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Das Märchen um ein früheres Fußball-Wunderkind wird zur bizarren Posse

Das Märchen wird zur Posse

Raheem Sterling findet sich beim FC Chelsea in einer geradezu bizarren Situation wieder. Dabei galt er einst als Wunderkind.
Enzo Maresca macht bei Chelsea Ernst. Der Trainer lässt eine Gruppe von Spielern, darunter auch Raheem Sterling, separat trainieren und wird ihnen bei einem Verbleib jegliche Einsatzminuten verweigern.
Raheem Sterling findet sich beim FC Chelsea in einer geradezu bizarren Situation wieder. Dabei galt er einst als Wunderkind.

Die Geschichte von Raheem Sterling liest sich wie ein Märchen - mit einem großen Makel. Denn der wohl wichtigste Teil einer beachtlichen Geschichte fehlt: Das Happy End ist nicht in Sicht. Und so wird aus der Fabel eine Posse.

Englands einstiges Wunderkind findet sich in einer geradezu bizarren Situation wieder. Mit 30 Jahren ist Sterling in die fußballerische Bedeutungslosigkeit abgestürzt. Gleichzeitig ist er immer noch einer der bestbezahlten Spieler Englands.

Sterling steht noch bis 2027 beim FC Chelsea unter Vertrag - Teil des Vereins ist er aber nur noch auf dem Papier. Der Flügelspieler wurde schon vor geraumer Zeit in die berüchtigte „Bomb Squad“ abgeschoben.

Eine eigene Toilette für die Verbannten

Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff so viel wie „Bombenentschärfungskommando“. Mit Sprengstoff hat der von der englischen Presse geprägte Ausdruck aber nichts zu tun. Vielmehr beschreibt er eine Ansammlung von „gescheiterten“ Spielern, die im Klub nicht mehr erwünscht sind. Und daher von der eigentlichen Mannschaft isoliert werden.

Bei Chelsea wird diese Abgrenzung offenbar mit unerbittlicher Härte durchgesetzt. So berichtet die Sun, dass die Bomb Squad - neben Sterling gehören dieser auch noch Axel Disasi und David Datro Fofana an - in einer eigenen kleinen Umkleide zu Hause ist.

Die Spieler müssen eine eigene Toilette benutzen und dürfen auch nicht mit den noch erwünschten Stars am Essen teilnehmen. Berührungspunkte mit Kollegen und Kumpels? Fehlanzeige.

Disasi teilte vor einigen Wochen ein Bild von der Kabine der Verbannten. Zu sehen: ein trister grauer Raum mit Holzbänken, wie man sie aus der Kreisliga kennt. Mit den Standards eines schwerreichen Klub-Weltmeisters hat das nichts zu tun.

Sterling und das monströse Gehalt

Eine Rückkehr ins Rampenlicht scheint derweil ausgeschlossen. Auf dem Radar von Trainer Enzo Maresca tauchen Sterling und Co. nicht mehr auf: „Ich beachte diejenigen nicht, die trainieren und gehen müssen“, lautete jüngst seine Ansage. Wenn aussortierte Spieler wie Carney Chukwuemeka (ging zum BVB) den Verein verlassen, erfahre er dies lediglich durch eine kurze Textnachricht vom Klub.

So sieht sie also aus, die Realität von Sterling. Der allerdings auch weiterhin 375.000 Euro in der Woche verdient. Nur vier Spieler sollen in der Premier League besser bezahlt sein.

Das Geld dürfte der wohl entscheidende Grund für Sterlings Verbleib bei den Blues sein. Ein teurer Spieler, der in der jüngeren Vergangenheit zudem nicht mehr überzeugen konnte, ist schwer vermittelbar. Dazu kommt: In der gerade abgelaufenen Transferperiode gab Chelsea über 20 Spieler für gut 330 Millionen Euro ab. Sterling hatte schlicht keine Priorität.

In der vergangenen Saison war der Engländer am Deadline Day noch per Leihe zum FC Arsenal gewechselt. Nach dem eher erfolglosen Abstecher wollte Sterling offenbar trotz Anfragen von Fulham und Crystal Palace nicht erneut auf den letzten Drücker transferiert werden.

Der unwahrscheinliche Aufstieg zum Wunderkind

Generell, so schreiben es englische Medien übereinstimmend, glaubt der Offensivspieler noch an eine Rückkehr auf die große Bühne. Und sogar in die englische Nationalmannschaft, für die er bereits 82 Spiele absolviert hat.

So unwahrscheinlich ein Comeback erscheint: Es wäre nicht das erste Mal, dass Sterling alle überrascht. Schon sein Weg ins Profigeschäft war äußerst steinig.

Sterling war erst zwei Jahre alt, als sein Vater ermordet wurde. Wenig später verließ seine Mutter die in einem Problemviertel der jamaikanischen Hauptstadt Kingston lebende Familie, um in England um die Chance auf ein besseres Leben für ihre Liebsten zu kämpfen.

Einige Jahre später zog auch Sterling nach London um. Wie er bei Players‘ Tribune einst erzählte, wurde er auch dort Zeuge von Verbrechen und Gewalt. Er landete in einer Schule für verhaltensauffällige Kinder.

Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für eine große Karriere: Einer seiner Lehrer soll einst über Sterling gesagt haben: „Wenn er so weitermacht, spielt er entweder für England oder landet im Gefängnis.“

Chelsea bei Sterling „fast schon grausam“

Heute ist bekannt: Sein sportliches Talent sorgte für einen erstaunlichen Aufstieg. Mit gerade einmal 17 Jahren debütierte Sterling für den FC Liverpool in der Premier League. Als er erstmals für England auflief, war er immer noch keine 18.

Sterling war damals das große Wunderkind der Nation. Er sollte eine neue Ära einläuten. Als Star der Generation, die die Lampards und Gerrards beerben könnte. Gänzlich wurde der Angreifer mit dem unverkennbaren Laufstil diesen Hoffnungen nie gerecht.

Auf Vereinsebene folgten Wechsel zu Spitzenklubs wie Manchester City und eben Chelsea. Sterling war der erste prominente Name, den der heutige Klub-Besitzer Todd Boehly vor rund drei Jahren an die Stamford Bridge lockte.

Doch es kam zu etlichen weiteren Transfers und Sterling, der seine Vereine insgesamt rund 120 Millionen Euro Ablöse gekostet hat, landete im fragwürdigen Spieler-Shopping der Blues auf dem Abstellgleis.

Als „fast schon grausam“ wird das Vorgehen Chelseas in der Sun beschrieben. Sterling sei mittlerweile nicht mehr als Tauschmasse. Wie das Happy End eines Märchens klingt das wahrlich nicht.