attraktiv, die Charaktere wirkten überaus sympathisch. Kurzum: Deutschland hatte wieder Lust auf seine Nationalmannschaft.
DFB auf der Suche nach der Euphorie
„Das ist das beste Beispiel. Wir sind bei der EM nicht besonders weit gekommen, aber mit der Art und Weise, wie wir gespielt haben und wie wir uns als Team präsentiert haben, haben wir das ganze Land mitgerissen“, meinte David Raum in einer Medienrunde auf SPORT1-Nachfrage.
Wie groß die Freude und die Begeisterung waren, zeigt vor allem der nach wie vor anhaltende Schmerz aufgrund der einzigen Niederlage in diesem Zeitraum: die Viertelfinal-Pleite gegen Spanien (1:2). Die deutschen Fanherzen waren gebrochen, „Handspieler“ Marc Cucurella wurde zum Buhmann der Nation. Selbst über ein Jahr nach der Aktion pfiffen die Münchner Fußballfans ihn beim Champions-League-Spiel seines Klubs FC Chelsea in der Allianz Arena aus. Der Stachel sitzt tief.
Unter Tränen gestand der Bundestrainer damals: „Dass man zwei Jahre warten muss, dass man Weltmeister wird, tut weh.“ Fußballdeutschland litt mit, schenkte den ehrgeizigen Worten Glauben und freute sich auf die kommenden DFB-Spiele.
Nagelsmann mit „Hyänen“-Kritik
Doch diese Vorfreude verflog schnell. Spätestens nach den Niederlagen in der Nations League gegen Portugal (1:2) und Frankreich (0:2) machte sich wieder Ernüchterung breit. Nach dem enttäuschenden 0:2 gegen die Slowakei vor wenigen Wochen schlug die Stimmung endgültig um.
Die Mannschaft wirkte ideenlos, die Leistung blutleer – Erinnerungen an frühere Krisenzeiten wurden wach. Auch der darauffolgende 3:1-Sieg gegen Nordirland konnte das nur bedingt korrigieren. In Köln gab es zur Halbzeit beim Stand von 1:1 lautstarke Pfiffe.
Nagelsmann zeigte zwar Verständnis für den Frust der Fans, äußerte aber auch Kritik: „Ich glaube, wenn wir alle im Land eine Energie haben für alles, wird es einfach besser. Wenn wir alle wie Hyänen im Busch sind und warten, bis ich endlich wieder einen beißen kann und sagen kann, wie schlecht er ist und wie beschissen er alles macht, weiß ich nicht, ob man sich super entwickelt als Land.“
EM-Euphorie ist bei der DFB-Elf verflogen
Bei dem aktuellen Lehrgang in Herzogenaurach verzichtete Nagelsmann bewusst auf die sonst übliche Nominierungs-Pressekonferenz - ganz nach dem Motto: weniger reden, mehr zeigen.
Seine Worte und Taten unterstreichen: Die EM-Euphorie ist verflogen. Manchmal scheint es, als seien diese extremen Stimmungsschwankungen ein deutsches Phänomen. In anderen Ländern ist die Unterstützung für die Nationalmannschaft oftmals konstanter.
Auch David Raum zeigte Verständnis für die kritische Haltung der Fans und versprach: „Wenn wir über die Mentalität kommen, wenn sie spüren, dass wir alles geben auf dem Platz, wenn wir uns reinhauen, dass wir wirklich wollen, dann pushen sie uns auch, dann sind sie da für uns. Und dann geht das auch sehr schnell. […] Und das probieren wir auch jetzt wieder hinzukriegen in den nächsten Spielen in Richtung WM - und dann kann da trotzdem was entstehen.“
Acht Monate bleiben dem Team, um die Stimmung zu drehen und neue Begeisterung zu entfachen. Denn eines ist klar: Fußballdeutschland lässt sich durchaus mitreißen – wenn die Mannschaft die richtigen Impulse setzt.