Eins vorneweg: Der EM-Titeltraum der DFB-Frauen lebt weiter. Das wurden die deutschen Spielerinnen auch nach der höchsten Niederlage ihrer EM-Geschichte gegen Schweden nicht müde zu betonen. Allerdings stand das auch schon vor dem Anpfiff fest.
Frauen-EM: Das darf nicht der Anspruch der DFB-Frauen sein - Kommentar
Darf nicht der deutsche Anspruch sein
Als Gruppenzweiter steht das Team von Christian Wück trotz der 1:4-Klatsche gegen Schweden im Viertelfinale. Etwas mehr Selbstkritik wäre an der einen oder anderen Stelle danach allerdings wünschenswert gewesen – auch vom Bundestrainer, der die Rote Karte teils sehr in den Mittelpunkt rückte.
Was beim deutschen Debakel nicht vergessen werden sollte
Natürlich war das eine spielentscheidende Szene. Doch auch ohne den Torwart-Einsatz von Carlotta Wamser hätte Deutschland trotz einer starken Anfangsphase 1:3 hinten gelegen – das sollte nicht vergessen werden.
Zumindest Klara Bühl bemängelte die unzureichende Kommunikation und Abstimmung, zeigte sich aber auch stolz, dass nach der Roten Karte nur noch ein Gegentor noch kassiert wurde.
Damit macht sich das deutsche Team aber kleiner als nötig. Denn wer den Titel als Ziel ausruft, muss höhere Ansprüche haben – zum Beispiel, die dominante Phase länger als 15 Minuten beizubehalten. Natürlich ist Schweden eine sehr gute Mannschaft, doch es gibt Mannschaften von noch größerer Qualität.
Warum hat Wück nicht schneller reagiert?
Dass in einigen Momenten, wie beim Slapstick-Tor zum 1:2, Pech hinzukam, ist unumstritten. Dennoch stellt sich die Frage, warum Wück nach den offensichtlichen Problemen der deutschen Mannschaft nicht schneller mit einer Umstellung reagiert hat, um das Unglück womöglich doch noch abzuwenden.
Dass Schwedens Magdalena Eriksson zugab, dass Schweden die deutschen Lücken schon vorab erwartet habe, wirft kein gutes Licht auf den Bundestrainer und sein Team. Das deutsche Spiel ist gegen die Topteams zu ausrechenbar.
Fest steht: Die Schwachstellen des DFB-Teams wurden in der Partie so klar wie das Wasser des Zürichsees. Angedeutet hatten sich diese aber schon in den Spielen zuvor – dort konnten sie von offensiv nicht ganz so starken Gegnerinnen nur nicht so konsequent aufgezeigt werden.
Eine gefährliche Kombination bei den DFB-Frauen
Dies änderte sich gegen schnelle Schwedinnen, die Wücks risikoreichen Ansatz, hoch zu stehen, und einige individuelle Fehler der deutschen Hintermannschaft ausnutzten. Immer wieder taten sich bei Kontersituationen eklatante Lücken auf, die zu gefährlichen Situationen und am Ende auch zu Gegentoren führten.
Zu viele Ballverluste im Spiel nach vorne bei Geschwindigkeitsdefiziten in der Rückwärtsbewegung sind in einer hoch stehenden Abwehrreihe eine gefährliche Kombination.
Nach der Partie ließ sich allerdings keine Spielerin dazu hinreißen, offen die Taktik zu kritisieren oder zu hinterfragen. Das ist insofern gut, als dass die Mannschaft und auch das Trainerteam geschlossen bleiben.
Frauen-EM: Das Thema Berger sorgt für Wirbel
Wück selbst hatte ja zuletzt erst unnötig ein Fass mit öffentlicher Kritik an den riskanten Dribblings von Ann-Katrin Berger aufgemacht. Zwar wurde versucht, den entstandenen Wirbel schnell zu beruhigen und zu betonen, dass das alles doch nur mit einem Augenzwinkern gemeint gewesen sei, doch das Thema war in der Welt.
Berger selbst sah die Kritik zwar nicht als Faktor an, der ihr Spiel beeinflusst hat, doch geholfen haben die Diskussionen um sie definitiv nicht, wenn man ihren von einigen Unsicherheiten geprägten Auftritt gegen Schweden betrachtet.
Das Schweden-Spiel war der letzte Warnschuss
Nun müssen das Trainerteam und die Spielerinnen beweisen, was sie können. Denn verbissenes Festhalten an der bisherigen Taktik und Spielweise wird kaum zum (Titel-)Erfolg führen – zu gnadenlos hat Schweden die deutschen Schwächen für alle offengelegt.
Mit Frankreich oder England könnte ein Gegner warten, der diese mit den eigenen schnellen Spielerinnen ebenfalls eiskalt ausnutzt.
Man kann daher nur hoffen, dass man sich die klare Selbstkritik für die interne Aufarbeitung aufgehoben hat und die Defizite hinter verschlossenen Türen deutlich thematisiert - und auch abgestellt - werden.
In einem Punkt hat das Team nämlich recht: Auch wenn man gerne drauf verzichtet hätte, kam der Ausrutscher gerade noch zur rechten Zeit.
Doch es war der letzte Warnschuss. Wück und sein Team müssen jetzt reagieren, wenn der Titeltraum noch ein wenig länger leben soll.