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Handball-Beben: Ist Bob Hanning zu mächtig?

„Für gesamte Handballwelt überraschend“

Bob Hanning stellt quasi im Alleingang Stefan Kretzschmar und Jaron Siewert bei den Füchsen Berlin frei. Zwei Handball-Legenden äußern sich zu seiner Rolle und dem Chaos in Berlin.
Die Füchse Berlin trennen sich überraschenderweise direkt von Sportvorstand Stefan Kretzschmar - auch Meistertrainer Jaron Siewert muss gehen.
Bob Hanning stellt quasi im Alleingang Stefan Kretzschmar und Jaron Siewert bei den Füchsen Berlin frei. Zwei Handball-Legenden äußern sich zu seiner Rolle und dem Chaos in Berlin.

Das Beben bei den Füchsen Berlin hallt weiterhin nach. Nach den Freistellungen von Trainer Jaron Siewert und Sportvorstand Stefan Kretzschmar wurde Geschäftsführer Bob Hanning von den eigenen Fans ausgepfiffen. Mit seiner unpopulären Entscheidung rückte der Füchse-Boss ins Zentrum der Kritik.

Im Gespräch mit SPORT1 finden die beiden Handball-Legenden Christian Schwarzer und Henning Fritz deutliche Worte über das Chaos beim Deutschen Meister.

Für beide kamen die Entlassungen überraschend. „Man ist deutscher Meister geworden, ins Champions-League-Finale gekommen und hat die ersten beiden Spiele der neuen Saison gewonnen. Normalerweise passieren solche Dinge bei sportlicher Erfolglosigkeit“, stellt Schwarzer fest.

„Für die gesamte Handballwelt überraschend“

Fritz meint, dass mit der gewonnenen Meisterschaft für alle Beteiligten in Berlin ein Traum in Erfüllung gegangen sei „und dann werden zwei wichtige Akteure, vor allem der Trainer, der die Mannschaft begleitet hat, entlassen“. Der ehemalige Weltklasse-Torwart verdeutlicht: „Das war für die gesamte Handballwelt überraschend.“

Zwei Tage vor der Freistellung kündigte Kretzschmar an, dass für ihn nach Ablauf seines Vertrags im Sommer 2026 Schluss sei. Für Fritz wäre es der gängigste Weg gewesen, die laufenden Verträge einzuhalten und dann zu schauen, ob man eine Einigung findet oder nicht. „So wird jetzt aktuell natürlich viel Staub aufgewirbelt“, betont der 50-Jährige.

Schwarzer kann zumindest nachvollziehen, dass sich die Füchse-Bosse, federführend Geschäftsführer Hanning, Gedanken gemacht haben, wie sinnvoll eine weitere Zusammenarbeit sei, wenn bekannt ist, dass Kretzschmar den Verein nach der aktuellen Saison verlassen wird.

Warum gebietet Hanning keiner Einhalt?

Beide Handball-Legenden erklären zwar, dass es schwierig sei, als Außenstehender die Situation zu beurteilen, weil man nicht genau wisse, was intern abgelaufen sei, aber Schwarzer stellt klar: „Irgendetwas muss vorgefallen sein.“

Hierbei kritisiert der frühere Kreisläufer vor allem die Rolle von Bob Hanning. „Was überraschend ist, dass es niemanden gibt, der Einhalt gebietet, wenn da jemand (Bob Hanning, Anm. d. Red.) solche Entscheidungen trifft.“

Schwarzer bemängelt, dass es eigentlich in einem Verein eine Instanz geben müsse, die dann einschreitet. „So kenne ich normal-geführte Vereine. So eine Entscheidung ist in anderen Vereinen vermutlich gar nicht machbar.“

Hanning? „Da muss man dem ganzen Respekt zollen“

Dementsprechend sagt der 55-Jährige in aller Deutlichkeit: „Anscheinend ist Bob Hanning zu mächtig, dass er diese Entscheidung, ohne jemanden Fragen zu müssen, treffen kann. Jemand , der normal denkt, würde so eine Entscheidung niemals treffen.“

