Es war wohl einer der größten Leistungsunterschiede in der Geschichte der deutschen Fußballnationalmannschaft. Ein Paradebeispiel dafür, wie nah im Sport himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt beieinanderliegen. Innerhalb von drei Tagen zeigte das DFB-Team zwei völlig unterschiedliche Gesichter.
Nationalmannschaft: Kimmich gibt allen die Richtung vor
Kimmich gibt allen die Richtung vor
Nach dem Zittersieg gegen Luxemburg lag der deutsche Fußball in Schutt und Asche. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob es für die Profis überhaupt Sinn ergebe, die Reise zur WM in den USA, Mexiko und Kanada anzutreten - vorausgesetzt, sie schaffen überhaupt die Qualifikation! Nach der Galavorstellung gegen die Slowakei heißt es unter den Fans plötzlich wieder: Wir werden Weltmeister!
Kimmich ist auf dem Platz unverzichtbar
Zu tun hat das vor allem mit Joshua Kimmich. Ja, der Kapitän war auch gegen Luxemburg dabei, doch eben nur am Rande. Er konnte nicht so mitwirken, wie er das gerne gemacht hätte. Motivationsreden und Unterstützung wirken besser, wenn man selbst als gutes Beispiel vorangeht. Seine Präsenz ist ein unverzichtbarer Baustein für ein erfolgreiches Turnier.
Natürlich hängt es nie nur an einem Spieler. Aber Kimmich gibt allen um ihn herum die Richtung vor – und die stimmt beim Münchner eigentlich immer.
Erst am Vormittag bekam er grünes Licht für die Partie. Von seiner Kapselverletzung war anschließend rein gar nichts zu sehen. Er marschiert, spielt messerscharfe Pässe und Flanken, grätscht an der Seitenlinie kompromisslos in Richtung Gegner und Ball. Mit seiner speziellen Positionierung, bei der er von der rechten Außenbahn immer wieder ins Zentrum rückt, schließt er Lücken wie kein Zweiter. Seine Mitspieler lassen sich davon anstecken.
Seine Leader-Qualitäten auf dem Feld sind unumstritten.
Kimmich beweist Fingerspitzengefühl
Noch entscheidender ist jedoch, was abseits davon passiert. Kimmich kümmert sich um alle, zieht das Team emotional mit und schenkt jedem im Kader Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Er sorgt dafür, dass sich alle wohlfühlen. Er weiß, wie man jeden Spieler individuell anpackt und zu Höchstleistungen pusht:
Nick Woltemade schickt er nach jedem Tor für Newcastle einen jubelnden Fritzle (VfB-Maskottchen, Anm. d. Red.), Sané adelt er zum physisch stärksten Spieler, Schlotterbeck pusht er mit der Bemerkung, noch nie in einem WM-Achtelfinale gestanden zu haben. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Er ist Vorbild für die Jungen, fängt sie ein, wenn sie mal übers Ziel hinausschießen – und genießt gleichzeitig höchstes Ansehen bei den Etablierten.
Als ein „Kind im Erwachsenenkörper“ bezeichnet ihn Kumpel David Raum. Genau dieser Mix aus Vollprofi auf dem Platz und kindlicher Lockerheit daneben kommt im Spielerkreis, im Staff und auch beim Bundestrainer unfassbar gut an. Mit Julian Nagelsmann besteht schon fast so etwas wie eine Symbiose: Nagelsmann vertraut Kimmich blind – und Kimmich steht nicht weniger zum Bundestrainer. Zuletzt lauter gewordene Zweifel an dessen Eignung erstickt der Kapitän im Keim.
Enorme Abhängigkeit von zwei Bessermachern
Doch auch ein weiterer Defensivspieler ist längst unverzichtbar geworden: Nico Schlotterbeck. Gegen Luxemburg noch wegen einer Fleischwunde raus, avancierte er gegen die Slowakei einmal mehr zum Stabilisator in der Defensive. Er macht Nebenmann Jonathan Tah sichtbar stärker und selbstbewusster. Und mit seinen mutigen Pässen im Spielaufbau gehört er europaweit zur absoluten Spitze.
Dazu kommt sein unbändiger Wille, der auf einem Niveau mit Kimmich ist. Schlotterbeck gilt als laut, positiv verrückt und unfassbar lebendig – so einen Typen will jede Mannschaft in der Kabine haben.
Lange schwebte die Führungsspieler-Debatte wie eine dunkle Wolke über der DFB-Elf. Mit Nico Schlotterbeck und vor allem Joshua Kimmich sollte diese Diskussion ad acta gelegt werden. Beide sind Bessermacher auf höchstem Niveau. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, wie abhängig die Nationalmannschaft von diesen Charakteren ist.
Die DFB-Elf hat das Ticket für die Weltmeisterschaft gebucht - doch soll diese auch erfolgreich werden, geht kein Weg an Kimmich vorbei.