Sogar der Vater des Erfolgs kann den momentanen Lauf seines Teams kaum glauben. „Fünf Siege aus sechs Spielen, das ist nicht normal!“, sagte Danny Röhl nach dem vierten Sieg in Serie.
Der irrste Abstiegskrimi Europas
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Mit 1:0 bezwang Sheffield Wednesday als Vorletzter am Dienstagabend Plymouth Argyle - und zog den Tabellen-16. der englischen Championship damit noch stärker rein in den aktuell wohl verrücktesten Abstiegskampf in Europa. Nach dem 36. Spieltag trennen beide Teams nur zwei Punkte - aber sieben Plätze.
Flick-Weggefährte: „Unglaubliches Rennen im Tabellenkeller“
„In den vergangenen Wochen haben wir viel investiert, um jetzt an diesen Punkt zu kommen“, bilanzierte Röhl. „Wir sind näher dran. Wir haben die Lücke geschlossen und es ist ein unglaubliches Rennen im Tabellenkeller mit etwa acht oder neun Teams um uns herum.“
Im Oktober übernahm Röhl den Trainerjob in Sheffield. Und man kann nicht behaupten, dass sich der frühere Assistent von Hansi Flick für seinen ersten Posten als Cheftrainer eine einfache Aufgabe ausgesucht hat.
Nur drei magere Pünktchen hatte Sheffield Wednesday an den ersten elf Spieltagen eingesammelt, als Röhl bei den Owls unterschrieb. Auch der Start verlief holprig, in den ersten sieben Spielen unter seiner Regie gelang nur ein Sieg - gegen das jetzt abgeschlagene Schlusslicht Rotherham.
Sheffield bei Röhls Amtsantritt schon abgeschrieben
Doch mittlerweile hat sich das Blatt beim englischen Traditionsklub gewendet, nur die Tordifferenz trennt die Owls momentan vom rettenden Platz 21.
„Die Chance, auf den viertletzten Rang zu kommen, lebt noch. Als ich kam, trauten uns nicht viele zu, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch so im Rennen sind“, sagte der 34-Jährige Ende Februar in einem kicker-Interview.
Zur Lebensversicherung wurde Angreifer Iké Ugbo. Das einstige Chelsea-Talent hat eine wahre Leih-Odyssee durch Englands untere Ligen hinter sich, gehört aber seit 2022 dem französischen Zweitligisten ESTAC Troyes.
In dieser Saison war der 25-jährige Kanadier zunächst an Sheffields Ligakonkurrenten Cardiff City verliehen. Im Winter wurde die Leihe jedoch vorzeitig beendet und Ugbo landete in Sheffield.
Die fünf Siege in den vergangenen sechs Spielen gehen vor allem auf sein Konto. Seine sechs Tore machten dabei jeweils den Unterschied, beim Sieg gegen Plymouth bereitete er das Siegtor von Djeidi Gassama vor.
Balanceakt zwischen RB-Schule und Abstiegskampf
Im Derby gegen Leeds United am Freitag (21 Uhr im LIVETICKER) dürften daher auch Sheffields Hoffnungen wieder auf Ugbo ruhen. Schließlich geht es für Röhls Team weiterhin um wichtige Punkte im Kampf um den Klassenerhalt.
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Für Röhl ist die Situation gleichzeitig ein Balanceakt, schließlich passt seine Idee von modernem Fußball nicht unbedingt zum Abstiegskampf der zweiten englischen Liga.
Der studierte Sportwissenschaftler ist ein Mann der RB-Schule. Geprägt wurde Röhls Entwicklung dabei auch von Ralf Rangnick, mit dem er von 2012 bis 2018 bei RB Leipzig zusammenarbeitete.
Röhl tauscht sich regelmäßig mit Flick aus
Als Spielanalyst zählte er später auch für Ralph Hasenhüttls Trainerstab in Leipzig. Der Österreicher nahm Röhl im Dezember 2018 mit zum FC Southampton. Auf Flicks Initiative landete Röhl im Sommer 2019 bei den Bayern, als Assistenztrainer begleitete er Flick dann auch zwei Jahre später zum DFB.
Sein Verhältnis zu Flick sei „immer noch sehr vertraut und wir tauschen uns regelmäßig aus. Aber mein Fokus liegt komplett auf meiner eigenen Entwicklung als Cheftrainer“, sagte Röhl dem kicker.
Die verfolgt auch sein früherer Mentor, beim 1:0-Sieg am Dienstagabend war Flick im Hillsborough unter den Tribünengästen.
In seine Arbeit lässt Röhl auch die Erfahrungen an der Seite von Flick einfließen. „Neben den taktischen Inhalten habe ich vor allem die Mannschaftsführung von Hansi Flick mitgenommen.“
Premier-League-Rückkehr als Fernziel
Röhls Mission bleibt eine Gratwanderung. Im Sommer laufen 20 Verträge aus und so lange die Ligazugehörigkeit offen ist, bleibt auch die Zukunftsplanung schwierig.
Was die langfristigen Ziele angeht, will Röhl mit den Owls möglichst wieder nach oben schauen. Das Gründungsmitglied der Premier League war letztmals vor 24 Jahren erstklassig, stürzte zwischenzeitlich sogar in die dritte Liga ab.
Dass im altehrwürdigen Hillsborough, das durch die Stadionkatastrophe 1989 mit 96 Toten traurige Berühmtheit erlangt hat, in absehbarer Zeit wieder Premier-League-Fußball geboten wird, ist für Röhl keinesfalls abwegig. „Mit dem Potenzial der Fans und der Strahlkraft kann Sheffield Wednesday wieder ein Premier-League-Klub werden.“
Nimmt man die Formtabelle der vergangenen sechs Spiele als Maßstab, würde Sheffield Wednesday als Dritter sogar im Aufstiegsrennen mitmischen.