„Was zur Hölle hat sie auf der Bank zu suchen?“ Die zweimalige norwegische Nationalspielerin Mimmi Löfwenius Veum sagte der norwegischen Zeitung VG, was sich wohl viele Zuschauer dachten, die beim 4:3-Sieg der Norwegerinnen gegen Island erfuhren, dass Signe Gaupset bis zum letzten EM-Gruppenspiel keinen Platz in Norwegens Startelf gefunden hatte.
Frauen-EM: Sie lässt die Fußball-Welt staunend zurück
Sie verblüfft die Fußball-Welt
Gaupset profitierte von einer Rotation in der Mannschaft, nachdem das Team schon vor der Partie den Gruppensieg sicher hatte – und stellt ihre Trainerin nun vor eine große Aufgabe, denn die junge Norwegerin empfahl sich mit ihrer Leistung für sehr viel mehr.
Frauen-EM: Gaupset stellt neuen Rekord auf
Mit 20 Jahren und 22 Tagen schrieb Gaupset bei ihrem ersten EM-Startelfeinsatz sogar Geschichte als jüngste Spielerin, die bei einer Frauen-Europameisterschaft einen Doppelpack feiern konnte.
Darüber hinaus war sie an den beiden anderen Toren Norwegens als Vorlagengeberin beteiligt – dass Gaupset damit zur „Spielerin des Matches“ wurde, überrascht da wenig.
Ihr Tor zum 1:1, bei dem sie den Ball nach einer Flanke ihrer Teamkollegin Böe Risa im Rückraum direkt abnahm und flach rechts unten in die Ecke setzte, steht zur Wahl als „Tor der Runde“ und ist sinnbildlich für Gaupsets Talent.
„Das hat unglaublich Spaß gemacht. Es ist etwas, an das ich mich für den Rest meines Lebens erinnern werde“, sagte der Star des Abends selbst nach dem Spiel.
Norwegen-Talent begeistert sogar Starspielerin Hegerberg
Es sind Momente, die auch Norwegens Starspielerin Ada Hegerberg, die gegen Island geschont wurde, wohl nicht so schnell vergessen wird.
„Sie standen da und staunten und klatschten wild. Ada Hegerberg sagte dann: ‚Heilige Sch****‘, berichtete NRK-Journalist Andreas Hagen in der Live-Sendung des TV-Senders von der Begeisterung der sechsmaligen Champions-League-Siegerin.
Zu Hegerberg hat Gaupset auch eine persönliche Verbindung, denn sie ist nicht nur ihre Teamkollegin, sondern auch eines ihrer Idole. Ihr Zuhause ziert sogar ein Paar signierte Fußballschuhe der Ballon d’Or-Gewinnerin.
Hegerberg erlebte den Aufstieg ihrer jüngeren Landsfrau, der phasenweise durch einige Verletzungen unterbrochen wurde, teils hautnah mit. So beispielsweise auch Ende 2023, als Hegerberg mit Lyon in der Champions League auf Gaupsets Klub Brann Bergen traf. Auch wenn der norwegische Underdog klar verlor, hinterließ die damals erst 18-Jährige mächtig Eindruck.
De Bruyne? „Sehe einige Ähnlichkeiten“
Gaupset wurde danach mit Lob überschüttet und in den norwegischen Medien gar als „Sensation“ bezeichnet, nachdem sie es zuvor mit einigen der besten Spielerinnen der Welt aufgenommen hatte.
„Sie hat in der Zukunft gute Chancen, für einen großen Klub zu spielen“, attestierte ihr die damalige Lyon-Trainerin Sonia Bompastor nach der Partie. Hegerberg hob zudem hervor, wie „körperlich stark“ sie sei, und gestand, dass sie „uns in der Zukunft Probleme bereiten“ wird.
Gaupset reiht sich in eine elitäre Gruppe von Talenten ein, die Norwegen bereits hervorgebracht hat. Dazu gehören beispielsweise Hegerberg oder auch Martin Ödegaard, mit denen Gaupset oft verglichen wird.
Gaupset selbst bevorzugt allerdings den Vergleich mit dem belgischen Superstar Kevin De Bruyne, bei dem sie „einige Ähnlichkeiten zwischen ihm“ und ihr sieht. „Er ist ein kompletter Spieler und ich möchte fast wie er sein. […] Das ist vielleicht der Spieler, dem ich am liebsten zuschaue“, erklärte sie.
Von der Jungsmannschaft in Norwegens Weltspitze
Die Stärken der 1,73 Meter großen Spielerin sind vielfältig und reichen von ihrer Körperlichkeit über einen brillanten Schuss bis hin zu ihrer Kreativität. Darüber hinaus wird sie immer wieder für ihr gutes Spielverständnis, ihre Gelassenheit und ihre Reife gelobt.
Viele ihrer Stärken sieht Gaupset darin begründet, dass sie seit ihrer Kindheit viel mit Jungs zusammengespielt hat.
Inspiriert von ihrem älteren Bruder begann sie als Fünfjährige und spielte zunächst mit ihren männlichen Mitschülern und im Jungsteam ihres lokalen Fußballklubs, ehe sie als 14-Jährige zum Verein ihrer Geburtsstadt Molde wechselte, wo sie zusätzlich noch mit dem Jungsteam der Nachwuchsakademie trainierte. Das zahlte sich aus.
„Ich bin härter geworden. Sie sind schneller und alles passiert schneller. Ich musste wacher sein und mich auf alles vorbereiten. Ich glaube, das hat mir sehr geholfen, dorthin zu kommen, wo ich heute bin“, sagte Gaupset zu NXGN.
Hansen: „Ein komplett einzigartiges Talent“
Im Jahr 2022 zog es sie schließlich zu ihrem heutigen Klub Brann. Dort nahm Alexander Straus sie als neuer Coach unter seine Fittiche.
Straus trainierte noch bis vor Kurzem die Frauenmannschaft des FC Bayern und führte diese in der Saison 2024/25 zum Double-Gewinn – etwas, das ihm 2022 auch mit Brann gelang, und zwar mit Gaupset in der Hauptrolle.
Nach dem Gewinn der Meisterschaft spielte sich Brann auch ins Pokalfinale, das man mit 3:1 gegen Stabaek gewann. Gaupset wurde damals als 17-Jährige mit zwei Toren und einer Vorlage zum Star des Abends.
„Sie ist ein komplett einzigartiges Talent und eine wundervolle Person abseits des Platzes. [...] Worte können nicht beschreiben, wie gut sie ist“, geriet Norwegens Nationalspielerin Tuva Hansen nach dem Spiel ins Schwärmen.
Einsatz im EM-Viertelfinale noch offen
Ob sie diese Fähigkeiten auch im EM-Viertelfinale wieder auf dem Platz zeigen darf, ist aktuell allerdings noch offen. „Sie muss im Viertelfinale starten“, forderte der NRK-Experte Kristoffer Lokberg.
Doch ob diese Forderung tatsächlich erfüllt wird, ließ Nationaltrainerin Gemma Grainger nach dem Spiel noch offen: „Ich werde mir noch etwas Zeit (für diese Entscheidung; Anm. d. Red.) nehmen, aber ich bin sehr stolz und glücklich über ihre Leistung. Sie war exzellent.“
Aber egal, ob Bank oder Startelf – es scheint fast sicher, dass dies nur der erste große Auftritt von Gaupset auf der Weltbühne des Fußballs war.