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Ein Kuss, der jetzt in neuem Licht steht

Verlobt und trotzdem Gegnerinnen

Die Dänin Pernille Harder und die Schwedin Magdalena Eriksson sind wohl das bekannteste Paar dieser EM. Bei diesem Turnier treffen die beiden jedoch wieder einmal aufeinander.
Die Frauen-EM 2025 steigt in der Schweiz. Schafft es die deutsche Mannschaft, ihren Status als unangefochtene Rekordchampions bei diesem Turnier noch weiter auszubauen?
Die Dänin Pernille Harder und die Schwedin Magdalena Eriksson sind wohl das bekannteste Paar dieser EM. Bei diesem Turnier treffen die beiden jedoch wieder einmal aufeinander.

Das bislang letzte Duell im Februar verlief für Pernille Harder durchaus schmerzhaft. Als die letzten Minuten der Nations-League-Begegnung zwischen Dänemark und Schweden von der Uhr tickten, half die dänische Stürmerin bei der Verteidigung einer Ecke im eigenen Strafraum aus. Dann krachte es, der Arm einer Gegenspielerin landete in ihrem Gesicht.

Aber Harder ließ sich fast nichts anmerken. Vielleicht ein bisschen demonstrativ. Denn sie wusste sofort, wessen Ellenbogen das war.

Nämlich ausgerechnet der von Magdalena Eriksson, die nicht einfach nur die Kapitänin Schwedens ist, sondern auch Harders Verlobte. Konsequenzen hatte aber zumindest diese Aktion nicht – im Gegensatz zur dänischen Niederlage (1:2).

Neben einer Rippenprellung und einer blauen Nase musste Harder zu allem Überfluss auch noch das Geschirr abwaschen. So lautete der Wetteinsatz zwischen den beiden: Wer verliert, wäscht ab. Und diesmal, bei der EM?

Harder schlug im SID-Doppelinterview vor, die Verliererin des Duells zwischen Dänemark und Schweden in der deutschen Gruppe C könnte „eine ganze Woche das Essen machen”, doch Eriksson konterte lachend: „Ich weiß nicht, ob ich möchte, dass du für mich kochst.”

Ein Kuss, der um die Welt ging

Der Kuss der beiden Spielerinnen des FC Bayern bei der WM 2019 ging um die Welt und machte sie zu Ikonen der LGBTQ-Gemeinde. Doch wenn sich die 32-Jährigen auf dem Platz treffen, muss die Liebe für 90 Minuten ruhen. Wie im Nations-League-Duell im Februar. Beide betrachteten lachend ein Spiel-Foto, das sie im Infight zeigt.

„Und das war nicht mal die schlimmste Situation“, betonte Harder. Eriksson entgegnete unschuldig: „Das war gar nix!“

Nach dem Spiel habe sie „fünf oder zehn Minuten“ gebraucht, „bevor ich mit ihr darüber reden konnte“, sagt die dänische Stürmerin Harder über die Zweikämpfe mit ihrer Lebensgefährtin, die für Nachbar Schweden verteidigt.

„Dann war alles gut“, bekräftigte Eriksson, „das gehört zum Fußball dazu. Wir wollen beide gewinnen, deshalb nehmen wir das nicht persönlich.“

„Wir träumen groß“

Doch beim Wiedersehen am Freitag (ab 18.00 Uhr im LIVETICKER) in Genf steht mehr auf dem Spiel als der Küchendienst in der gemeinsamen Wohnung. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir beide weiterkommen, ist nicht sehr hoch“, sagte Eriksson angesichts der weiteren Vorrundengegner Deutschland und Polen. Dabei haben beide hohe Ziele.

„Wir träumen groß“, so Harder, die Dänemark 2017 als Kapitänin ins Finale geführt hatte, „aber wir wissen auch, dass es schwierig wird.“

Der Heimsieg in der Nations League über die DFB-Elf im September 2023 (2:0) habe gezeigt, dass „nichts unmöglich ist“.

Eriksson stieß mit Schweden, mit dem sie je zweimal WM-Bronze und Olympiasilber gewann, 2022 bis ins EM-Halbfinale vor. Diesmal, sagte sie, sei das Endspiel das Ziel. „Wir werden alles geben.“

„Ich hoffe natürlich, dass sie verliert“

Wie auch in ihrem Verein, dem FC Bayern, werden sie alles geben. Die Verpflichtung von Harder und Eriksson im Sommer 2023 galt als großer Coup. Die beiden sind seit 2014 ein Paar und zählen zu den weltweit begehrtesten Profis.

Eriksson spielte zuvor seit 2017 beim FC Chelsea, Harder von 2017 bis 2020 beim VfL Wolfsburg, dann ebenfalls in London. Auf dem Spielfeld standen sich Harder und Eriksson schon ein paar Mal gegenüber. Bei einer EM ist das jedoch eine Premiere.

„Das wird sehr, sehr besonders“, sagte Harder im Vorfeld in einem Interview mit der SZ. „Normalerweise wünsche ich mir, dass Magda erfolgreich ist. Aber bei diesem Spiel nicht, diesmal hoffe ich natürlich, dass sie verliert.“

In den eigenen vier Wänden reden beide gerne über Fußball. Vor Länderspielen schweigen sie jedoch über die Taktik. „Wir versuchen, das Ganze ein bisschen runterzuspielen. Das Beste ist, das Spiel einfach wie jedes andere zu nehmen und mit der gleichen Einstellung wie immer reinzugehen“, so Eriksson.

Ein Wunschlos war das Duell der Skandinavierinnen aber nicht. „Wir hatten gehofft, dass wir nicht in die gleiche Gruppe kommen“, verriet Eriksson. “Aber so ist das halt im Fußball. Und wir werden uns trotzdem unser Leben lang daran erinnern, in einem großen Turnier gegeneinander gespielt zu haben.“ Vielleicht auch wegen der Wirkung, die es auf alles außerhalb des grünen Rasens hat.

Toleranz? „Wir haben noch viel zu tun“

Dort setzen sie sich für Offenheit, Toleranz und Gleichberechtigung ein. „Wir haben noch viel zu tun“, sagte Harder.

Eriksson verwies auf die Zuschauerrekorde bei der jüngsten EURO und meint: „Die Leute respektieren uns jetzt und halten uns für sehenswert. Jetzt müssen die Entscheidungsträger verstehen, dass wir auch Geld verdienen müssen. Die Ziele sind endlos. Wir müssen weiter dafür kämpfen.“

Die EM soll helfen. Der Fußball der Frauen, wirbt Eriksson, biete „ein Spektakel, bei dem es sicher und offen zugeht, bei dem die Stimmung gut ist, aber auf dem Platz extremer Wettbewerb herrscht“.

Sie seien stolz darauf, ergänzt Harder, dass hier jede „sein kann, wie sie ist. Ich hoffe, dass wir andere Sportarten inspirieren können - auch den Männerfußball, den Männersport. Auch sie verdienen es, lieben zu dürfen, wen sie lieben wollen.“

So wie sie es tun - auch wenn es manchmal kracht. „Wenn wir in zehn Jahren darauf zurückblicken“, sagte Harder über das „Familienduell“ mit Eriksson, „werden wir wahrscheinlich denken, dass es eine wunderbare Erfahrung war.“

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)