Fritz hält sich diesbezüglich etwas zurück und erklärt, dass es wichtig sei, eine machtvolle Position zu haben, um Entscheidungen zu treffen. Zugleich hebt er die Arbeit von Hanning in den vergangenen 20 Jahren hervor: „Was da entwickelt wurde, ist nicht nur das Ergebnis der ersten Mannschaft, sondern auch, was im Nachwuchsbereich aufgebaut wurde. Da muss man dem ganzen Respekt zollen.“

Seiner Meinung nach sei Hanning ein „Fachmann“ und jemand mit „hoher Expertise“. Ob er im Verein zu viel Macht habe, hänge von der Sicht des Betrachters ab, so der Weltmeister von 2007.

„Als Geschäftsführer hat er den Verein dahin gebracht, wo er heute steht. Er verbindet in Berlin viele seiner Kompetenzen und im Endeffekt zählt dann der Erfolg“, ergänzt Fritz.

Am vergangenen Samstag kassierten die Füchse im ersten Spiel nach dem Beben in der heimischen Halle gegen den SC Magdeburg eine empfindliche 32:39-Niederlage. Die Berliner Anhänger pfiffen Hanning aus und zeigten damit eine deutliche Reaktion, was sie von den Entlassungen halten.

Hanning erklärt die Entscheidung

Der Unmut über die für viele Fans unverständliche Neuordnung des Vereins traf den selbstbewussten Macher auch persönlich. Am Rande der Partie begründete er in der ARD die Entscheidungen.

„Stefan hat mir vor 14 Tagen mitgeteilt, dass er nicht in der Lage sei, neue Spieler zu holen, wenn er emotional nicht dabei ist“, schilderte der 57-Jährige: „Das ist Stefan. Das kannst du arbeitsrechtlich auf der einen Seite so sehen, aber wenn du Stefan kennst, weißt du, wie er aus der Emotion heraus agiert. Von daher haben wir uns nach seiner Entscheidung, den Verein im Sommer zu verlassen, zusammengesetzt und versucht, eine vernünftige und gute (sofortige) Trennung zu machen und das haben wir gemacht.“

Bei der Entlassung Siewerts - die Hanning schon im Vorfeld als „schwierigste Entscheidung in meinen 20 Jahren bei den Füchsen“ bezeichnet hatte - liege der Fall komplizierter: „Wir wollten eine Lösung finden, die zukunftsträchtig ist und wir haben uns für Nicolej Krickau (Nachfolger für beide Posten in Personalunion, Anm. d. Red.) entschieden, wegen des ganzen Konzepts.“

Ruhe bei den Füchsen? „Wird sehr schwer werden“

Doch wie wird es nun beim aktuellen deutschen Meister weitergehen? Und wie kommt schnellstmöglich wieder Ruhe in den Verein? „Es wird sehr schwer werden, das wieder hinzubekommen“, meint Schwarzer und verweist darauf, dass eigentlich nur sportlicher Erfolg helfen könne: „Aber wenn du weiterhin so spielst wie gegen Magdeburg, dann kann so ein Schuss auch nach hinten losgehen.“

In die gleiche Kerbe schlägt Fritz: „Der Mannschaft muss es gelingen, ruhig weiterzuarbeiten und sich auf das zu fokussieren, was sie im letzten Jahr so stark gemacht hat. Der einfachste Weg, den Unmut der Fans beiseitezuschieben und die Sympathien wiederzugewinnen, ist, so schnell wie möglich wieder in die Erfolgsspur zu kommen.“

Der Welthandballer von 2004 betont, dass der Fokus ab sofort nicht mehr darauf liegen sollte, zurückzublicken, sondern sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es sei zwar nicht einfach, schnell die neuen taktischen Ansätze von Krickau im Spiel zu implementieren, doch dies müsse schnellstmöglich passieren.

„Dann haben sie eine gute Mannschaft und dann können sie auch jeden schlagen. Aber daran sieht man, wie wackelig so ein Konstrukt am Ende auch sein kann“, erklärt Fritz abschließend.