Joachim Löw wirkte erschüttert, als er am Montagabend vor die Kameras trat. Und der Schock über den Rücktritt von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach war keinesfalls gespielt.
Hintergründe des Niersbach-Rücktritts
"Damit hatte ich nicht gerechnet", gab Löw am Dienstag im Gespräch mit SPORT1 zu. "Auch wenn es keine Auswirkungen auf die Nationalmannschaft hat: Menschlich ist das sehr schade."
Auch viele andere Insider waren mehr als überrascht über Niersbachs Entscheidung. Denn der 64-Jährige war mit dem klaren Ziel in die Sitzung von DFB-Präsidium und den Spitzen der Landesverbände gegangen, im Amt zu bleiben und den Skandal um die WM-Vergabe 2006 aufzuklären.
Drei-Punkte-Plan zur Aufklärung
Nach SPORT1-Informationen hatte Niersbach dazu eine Art Drei-Punkte-Plan mit der engeren Verbandsführung um seine 1. Vizepräsidenten Reinhard Rauball und Dr. Rainer Koch abgestimmt, um den Rückhalt der anwesenden Mitglieder der erweiterten DFB-Führung zu gewinnen.
Demnach wollte er sich in einem offenen Brief an alle Fußball-Fans für die Entwicklungen der vergangenen Wochen entschuldigen und gleichzeitig bekräftigen, dass er sich nichts habe zu Schulden kommen lassen.
Zudem sollte ein außerordentlicher DFB-Bundestag einberufen werden, bei dem Niersbach die Vertrauensfrage gestellt hätte - um mit einem eindeutigen Votum der Delegierten gestärkt zu werden.
Katastrophales Krisenmanagement
Zudem sollte es einschneidende personelle Änderungen in der hauptamtlichen DFB-Verwaltung geben, nachdem diese nach Ansicht aller Experten beim Krisenmanagement versagt hat. Wie zum Beweis dafür tauchte dann das Dokument auf, das Niersbachs Pläne hinfällig machte und ihn zum Rücktritt zwang.
Denn die vom Präsidenten angestoßene interne DFB-Revision hatte das Skandaldokument nicht gefunden, weshalb Niersbach ja auf seiner misslungenen Pressekonferenz behauptet hatte, das Sommermärchen sei nicht gekauft gewesen.
Die Rechercheure der extern eingesetzten Kanzlei Freshfields dagegen fanden den offensichtlichen Bestechungsversuch gegenüber CONCACAF-Chef Jack Warner, der vier Tage vor der Abstimmung zur WM-Vergabe am 6. Juli 2000 datiert ist und von OK-Präsident Franz Beckenbauer unterschrieben wurde.
Weitere Enthüllungen nicht ausgeschlossen
Daraufhin übernahm Niersbach die politische Verantwortung für die Verfehlungen im DFB, zumal er gegenüber den Teilnehmern des Krisengipfels nun weitere Enthüllungen nicht mehr ausschließen konnte.
Gleichwohl bleibt ein Umbau der Verbandszentrale umso mehr ein Thema, die bis zum umstrittenen Generalsekretär Helmut Sandrock reichen könnte. Teammanager Oliver Bierhoff, als DFB-Präsidiumsmitglied in die Entscheidungen eingebunden, deutete entsprechende Überlegungen am Dienstag an:
"Wichtig ist, dass es durch diese Entwicklung in der FIFA und auch bei uns einiges verändern wird: Im Umgang, in der Kontrolle, in der Abwicklung innerhalb des Hauses."