Über drei Wochen lang weilte der FC Bayern in den USA und hatte dort seine Basis in Orlando aufgeschlagen. Die prägende Figur bei dieser Klub-WM war natürlich erneut Thomas Müller. Er war der Mann, der nach vorne geschoben wurde, wenn es in die ganz wichtigen Interviews ging. Er war derjenige, der in den Imagefilmen der FIFA vor den Partien der Münchner als prägende Figur auftrat. Er war „Mister FC Bayern“ – mal wieder.
Servus, Legende
Und diese Rolle stand dem 35-Jährigen ausgezeichnet. Deutsch oder Englisch - völlig egal! Müller sorgte bei jedem Auftritt für Gesprächsstoff. Ob im Taktik-Deep-Talk oder beim Fotoshooting mit Micky Maus: Der Routinier lieferte die Bilder und Zitate, die der FC Bayern für seine Außendarstellung brauchte. Es war sein letzter Dienst an seinem Heimatverein. Müller verschaffte dem Rekordmeister in den USA wichtige Extra-Sympathiepunkte. Der Oberbayer war auch während der Klub-WM wieder der Ober-Bayer!
Müller verstand seine Rolle. Auch wenn es nicht mehr für allzu viele Spielminuten auf dem Platz reichte, verlieh er den Münchnern eine sympathische Note. Orlando, Cincinnati, Miami, Charlotte, Atlanta: Überall machte er eine gute Figur und durch die Sonne und den Sieben-Tage-Bart gewann Müller sogar noch die Aura eines Sonnyboys. So wünschen sich die US-Amerikaner einen Sportler.
Müller behauptete sich gegen manchen vermeintlichen Weltstar
Der Autor dieser Zeilen war im Dezember 2011 erstmals als Reporter in der Allianz Arena tätig. Damals galt Müller noch als der Youngster, der zwar schon eine WM beeindruckend absolviert hatte, aber von seinem heutigen Status war er noch weit entfernt. Den erarbeitete sich der Rekordspieler aber in den folgenden Jahren. Erst wurde er 2014 Weltmeister, dann konnte man ihm so manchen vermeintlichen Weltstar (James Rodríguez, Philippe Coutinho) vor die Nase setzen, trotzdem stand letzten Endes er auf dem Platz. Müller spielt immer!
Erst mit Jamal Musiala kam einer in den Verein, dem sein Talent und das Momentum half. Relativ schnell war klar, dass er der kommende Mann hinter der bayerischen Sturmspitze werden würde. Der Nationalspieler legte gerade in jenem Moment den Karriere-Turbo ein, als die Laufbahn von Müller in den Herbst einbog.
Und irgendwie scheint das Schicksal der beiden miteinander verbunden. Der Routinier gilt als großer Fan und Förderer seines jungen Kollegen – das bewies er auch in dessen dunkelster Stunde im Mercedes-Benz Stadium von Atlanta am Samstagmittag.
Musiala durfte erstmals seit drei Monaten wieder von Anfang an ran und brach sich das linke Wadenbein – eine Horrorszene! Angesichts von mutmaßlich fünf Monaten Pause für den 22-Jährigen schwappte schnell die Forderung über den Atlantik, Müller solle nochmals einen Vertrag bekommen. Der Routinier solle den Verein in dieser schwierigen Lage retten.
Müller findet auch bei Musiala weise Worte
Müller, der wie eigentlich jeder in dieser Branche ein gewisses Maß an Eitelkeit besitzt, widerstand aber heldenhaft der Versuchung, sich nochmals als Musiala-Ersatz ins Spiel zu bringen. Für den Rekordspieler wäre es ein Leichtes gewesen, die Karten - zumindest öffentlich - neu zu mischen. Viele Fans und Medien wären parat gestanden, um für ihn zu trommeln.
Doch Müller blieb cool und sagte: „Nur weil man jetzt irgendwelche Gedankenspiele auf den Tisch bringen kann, hat das nichts mit der Realität zu tun.“ Es sind Worte eines weisen Fußballers, der „seinen“ FC Bayern nicht auf den letzten Metern noch in Brand stecken will. Denn Fakt ist: Zwischen ihm und der Klubführung ging in den vergangenen Monaten zu vieles zu Bruch. Eine weitere Verlängerung des Vertrags hätte wohl beiden Seiten nicht viel Ruhm, aber viele Diskussionen eingebracht.
Üblicherweise verabschiedet man sich im Leben immer nur einmal so richtig. Bei Fußballern ist das ein wenig anders – und bei Thomas Müller erst recht. Letztes Champions-League-Spiel für den FCB in Mailand, letztes Heimspiel, letztes Bundesligaspiel und jetzt eben letztes Spiel überhaupt: Nach jeder Partie gab sich Müller besonders cool.
Er befinde sich weiter im Arbeitsmodus, verkündete der 35-Jährige auch noch in Atlanta. Schmerz war - wie bei all den anderen Abschieden - auch diesmal nicht zu spüren. Man möchte ihm wünschen, dass der auch niemals kommen mag. Trotzdem hätte Müller einen glorreicheren Abgang vom FC Bayern verdient gehabt.
Servus, Legende!