„Und immer, wenn man denkt, es gehe nicht noch desolater, beweisen die Young Boys das Gegenteil.“ Viel deutlicher konnte die Kritik der Neuen Zürcher Zeitung an dem im 19. Jahrhundert gegründeten Traditionsklub nicht ausfallen.
Ein Serienmeister im Sinkflug - Seoane noch glücklos
Ein Serienmeister im Sinkflug
Die Young Boys Bern, Schweizer Serienmeister der vergangenen Jahre, gerieten innerhalb einer Woche zweimal unter die Räder. Auf das desolate 2:6 gegen die Grasshoppers Zürich folgte am Sonntag ein 0:3 gegen den FC Lugano.
Es war jedoch nur der bisherige Tiefpunkt einer Saison, in der die Young Boys weit hinter den eigenen Erwartungen zurückbleiben. Nachdem man schon in der zweiten Pokalrunde am Zweitligisten FC Aarau gescheitert war, steht man in der Liga aktuell nur auf Rang fünf.
Young Boys in der Krise: „Eine Peinlichkeit“
Der Rückstand auf den sensationellen Aufsteiger, Tabellenführer und Kantonsrivalen FC Thun beträgt zur Winterpause bereits elf Punkte. „Klingt absurd – und ist für die Young Boys eine Peinlichkeit“, schrieb die NZZ zur aktuellen Situation.
Selbst in der vergangenen Saison, als die Young Boys den schlechtesten Saisonstart in ihrer Historie hingelegt hatten, stand man zu diesem Zeitpunkt besser da. Am Ende verpasste man zum erst zweiten Mal seit der Saison 2017/18 die Meisterschaft.
Ein Schicksal, das auch in diesem Jahr bittere Realität werden könnte. Mehr noch, in der aktuellen Form droht sogar das Abrutschen in die Relegationsrunde. Nur noch fünf Punkte trennen den Berner Sport-Club von der unteren Tabellenhälfte.
Seoane: Die Rückkehr des Meistertrainers
Dabei herrschte noch Anfang November große Euphorie in der Schweizer Hauptstadt. Gerardo Seoane kehrte nach fünf Jahren in der Bundesliga zurück zu dem Verein, mit dem er zwischen 2019 und 2021 dreimal in Serie Meister wurde.
„Die Anfrage von YB hat in mir positive Gefühle ausgelöst. Ich habe natürlich sehr schöne Erinnerungen an die tolle gemeinsame Zeit. Ich habe das Gefühl, dass es der richtige Schritt ist“, erklärte Seoane bei seiner offiziellen Vorstellung.
Von diesen positiven Gefühlen scheint jedoch rund zwei Monate später nicht mehr viel übrig geblieben zu sein.
„Alles noch viel schlimmer bei den Young Boys“, titelte die Schweizer Zeitung Blick und urteilte: „Mit dem Trainerwechsel zu Gerardo Seoane wurden bei YB sofort wieder Erinnerungen an die richtig erfolgreichen Zeiten wach. Doch der Klub ist kein bisschen weiter als noch unter Contini. Und auch nicht als vor einem Jahr.“
Euphorie verpufft! Kein Aufwind unter Seoane
Während die Mannschaft unter Vorgänger Giorgio Contini noch 1,76 Punkte pro Spiel erzielte, liegt dieser Wert unter Seoane bislang nur bei 1,27 Punkten. Auch der Rückstand auf den Tabellenführer wuchs weiter auf elf Punkte an.
„Das war inkonstant, wie die ganze Vorrunde von YB“, analysierte Seoane die Leistungen seit seiner Rückkehr entsprechend kritisch.
Sportvorstand und Mitbesitzer Christoph Spycher hatte sich nach der Verpflichtung von Seoane noch zuversichtlich gezeigt: „Er ist nicht mehr der gleiche Trainer, als der er gegangen ist. Aber er ist noch derselbe Mensch.“
Nachdem Bern jeden Trainer seit dem Ende der ersten Amtszeit von Seoane frühzeitig abgesägt hatte, waren die Ansprüche klar formuliert. „Wir wollen Konstanz auf dem Trainerposten und stellen uns eine langfristige Zusammenarbeit vor“, kündigte Spycher an.
Wiederholt sich für Seoane das Bundesliga-Schicksal?
Lassen die Ergebnisse nach der Winterpause weiter zu wünschen übrig, dürfte aber auch der Druck auf Seoane schnell steigen. Dem Trainer könnte nach überwiegend enttäuschenden Jahren in der Bundesliga der nächste Tiefschlag drohen.
Nachdem Seoane im ersten Jahr mit Bayer Leverkusen in die Champions League stürmte, wurde er im zweiten Jahr schon im Oktober entlassen. Sein Nachfolger Xabi Alonso machte aus der Werkself eine Meistermannschaft.
Auch bei Gladbach konnte Seoane die Erwartungen nie wirklich erfüllen. Im ersten Jahr entrannen die Gladbacher nur knapp dem Abstieg (14.) und landeten im Jahr darauf im Mittelfeld (10.). In dieser Saison war die Zeit des Schweizers bereits nach drei Spieltagen und 0:5 Toren abgelaufen.
Seoane muss in der Rückrunde zügig die Wende schaffen, damit ihm in Bern nicht bald das gleiche Schicksal droht.